Bundeskanzler Olaf Scholz besucht Handwerksbetriebe auf der "Zukunft Handwerk".

Bundeskanzler Olaf Scholz besuchte innovative Handwerksbetriebe auf der "Zukunft Handwerk". (Foto: © GHM)

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Scholz: "Der Meisterbrief schafft Vertrauen"

"Das Handwerk wird bei der Umsetzung der Klimaziele eine besondere Rolle spielen." Bundeskanzler Olaf Scholz beim Spitzengespräch der Wirtschaft. DIHK, ZDH, BDI und BDA fordern eine Perspektive, die Mut macht und Rahmenbedingungen für Investitionen.

Beim Münchener Spitzengespräch der Deutschen Wirtschaft mit Bundeskanzler Olaf Scholz am Rande der Internationalen Handwerksmesse formulierten die Verbände BDI, BDA, ZDH und DIHK ihre Erwartungen an die Politik. Sie fordern "eine Perspektive für die Unternehmen jenseits des reinen Krisenmodus". Ihre Erwartungen an die Themen Digitalisierung, Energiewende, schnellere Genehmigungsverfahren und eine Bildungsoffensive haben sie in einer gemeinsamen Erklärung veröffentlicht.

"Optimistisch in die Zukunft blicken"

(v.l.n.r.) Siegfried Russwurm (BDI), Dr. Rainer Dulger (BDA), Bundeskanzler Olaf Scholz, Jörg Dittrich (ZDH), Peter Adrian (DIHK) Foto: © ZDH / Henning Schacht(v.l.n.r.) Siegfried Russwurm (BDI), Dr. Rainer Dulger (BDA), Bundeskanzler Olaf Scholz, Jörg Dittrich (ZDH), Peter Adrian (DIHK) Foto: © ZDH / Henning Schacht

Um Zuversicht und Optimismus ging es Bundeskanzler Olaf Scholz in seiner Ansprache. Er erwartet ein deutliches Wachstum der Wirtschaft. Zudem dankte er allen allen Unternehmen, "die bereit waren sich auf die veränderte Situation einzustellen, sich auf neue Konzepte einzulassen und Energie zu sparen in diesem Winter." Wie gut Deutschland bislang durch die Krise gekommen sei, zeige eindrucksvoll, "wie widerstandsfähig unsere Volkswirtschaft ist".

Regierung, Unternehmerinnen und Unternehmer, Handwerk und Industrie hätten gemeinsam viel bewegt. "Wir haben allen Grund, optimistischer in die Zukunft zu blicken als noch vor einem Jahr, was unser eigenes Land betrifft", sagte der Kanzler und rief dazu auf, diesen Schwung mitzunehmen. Es sei ein Aufbruch möglich, "wenn wir beherzt zugreifen". 

"Der Meisterbrief schafft Vertrauen"

Deutschland wolle bis 2045 klimaneutral wirtschaften. Dazu müssten vier bis fünf Windkraftanlagen pro Woche aufgestellt werden, etwa 6.000 Mehrfamilienhäuser pro Woche saniert, 40 Fußballfelder voller Solaranlagen installiert und jeden Tag 1.600 Wärmepumpen eingebaut werden. "Das Handwerk wird dabei eine ganz zentrale Rolle spielen", betonte Scholz. "Wir brauchen das Handwerk für unsere Zukunft." Das sei ein gutes Zeichen für die Betriebe. 

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Der Kanzler hob nicht nur die Bedeutung des Handwerks bei der Umsetzung der Klimaziele hervor, er lobte auch explizit die berufliche Bildung und den Meister. "Der Meisterbrief schafft Vertrauen in die Fähigkeiten", so Scholz. Man könne daher darüber nachdenken, sich künftig von der "einen oder anderen Anforderung an zusätzliche Gutachten zu befreien, wenn ein hoch qualifizierter Meisterbetrieb bestimmte Leistungen erbringt". 

ZDH-Präsident Jörg Dittrich erinnerte in dem Zusammenhang daran, dass die berufliche Bildung gegenüber der akademischen Bildung in den letzten Jahrzenten vernachlässigt worden sei. "Deshalb brauchen wir bei der Berufsorientierung in allen Schulformen - auch in den Gymnasien - eine einheitliche Qualität", betonte Dittrich. Zudem müssten Ausbildungsbetriebe finanziell entlastet werden, »damit mehr Ausbildung stattfindet".  Denn, wer Klimaschutz betreiben will, müsse ins Handwerk kommen.

"Die Berufsausbildung, die Lehre, ist unverändert die wichtigste Ausbildung in Deutschland", betonte auch der Kanzler. Berufsorientierung sei sowohl in der Schule, also auch nach dem Abitur und während des Studiums wichtig. 

