In der Freizeit hat das Handy Pause – auch für den Chef.

Nach Feierabend haben Handy und Laptop Pause – auch für den Chef. (Foto: © ocusfocus/123RF.com)

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In der Freizeit müssen Arbeitnehmer nicht für den Chef erreichbar sein

Betriebsführung

Beschäftigte müssen außerhalb der Arbeitszeiten nicht die SMS-Nachrichten ihrer Vorgesetzten lesen. Das hat das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein entschieden.

Wenn der Chef nach Feierabend per SMS oder E-Mail über Dienstplanänderungen informiert, darf er nicht damit rechnen, dass der Arbeitnehmer die Nachricht liest, urteilte das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein (LAG) in einem jetzt veröffentlichten Urteil vom September 2022. Die Mitarbeiter hätten in ihrer Freizeit ein Recht auf Unerreichbarkeit.

Der Fall

Ein Notfallsanitäter erhielt kurzfristige Dienstplanänderungen von seinem Arbeitgeber. Er war aber in zwei Fällen telefonisch und per SMS und in einem Fall auch per E-Mail nicht zu erreichen. Der Mann meldete sich jeweils wie ursprünglich geplant zu seinen Diensten. Der Arbeitgeber wertete das Verhalten als unentschuldigtes Fehlen und erteilte ihm zunächst eine Ermahnung und dann eine Abmahnung. Der Notfallsanitäter dagegen zog vor Gericht. Er verlangte die Nachzahlung des vorenthaltenen Lohns und die Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte. 

Das Urteil

In der Berufung entschied das Landesarbeitsgericht (LAG) zugunsten des Arbeitnehmers. Der Chef habe damit rechnen müssen, dass der Notfallsanitäter die SMS erst mit Beginn seines Dienstes zur Kenntnis nehmen würde, erklärten die Richter. Erst zu diesem Zeitpunkt sei der Sanitäter verpflichtet, seiner Arbeit nachzugehen und dazu gehöre auch, die dienstlichen Nachrichten des Arbeitgebers zu lesen. "In seiner Freizeit steht dem Kläger dieses Recht auf Unerreichbarkeit zu. (...) Arbeit wird nicht deswegen zur Freizeit, weil sie nur in zeitlich ganz geringfügigem Umfang anfällt", so das Urteil wörtlich.

Schutz der Gesundheit und des Persönlichkeitsrechts

Das Verhalten des Arbeitnehmers sei auch nicht treuwidrig gewesen, urteilte das Gericht. Das Recht auf Nichterreichbarkeit diene neben dem Gesundheitsschutz des Arbeitnehmers auch dem Persönlichkeitsschutz. "Es gehört zu den vornehmsten Persönlichkeitsrechten, dass ein Mensch selbst entscheidet, für wen er/sie in dieser Zeit erreichbar sein will oder nicht", hieß es vom Landesarbeitsgericht.

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Zwar übe ein Arbeitgeber mit einer Änderung des Dienstplans sein Direktionsrecht zulässig aus, die Änderung müsse dem Mitarbeiter aber auch zugehen. Daran fehle es, wenn der Mitarbeiter lediglich in seiner Freizeit über eine Änderung des Dienstplans informiert werde, so das LAG. Nehme er eine Änderung des Dienstplans nicht zur Kenntnis, gehe ihm diese formal daher erst bei Dienstbeginn zu. Da der Notfallsanitäter seine Arbeitsleistung ohne Erfolg angeboten hatte, sei der Arbeitgeber zur Lohnfortzahlung verpflichtet. Die Abmahnung müsse aus der Personalakte entfernt werden.

Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein, Urteil vom 27. September 2022, Az.1 Sa 39 öD/22 

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Text: / handwerksblatt.de

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