Recht, GesetzZDH-Abteilungsleiterin Organisation und Recht, Dr. Manja Schreiner, ZDH-Präsident Hans Peter Wollseifer, Staatssekretär Gerd Billen (BMJV) und ZDH-Generalsekretär Holger Schwannecke (v.l.n.r.).

ZDH-Abteilungsleiterin Organisation und Recht, Dr. Manja Schreiner, ZDH-Präsident Hans Peter Wollseifer, Staatssekretär Gerd Billen (BMJV) und ZDH-Generalsekretär Holger Schwannecke (v.l.n.r.). (Foto: © ZDH)

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Gute Gesetze sind Kunsthandwerk

Betriebsführung

Die Flut von Gesetzen zu überschauen, gelingt manchmal nicht mal mehrJuristen, wie soll ein Handwerker sich da noch auskennen? Das Handwerk wünscht sich eine schlankere Rechtsordnung.

Gesetze scheinen immer detaillierter, komplexer und unübersichtlicher zu werden. "Ein Handwerker, der sich heute selbstständig macht, sieht sich einer regelrechten Flut an Vorschriften und Regeln ausgesetzt. Ein Bäcker- und Konditormeister beispielsweise muss Arbeitsschutz- und Hygienebestimmungen zur Einrichtung der Backstube, allergenische Lebensmittelkennzeichnungen der Torten oder die zahlreichen Normen des Sozial- und Steuerrechts zur korrekten Berechnung von Sozialbeiträgen und Steuerabführung beachten. Allein die Kenntnis all dieser Vorschriften ist selbst für Juristen kaum noch möglich!" stellte ZDH-Präsident Hans Peter Wollseifer in seiner Begrüßungsrede zum Rechtspolitischen Podium am 25. Januar fest.

Daher war das Veranstaltungs-Motto: "Brauchen wir eine neue Qualität Recht? – Anspruch und Wirklichkeit der Gesetzgebung". Die rund 150 Teilnehmer wurden vor Beginn nach ihrer Meinung gefragt, was sie sich von einer guten Rechtssetzung wünschen: Die Mehrheit wollte vor allem eine bürokratiearme Umsetzung. Viele fanden auch, dass Gesetze sprachlich leicht verständlich sein müssen.

4400 Gesetze mit 85.000 Paragrafen

Gerd Billen, Staatssekretär im Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz, stellte in seinem Impulsvortrag das "Arbeitsprogramm bessere Rechtssetzung" seines Ministeriums vor. "Dort stellt man sich immer die Frage: Muss ein Gesetz sein oder gibt es andere Wege? Denn derzeit gibt es bereits 4400 Bundesgesetze und Verordnungen mit über 85.000 Paragrafen." Schlechte Beispiele seien etwa das Steuerrecht, das Sozialrecht und die EU-Rechtssetzung. Man müsse sich in Brüssel mehr auf Grundsätze verständigen als auf konkrete Regelungen, forderte er. Die Auswirkungen der Normen auf die Wirtschaft müssten im Vorfeld viel besser mit einbezogen werden.

Das Widerrufsrecht als Beispiel für ein richtig schlechtes Gesetz

Im folgenden Podiumsgespräch wünschte sich auch ZDH-Generalsekretär Holger Schwannecke, dass die Wirklichkeit der kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) im Gesetz besser abgebildet wird. Den KMU-Test, mit dem alle Gesetze seit letztem Jahr auf ihre Wirtschaftsfreundlichkeit untersucht werden, hat der ZDH mitentwickelt. Gerade das Verbrauchervertragsrecht sei aber ein Beispiel dafür, wie die EU auf deutsches Recht Einfluss nehme. Es sei dann auch nicht immer leicht, diese Regelungen den Betrieben verständlich darzustellen.

Der Präsident des Deutschen Anwaltvereins, Ulrich Schellenberg, erklärte: "Gesetze zu schreiben ist echtes Kunsthandwerk. Auch als erfahrener Anwalt stehe ich oft fassungslos davor, wie schlecht manches Gesetz gemacht ist." Das Widerrufsrecht bei Dienstleistungen sei so ein Beispiel. "Das verstehe niemand: Der Kunde nicht, der Handwerker nicht und der Anwalt auch nicht. Dann arrangieren sich alle eben auf der praktischen Ebene, nach gesundem Menschenverstand", beschreibt Schellenberg die Lösung im Alltag.

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In der anschließenden Podiumsdiskussion befragte Moderatorin Tanja Samrotzki die Rechtspolitischen Sprecher der Bundestagsfraktionen, wie man die Komplexität von Gesetzen verringern könnte. Katja Keul (Bündnis 90/ Die Grünen) beschrieb die besondere Schwierigkeit mit dem hohen Zeitdruck im Gesetzgebungsverfahren: "Da kommt manchmal mitten in der Ausschussberatung eines Gesetzes ein neuer Entwurf mit 300 Seiten warm aus dem Drucker", erklärte sie die Belastung der Parlamentarier. Dr. Johannes Fechner (SPD) verlangte: "Erwachsene sollten ihr normales Geschäftsleben ohne den Gang zum Rechtsanwalt bewältigen können." Die EU solle nicht alles bis ins Detail regeln.

Auch Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU/CSU) forderte mehr Abbau von Bürokratie und nannte ein abschreckendes Beispiel: "Das Familienministerium regelt in einem aktuellen Gesetzentwurf jetzt den Begriff der Frau. Das ist katastrophal, auf diese Ebene dürfen wir uns nicht bewegen!"

Verbände als Wachhund der Gesetzgebung

Im folgenden Podiumsgespräch bedauerte Dr. Johannes Ludewig, Vorsitzender des Nationalen Normenkontrollrats, dass es auf EU-Ebene keinen KMU-Test gibt: "Diejenigen, die entscheiden, sollten wissen, was sie entscheiden und welche Folgen das hat! In Brüssel guckt sich keiner die Regelungen nach diesem Konzept an. Über eine Folgenabschätzung hat sich dort noch nie jemand Gedanken gemacht." 

Die Funktion der deutschen Wirtschaftsverbände betonte Dr. Günter Krings, Parlamentarischer Staatssekretär des Inneren und Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Gesetzgebung: "Sie sind wie ein Wachhund: Sie sollen die Kosten für die Wirtschaft abschätzen. Sie kleben sozusagen ein Preisschild auf das Gesetz. Anschließend vergleicht der Normenkontrollrat, ob die Schätzung des Ministeriums realistisch war."  Normenkontrollrats-Vorsitzender Ludewig nutzte die Gelegenheit für einen Tadel: "Wir sind häufiger als uns lieb ist, enttäuscht von dem Material der Verbände. Die wissen es oft auch nicht." Trotzdem lobte er das deutsche System. Es sei eindeutig besser als das Brüsseler: Dort bekämen die Betroffenen einen Gesetzentwurf vor der Veröffentlichung nie zu sehen.

Text: / handwerksblatt.de

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