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Überstunden entstehen, wenn Beschäftigte über die individuell vereinbarte Arbeitszeit hinaus arbeiten.

Überstunden entstehen, wenn Beschäftigte über die individuell vereinbarte Arbeitszeit hinaus arbeiten. (Foto: © pixelery/123RF.com)

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Überstunden: Was Chefs wissen müssen

Überstunden sind für viele Alltag – doch wann sind sie erlaubt, wie müssen sie vergütet werden und was gilt rechtlich? Ein Experte gibt Antworten.

Das Arbeitszeitvolumen in Deutschland befindet sich auf einem Allzeithoch und es wurden noch nie so viele Arbeitsstunden pro Jahr geleistet. Arbeitnehmende in Deutschland absolvieren dazu viele Überstunden. Deutlich mehr als die Hälfte davon sogar ohne Vergütung. Dies geht aus einer aktuellen Studie des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) hervor.

  •  44 Prozent der Beschäftigten machen regelmäßig Überstunden. 
  • 20 Prozent arbeiten jede Woche zwischen einer und fünf Stunden länger, als es ihr Arbeitsvertrag vorsieht. 
  • 24 Prozent gehen sogar noch darüber hinaus – sie leisten mehr als fünf zusätzliche Stunden pro Woche. 

Die Ergebnisse zeigen: Überstunden sind keine Ausnahme, sondern für viele Beschäftigte Alltag.

Doch was bedeutet das eigentlich aus rechtlicher Sicht? Unter welchen Umständen darf der Arbeitgeber überhaupt Überstunden verlangen? Und müssen diese tatsächlich bezahlt werden? Volker Görzel auf, Fachanwalt für Arbeitsrecht, erklärt die Rechtslage.

Überstunden oder Mehrarbeit – was ist der Unterschied?

 Die Begriffe klingen ähnlich, sind aber nicht gleich: Überstunden und Mehrarbeit werden häufig verwechselt – aus arbeitsrechtlicher Sicht gibt es jedoch klare Unterschiede.

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  • Überstunden entstehen, wenn Beschäftigte länger arbeiten, als es in ihrem Arbeitsvertrag, in einem Tarifvertrag oder einer Betriebsvereinbarung festgelegt ist. Wer also über die individuell vereinbarte Arbeitszeit hinaus arbeitet, leistet Überstunden. 

  • Mehrarbeit bedeutet, dass die gesetzliche Höchstarbeitszeit überschritten wird. Nach dem Arbeitszeitgesetz gilt: Maximal acht Stunden pro Werktag sind erlaubt – mehr ist nur in Ausnahmefällen zulässig, etwa durch besondere tarifliche Regelungen.

Darf der Arbeitgeber einfach Überstunden anordnen?

Klare Antwort: Nein! Viele Beschäftigte glauben, der Arbeitgeber könne Überstunden einfach anordnen – das ist aber falsch.

Zwar hat der Arbeitgeber das sogenannte Weisungsrecht, mit dem er die Arbeit im Detail organisieren kann. Dieses Recht berechtigt ihn jedoch nicht, Beschäftigte ohne weiteres zu zusätzlicher Arbeit zu verpflichten. Ohne eine ausdrückliche Regelung im Arbeitsvertrag sind Arbeitnehmer also nicht verpflichtet, Überstunden zu leisten. Das Weisungsrecht darf nicht dazu verwendet werden, einfach mehr Arbeit zu verlangen, als ursprünglich vereinbart wurde.

Was bedeutet das konkret?

Es ist eine gemeinsame Absprache notwendig – entweder mündlich oder schriftlich. Arbeitgeber und Arbeitnehmer müssen sich darüber einig sein, dass Überstunden geleistet werden. Ohne Zustimmung besteht keine Pflicht, länger zu arbeiten! 

Überstunden vereinbaren: So geht es richtig

Manchmal ist es notwendig, schnell zu handeln. In solchen Fällen kann der Arbeitgeber direkt mit dem Beschäftigten sprechen – und dieser erklärt sich bereit, länger zu bleiben. Schon eine mündliche Absprache reicht aus. Auch eine stillschweigende Übereinkunft kann genügen.

Noch transparenter und sicherer ist es, wenn Überstunden im Arbeitsvertrag geregelt sind. Dort kann beispielsweise festgelegt werden, dass der Arbeitgeber Überstunden anordnen darf. Wichtig: Damit eine solche Klausel wirksam ist, muss sie klar angeben, wie viele Überstunden maximal verlangt werden dürfen. Nur so weiß der Beschäftigte, was auf ihn zukommt – und kann sich entsprechend darauf einstellen.

Tarifvertrag, Betriebsrat, Notfall: Wann Überstunden doch erlaubt sind

Wenn es eine Betriebsvereinbarung zu Überstunden gibt, regelt diese, wann und in welchem Umfang der Arbeitgeber Überstunden verlangen darf – und wann nicht. Besonders wichtig: Der Betriebsrat hat beim Thema Überstunden ein Mitbestimmungsrecht. Laut § 87 Abs. 1 Nr. 3 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) darf der Betriebsrat bei der Regelung von Überstunden mitbestimmen. Das Gleiche gilt für Tarifverträge. Auch sie enthalten meist klare Vorgaben, wie viele Überstunden erlaubt sind und in welchen Fällen sie angeordnet werden dürfen.

Nur in seltenen Ausnahmefällen darf der Arbeitgeber einseitig Überstunden anordnen. Das ist zum Beispiel bei echten Not- oder Katastrophenfällen möglich – etwa bei einer Naturkatastrophe. In solchen Fällen ergibt sich aus der sogenannten Treuepflicht der Beschäftigten, dass sie auch ohne vorherige Absprache verpflichtet sein können, länger zu arbeiten. Aber: Solche Situationen sind absolute Ausnahmen und müssen wirklich schwerwiegend und unvorhersehbar sein.

Überstunden auszahlen 

Grundsätzlich gilt: Überstunden müssen bezahlt werden – es sei denn, es wurde etwas anderes klar und wirksam vereinbart. Das bedeutet: In vielen Fällen erhalten Beschäftigte für ihre zusätzliche Arbeit das reguläre Gehalt sowie eine Überstundenvergütung. Alternativ kann auch ein Freizeitausgleich vereinbart werden. 

Vorsicht: Pauschale Klauseln im Arbeitsvertrag, die besagen, dass alle Überstunden mit dem Gehalt abgegolten sind, können unwirksam sein. Nur in Ausnahmefällen – etwa bei leitenden Angestellten mit sehr hohem Gehalt – ist das zulässig. 

Wichtig ist außerdem: Eine solche Klausel muss ganz genau angeben
wie viele Überstunden davon betroffen sind
• und in welcher Höhe sie abgegolten sein sollen.

Fehlt diese Klarheit? Dann ist die Klausel unwirksam – und der Arbeitgeber muss die Überstunden vergüten.

Überstunden abbauen

Was passiert mit den angesammelten Überstunden? Und wer bestimmt, wann sie abgebaut werden? Gibt es keine Regelung im Arbeitsvertrag, Tarifvertrag oder in einer Betriebsvereinbarung, darf der Arbeitgeber selbst entscheiden, wann Überstunden abgebaut werden. Er kann hierbei sein Weisungsrecht nutzen – zum Beispiel, um in Zeiten mit weniger Aufträgen den Abbau von Überstunden anzuordnen. 

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Text: / handwerksblatt.de

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