Digitalisierung ist kein Irrtum, sondern Tatsache
Die Digitalisierung hat auch im Handwerk längst Einzug gehalten. Auf einer Tagung des Deutschen Handwerksinstituts in Berlin gaben Wissenschaftler Anregungen für die Bewältigung des digitalen Wandels.
Gleich zum Auftakt der Konferenz erstickte Holger Schwannecke, Generalsekretär des Zentralverbands des Deutschen Handwerks, mit seiner klaren Ansage jegliche Illusionen bei möglichen Digitalisierungsskeptikern: "Digitalisierung ist kein Irrtum, sondern Tatsache. Alles, was digitalisierbar ist, wird in Zukunft digitalisiert werden. Digitalisierung ist Gegenwart und Mega-trend zugleich."
Herbert Fitzek, Professor für Wirtschafts- und Kulturpsychologie an der Business School Berlin, schaltete dann einen Gang zurück, indem er auf die durchaus unterschiedlichen Befindlichkeiten hinsichtlich der Digitalisierung in Mittelstand und Handwerk einging. "Vielerorts herrscht das Gefühl, von der Entwicklung überrollt zu werden, insbesondere bei älteren Führungskräften und Inhabern. Dagegen bringen sich Auszubildende und junge Mitarbeiter oft schnell auf den modernsten technologischen Stand. Fitzek zeichnete das Bild einer Welle, in deren Umfeld er Digitalisierungsbefürworter und -skeptiker in ganz eigener Bildsprache platzierte: "Der 'Surfer' ist jemand, der die Digitalisierungswelle problemlos meistert, indem er die Techniken und Abläufe schnell verinnerlicht. 'Taucher' sind die Experten, also Freaks und Nerds, die bereits in den Tiefen der Digitalisierung angekommen sind. Die 'Hin- und Hergerissenen' sind Vertreter ihrer Zunft, die beruflich entwurzelt sind, weil sich die Arbeitswelt total verändert hat. Und ein 'Inselbewohner' ist derjenige, der versucht, sich der Digitalisierung komplett zu entziehen und weiter analog zu arbeiten." Mit dieser Klassifizierung wollte Fitzek verdeutlichen, welche Rolle den Menschen beim Voranschreiten der Digitalisierung zukomme. Sie seien, so der Berliner Wissenschaftler, sowohl Erfolgs- als auch Risikofaktor dieser Entwicklung.
Professor Kilian Bizer vom Volkswirtschaftlichen Institut für Mittelstand und Handwerk an der Universität Göttingen präsentierte die Ergebnisse einer Bedarfsanalyse zu folgender Fragestellung: Wo steht denn das Handwerk? Nach Auswertung von 353 Fragebögen kamen Bizer und sein Team zu dem Schluss, dass sich derzeit die größten Digitalisierungslücken in den Bereichen Arbeitsprozesse und Mitarbeiterqualifizierung auftun. Dagegen herrscht in vielen Betrieben bezüglich des Umgangs mit Kunden und Lieferanten oft schon ein hoher Digitalisierungsgrad.
Professor Gunther Friedl vom Ludwig-Fröhler-Institut für Handwerkswissenschaften in München vermittelte einen Orientierungsrahmen für die digitale Transformation im Handwerk. Aus seiner Sicht bräuchten Handwerksbetriebe eine individuelle Digitalisierungsstrategie – für die Kostensenkung oder für neue Geschäftsmodelle. Durch gezielte Digitalisierungsmaßnahmen könne die Wertschöpfung erheblich gesteigert werden, sei es durch Angebotsmodifikationen oder -erweiterungen, durch die Reichweitensteigerung in Bezug auf Kunden und Märkte oder durch Effizienzsteigerungen. Friedl mahnte: "Das Handwerk muss industrielle Nischen besetzen, bevor die Industrie das Massengeschäft des Handwerks besetzt."
Viel Raum nahm das Thema Aus- und Weiterbildung ein. Dr. Christian R. Welzbacher vom Heinz-Piest-Institut für Handwerkstechnik an der Leibnitz Universität Hannover gab einen Überblick über den Zustand der Bildungsstätten des Handwerks. Dank erheblicher Investitionen in den letzten Jahren sei ein leistungsfähiges Netz an Bildungsträgern vorhanden. Allerdings mangele es an der Fortbildung bei den Ausbildern. In einer von Handwerksblatt-Chefredakteur Michael Block moderierten Podiumsdiskussion wurde einhellig die Empfehlung gegeben, Weiterbildung zur Selbstverständlichkeit in den Betrieben werden zu lassen. Diese könnte künftig durch spezielle Digitalisierungsbeauftragte – Mitarbeiter unterhalb der Meistergrenze – in den Unternehmen organisiert und koordiniert werden.
Text:
Karsten Hintzmann /
handwerksblatt.de
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