Unternehmen brauchen Rahmen, der Investitionen fördert

Die Verbände stellen dem Krisenmanagement der Bundesregierung ein gutes Zeugnis aus - etwa für die Gas- und Strompreisbremse - die einen nachhaltigen Einbruch der Konjunktur verhindert hätten. Eine Dauerlösung sei das allerdings nicht. "Die Unternehmen brauchen einen Rahmen, der Investitionen in Deutschland fördert und mehr Dynamik in die Wirtschaft bringt."

Hohe Energiepreise, drohende Engpässe in der Energieversorgung und Lieferkettenstörungen würden die Unternehmen nach wie vor immens belasten. Dazu kämen hohe Steuern, lange Genehmigungsverfahren und der wachsende Fachkräftemangel. Für die anstehende Transformationsprozess zu einer CO2-freien Energieversorgung in Deutschland seien noch einige Hürden zu nehmen, sagte DIHK-Präsident Peter Adrian. Wichtig sei, dass die deutsche Wirtschaft international wettbewerbsfähig bleibe. Zudem müssten Genehmigungsverfahren und bürokratische Prozesse beschleunigt und vereinfacht werden. Ein weiteres zentrales Thema sei der Fachkräftemangel. 

Bundeskanzler Olaf Scholz begrüßt innovative Handwerksbetriebe auf der Zukunft Handwerk Das Münchener Spitzengespräch der Deutschen Wirtschaft findet traditionell im Rahmen der Internationalen Handwerksmesse IHM statt. Bundeskanzler Olaf Scholz besuchte auf dem neuen Kongress "Zukunft Handwerk" mit ZDH-Präsident Jörg Dittrich (r.) innovative Handwerksbetriebe.

Darunter die San Haustechnik aus Wahnbek/Rastede bei Oldenburg, die sich auf Wärmepumpen spezialisiert hat, die J+K GmbH, Experten für Cobots von Universal Robots (Foto), die nachhaltig arbeitende Holzmanufaktur Rottweil GmbH, die auf Baudenkmalpflege spezialisiert ist, und das Backhaus Fickenscher ein fast 400 Jahre altes Traditionsunternehmen mit eigenem Onlineshop.

Die Erklärung der Wirtschaftsverbände im Wortlaut

"Die Welt ist im Umbruch – geopolitisch, aber auch wirtschaftlich. Die Folgen des russischen Überfalls auf die Ukraine haben nicht nur schwere humanitäre Folgen, sondern auch tiefgreifende Konsequenzen für den Wirtschaftsstandort Deutschland. Hohe Energiepreise, drohende Engpässe in der Energieversorgung und Lieferkettenstörungen stellen für die Betriebe und Unternehmen in dieser international verflochtenen deutschen Wirtschaft eine große Herausforderung dar. Die neuen Belastungen reduzieren die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschlands weiter. Der Verlust industrieller Wertschöpfung ist keine theoretische Gefahr mehr. Er findet bereits statt.

Die Politik hat mit ihrem Krisenmanagement eine Reihe der direkten Krisenfolgen abgemildert. Viele der Maßnahmen sind zwar geeignet zur Überbrückung, eine Dauerlösung sind sie nicht. Es braucht eine Perspektive für die Unternehmen jenseits des reinen Krisenmodus.

Wir müssen zweigleisig fahren: Unterstützung in der Krise sowie Weichenstellungen für mehr Wettbewerbsfähigkeit und wieder mehr Investitionen an unseren Standorten. Die deutsche Wirtschaft steht zur Sozialen Marktwirtschaft. Sie wird weiterhin ihren Anteil tragen, damit wir gemeinsam die vielfältigen Herausforderungen meistern können.

Die Betriebe brauchen dafür eine Perspektive, die Mut macht. Sie brauchen einen Rahmen, der Investitionen in Deutschland fördert und mehr Dynamik in die Wirtschaft bringt. Aus Sicht der deutschen Wirtschaft sind folgende Handlungsfelder jetzt besonders dringend:

Wettbewerbsfähigkeit und Energieversorgung sichern

2023 ist ein Jahr wichtiger Entscheidungen für die Zukunft des Wirtschaftsstandortes Deutschland. Zentral ist eine Energie- und Wirtschaftspolitik, mit der Rahmenbedingungen strukturell verbessert werden. Denn mit den erheblichen Kostenbelastungen, beispielsweise durch Energiepreise und ausufernde Bürokratie, gerät Deutschland immer mehr ins Hintertreffen.

Die Bundesregierung sollte daher auf kleinteilige Vorgaben wie beim Effizienzgesetz verzichten und schnell pragmatisch reagieren, zum Beispiel mit steuerlichen Anreizen für die Erreichung der Transformationsziele.

So sollte die Steuerbelastung der Kapitalgesellschaften von derzeit rund 30 Prozent so schnell wie möglich auf ein international wettbewerbsfähiges Niveau von 25 Prozent reduziert und für die Personenunternehmen die Thesaurierungsrücklage bei der Einkommensteuer mittelstandsfreundlich fortentwickelt werden, um finanzielle Spielräume für die Transformationsherausforderungen zu schaffen. Es gilt darüber hinaus, insgesamt eine vertrauensbasierte Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft und Politik für den Zukunftsort Deutschland zu gestalten.

