Julian Stechert (links im Bild) und Niklas Spichalsky (rechts im Bild) stehen lächelnd in ihrem Geschäft MySecondEar in Berlin-Schöneberg. Die Gründer des Start-ups halten jeweils ein Hörgerät in ihrer Hand. Sie bieten die Fernanpassung von Hörgeräten mit dem Smartphone über eine App an.

Vor rund zwei Jahren haben Julian Stechert (l.) und Niklas Spichalsky in Berlin das Start-up MySecondEar gegründet. Mit der Fernanpassung der Hörgeräte über Smartphone und App sprechen sie vor allem eine jüngere, digital-affine Kundschaft an. (Foto: © MySecondEar)

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Hörgeräte aus der Ferne über Bluetooth, Smartphone und App einstellen

Julian Stechert und Niklas Spichalsky wollen traditionelles Gesundheitshandwerk mit digitalen Technologien verbinden. Ihr Start-up MySecondEar bietet die Fernanpassung von Hörgeräten an. Die Präsenz vor Ort halten sie jedoch für unverzichtbar.

Zwischen Kopenhagen und Braunschweig liegen rund 500 Kilometer. Mal eben beim Hörakustiker des Vertrauens vorbeizuschauen, um das Hörgerät neu einstellen zu lassen, fiel für Niklas Spichalsky damit während seines Studiums in Dänemark flach. Die Suche nach einem neuen Modell verlief für ihn ebenso enttäuschend.

Diese Erfahrung teilte er mit Julian Stechert. "Als mein Vater ein Hörgerät brauchte, ist mir aufgefallen, wie intransparent der Markt und die Preise sind." Für die beiden Freunde war dies der Startschuss. Vor rund zwei Jahren haben sie die MySecondEar Audiology Group GmbH gegründet. "Die Hörgeräte werden immer smarter, aber der Markt ist immer noch sehr traditionell unterwegs. Das wollen wir mit unserem Start-up ändern", hat sich Julian Stechert vorgenommen.  

Hörakustikermeister benötigt

Julian Stechert ist Wirtschaftsingenieur. Niklas Spichalsky hat Betriebswirtschaftslehre studiert. Keine optimalen Bedingungen, um sich in einem meisterpflichtigen Handwerk selbstständig zu machen. Also haben sie sich im Bekanntenkreis umgehört. Bei ihrer Suche nach einem passenden Teammitglied waren sie erfolgreich. "Mit unserem Hörakustikermeister haben wir jemanden gefunden, der unser Geschäftsmodell spannend findet." 

Das Hörakustik-Geschäft von MySecondEar liegt im Berliner Stadtteil Schöneberg. Demnächst sollen weitere Standorte in Düsseldorf und im Raum München dazukommen. Foto: © MySecondEarDas Hörakustik-Geschäft von MySecondEar liegt im Berliner Stadtteil Schöneberg. Demnächst sollen weitere Standorte in Düsseldorf und im Raum München dazukommen. Foto: © MySecondEar

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Das Geschäft von MySecondEar befindet sich im Berliner Stadtteil Schöneberg. Eine feste Anlaufstelle vor Ort zu haben, ist vor allem für gesetzlich Versicherte relevant. Die Krankenkassen beteiligen sich in der Regel nur an den Kosten, wenn die Patienten bei der Anschaffung eines Hörgeräts von einem Hals-Nasen-Ohren-Arzt oder Hörakustiker beraten werden.

"Unsere Akustiker und Hörberater gehen im direkten Gespräch auf die Bedürfnisse und Ansprüche der Kunden ein, unterstützen sie bei der Wahl des richtigen Geräts und machen die erste Anpassung in der Regel im Geschäft", sagt Julian Stechert. Die Fernanpassungen läuft über eine App, die für Android und iOS verfügbar ist.   

Anpassung unter realen Bedingungen

"Seitdem die führenden Hörgerätehersteller die digitale Fernanpassung per App ermöglichen, haben wir mit ihnen diese Richtung eingeschlagen und bieten unseren Kunden diesen Service an", erklärt der MySecondEar-Geschäftsführer. Statt im Geschäft vor dem Laptop sitzen sie dann im Wohnzimmer oder im Büro. Die Geräte können damit unter realen Bedingungen beim Fernsehen oder selbst während eines Meetings angepasst werden.

Dazu koppeln sich die Hörgeräte via Bluetooth mit dem Smartphone, Tablet oder Laptop. Über die darauf installierte App können die Hörakustiker nun direkt online auf die Hörgeräte zugreifen und mittels eines Videoanrufs live einstellen.  

Online-Strategie für Hörgeräteverkauf

Doch nicht nur bei der Fernanpassung liegt der Fokus auf der Digitalisierung. Die Zielgruppe von MySecondEar sucht in erster Linie online nach einem Hörakustiker und sollte möglichst direkt auf sie stoßen. Um in den Ergebnissen der Suchmaschinen möglichst weit vorne zu stehen, investieren die beiden Gründer deshalb in die Suchmaschinenoptimierung, schalten Ads bei Google, pflegen ihr MyBusiness-Profil und sind in den soziale Medien auf Facebook, Instagram, Twitter und YouTube vertreten. "Unsere Kunden sind jünger und digital affiner als die anderer Hörakustiker. Also müssen wir dort präsent sein, wo sie sich aufhalten", erklärt Julian Stechert.

Kunde aus Australien

MySecondEar wirbt damit, dass sich Hörgeräte von jedem denkbaren Ort aus anpassen lassen – "egal ob Sie sich aktuell in Berlin, New York oder einer Raumstation befinden". Aus dem All hat sie noch niemand kontaktiert. Einmal rund um den Globus sind sie immerhin schon gekommen. Für einen Kunden, der in Australien lebt, haben die Hörakustiker des Start-ups die Geräte vorab eingestellt, nach Down Under verschickt und schrittweise eingestellt. "Aufgrund der Zeitverschiebung konnten wir das leider nicht gemeinsam machen, aber wir haben es mit dem wiederholten Feedback des Kunden geschafft." Die meisten Kunden seien schon nach der zweiten oder dritten Fernanpassung zufrieden. Bei Erstnutzern dauere der Prozess mitunter länger. 

MySecondEar expandiert

Berlin ist den Gründern und Geschäftsführern von MySecondEar bereits zu klein geworden. In diesem und im nächsten Jahr wollen sie weitere Fachgeschäfte außerhalb der Bundeshauptstadt eröffnen. Bei ihrer Suche konzentrieren sie sich auf die Ballungszentren. "Viele Kunden kommen aus dem Ruhrgebiet zu uns nach Berlin. Deshalb haben wir uns für Düsseldorf als neuen Standort entschieden", kündigt Julian Stechert an. In der nordrhein-westfälischen Landeshauptstadt seien bereits zwei, drei Geschäfte in der näheren Auswahl, "aber noch ist nichts spruchreif". Neben der Rheinmetropole zieht es MySecondEar mit einer Filiale auch in Richtung München.

Vor-Ort-Service ist unverzichtbar 

Julian Stechert beobachtet, dass andere Anbieter die Hörgeräte komplett online verkaufen und anpassen. Dies sei bei privat Versicherten möglich, würde aber die gesetzlich versicherten Kunden ausschließen. Deshalb wollen sie unbedingt an der Kombination aus Service vor Ort und digitaler Fernanpassung festhalten. "Nur so kann man langfristig erfolgreich sein", ist der MySecondEar-Gründer überzeugt. 

Text: / handwerksblatt.de

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