Mehr Tempo bei Planungs- und Genehmigungsverfahren

Energiewende, Digitalisierung und der demografische Wandel erfordern eine Neuausrichtung der Wirtschaft: In kürzester Zeit müssen die Unternehmen Anlagen ersetzen oder modernisieren und zum Teil ganze Infrastrukturen und Logistikketten neu aufbauen. Vom neuen Deutschland-Tempo spüren die Unternehmen bislang zu wenig. Der schnelle Aufbau der LNG-Terminals ist bislang eine – wenn auch wichtige – Ausnahme.

Alltag sind komplizierte Vorgaben und Verfahren, die für die Breite der Wirtschaft relevanten Themen wie Wohnungsbau, Gewerbe- und Industriebauten sowie Energie-, Breitband- und Verkehrsinfrastruktur bleiben auf der Strecke. Wo Prozesse Jahre oder gar Jahrzehnte brauchen, reicht die angestrebte Halbierung der Verfahren nicht aus.

Ziel muss eine Verkürzung auf wenige Monate sein. Das kann durch Digitalisierung und Standardisierung, gerade auch im Naturschutz oder bei Typenzulassungen, sowie durch das Parallelisieren von Verfahrensschritten gelingen.

Um wirklich erfolgreich zu sein, sollte die Politik die Genehmigungsbedingungen für alle Wirtschaftsbereiche auf nationaler und auf EU-Ebene grundsätzlich überarbeiten. Bei Ersatz maroder Infrastrukturen sollten Kapazitätsreserven geschaffen werden. Der 1-zu-1-Neubau wird zu oft den aktuellen und erst recht den zukünftigen Anforderungen nicht gerecht.

Anpassungsfähigkeit im Wandel

Die Anpassungsfähigkeit der Wirtschaft an die großen Herausforderungen ist keine Selbstverständlichkeit, sondern fordert von beiden Seiten – Unternehmen und Belegschaften – Flexibilität und Veränderungsbereitschaft. Hierfür brauchen wir den richtigen Rahmen. Zugleich werden Wirtschaft, Arbeitswelt und Lebensentwürfe der Menschen heterogener.

One size fits all-Lösungen funktionieren nicht mehr. Das gilt zum Beispiel für die Gesetzgebung zur Arbeitszeit. Neue Regulierungen zur Arbeitszeiterfassung und zum mobilen Arbeiten wirken wie aus der Zeit gefallen. Gewünscht ist ein Mehr an Flexibilität und nicht an Kontrolle etwa durch gesetzliche Aufzeichnungspflichten. Die Politik sollte den Mut haben, die Flexibilisierung der Arbeitszeiten zu ermöglichen. Dafür sind die Umstellung von der Tages- auf eine Wochenhöchstarbeitszeit sowie die Modernisierung der Ruhezeitregelungen dringend nötig.

Wir brauchen eine Steuer- und Abgabenbremse, die mehr Netto vom Brutto lässt. Nicht zuletzt benötigen wir eine umfassende Sozialversicherungsreform – vor allem bei Rente und Gesundheit. Diese sollte von sachlichen Erwägungen getragen werden und den demografischen Veränderungen Rechnung tragen.

Fach- und Arbeitskräfte sichern und Berufsbildungsoffensive starten

Deutschland ist auf Fach- und Arbeitskräfte angewiesen. Zuallererst muss deshalb das inländische Erwerbspersonenpotential aktiviert werden – etwa durch eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben und eine stärkere Einbindung Älterer in die Erwerbstätigkeit. Darüber hinaus brauchen wir eine verbesserte arbeitsmarktgesteuerte Zuwanderung ausländischer Arbeits- und Fachkräfte.

Die von der Bundesregierung verabschiedeten Eckpunkte für die Fachkräfteeinwanderung aus Drittstaaten gehen hierbei in die richtige Richtung. Gleichzeitig müssen alle beteiligten Behörden ihre Arbeitsprozesse deutlich beschleunigen, digitalisieren und vereinfachen, damit die Neuregelungen in der Praxis erfolgreich sein können.

Die Berufliche Bildung bleibt zentral bei der Fachkräftesicherung. Zur Sicherung gleichwertiger Bildungswege gehören weitere Verbesserungen beim Aufstiegs-Bafög sowie eine frühzeitige Berufsorientierung, insbesondere an Gymnasien, sowie eine Ausweitung der beruflichen Begabtenförderung.

Die Exzellenzinitiative Berufliche Bildung der Bundesregierung ist ein erster wichtiger Schritt. Es bedarf aber einer umfassenderen Bildungswende, denn Ausbildungsplätze können zunehmend nicht besetzt werden und Lernrückstände bei Schulabsolventen nehmen zu."

 

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Text: / handwerksblatt.de

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