Innovatives Handwerk

Stephan Sehliger (links) ist Geschäftsführer der B+S Engineering GmbH und Erfinder des Peco-Systems. Hans-Dieter Weniger, Beauftragter für Innovation und Techno­logie (BIT) bei der HWK Münster, begleitet den Unternehmer schon seit vielen Jahren. (Foto: © Kirsten Freund / DHB)

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Innovatives Handwerk: Fördermittel und Beratung

Betriebsführung

Flache Hierarchien, Ideenreichtum und Flexibilität sind Triebfedern für die Innovationskraft im Handwerk. Tipps zu Fördermitteln, Wettbewerben und Ansprechpartnern und ein Beispiel, wie die Kooperation von Handwerk und Hochschule gelingen kann.

Die B+S Engineering GmbH aus Rheine  ist ein Paradebeispiel für hochinnovatives Handwerk. Und für die gelungene Zusammenarbeit von Handwerk und Hochschulen. Das Unternehmen fertigt seit 1978 Formen und Maschinen für Rohre und Schächte aus Beton. Seit den 90er Jahren hat sich der Handwerksbetrieb auf Anlagen für Schachtunterteile aus Beton spezialisiert. Die kommen in Abwasserkanälen zum Einsatz – immerhin rund 540.700 Kilometer davon gibt es in Deutschland.

In der Vergangenheit wurden die Gerinneprofile für die Abwasserkanäle überwiegend von Hand einbetoniert, was nicht nur sehr aufwendig und arbeitsintensiv ist, sondern auch fehleranfällig. "Inzwischen werden die Schachtunterteile inklusive Gerinne immer mehr aus einem Guss gebaut. Als Monolith sind sie auch länger haltbar", erzählt Geschäftsführer Stephan Sehliger.

Der Wirtschaftsingenieur und Maschinenbauingenieur hat das Unternehmen vor knapp 20 Jahren von seinem Vater übernommen. Seitdem treibt er das internationale Geschäft, aber auch die Entwicklung und Digitalisierung im Betrieb voran.

Die Erfindung von Stephan Sehliger ist komplex: Mit dem von dem Handwerksbetrieb entwickelten Robotersystem "Peco" wird das Negativ für das Schachtunterteil vollautomatisch gefertigt. Und ein wiederverwertbarer Werkstoff kommt dabei auch noch ins Spiel: Wachs. Das Forschungsprojekt, das der Betrieb mit der  TU Braunschweig umgesetzt hat, wurde vom Bund finanziell gefördert. 

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Drei Jahre Forschung und Entwicklung

Nach drei Jahren intensiver Forschungs- und Entwicklungsarbeit ist er nun im Einsatz, der Peco-Roboter, mit dem die Formkörper gefräst werden. Und zwar Unikate, die über einen Schachtkonfigurator am PC entstehen. Als Miniatur steht der Fräsroboter im Besprechungsraum, als Prototyp in der großen Werkshalle des Unternehmens. Hier sieht man auch die Negativformen. Eine Grundform aus Stahl und ein Aufsatzteil aus Styropor oder eben aus Wachs.

"Ich habe von Anfang an über einen wiederverwertbaren Rohstoff für die negative Form nachgedacht", erzählt Sehliger. "Wir haben schon früh mit Wachs experimentiert. Wir haben es eingeschmolzen und in der Form aushärten lassen. Das erwies sich zunächst aber als zu energieaufwendig." So kam Styropor ins Spiel. "Ich habe aber nie vergessen, dass Wachs ein hochinteressanter, weil wiederverwertbarer Werkstoff ist."

Wachs als innovativer Werkstoff

Beim Besuch einer Kerzenfabrik kam die zündende Idee: "Wir müssten eine Presse haben, um das Wachs zu einem Rohling zu pressen." Der Paraffinhersteller stellte den Kontakt zur Technischen Universität (TU) Braunschweig her. Wie es der Zufall will, war dort ein Team von Wissenschaftlern zur gleichen Zeit am Werkstoff Wachs interessiert – für eine Schalung im Hochbau. "Weil wir nach einem Material für eine Schalung im Tiefbau suchten, gab es viele Schnittmengen und die Kooperation mit der Hochschule kam schnell zustande", erzählt Sehliger.

Drei Jahre lang dauerte das Projekt mit der Hochschule. Ein Doktorand und mehrere studentische Hilfskräfte forschten auf Seiten der TU an dem passenden Paraffin. Das darüber entwickelte Material, also das Wachs, wird nach seinem Einsatz wieder geschreddert und kann dann erneut gepresst und als Rohling für eine Negativform verwendet werden. Ein wiederverwertbarer Werkstoff ist derzeit in der Betonfertigteilbranche einmalig. 

Das Handwerksunternehmen konzentrierte sich unterdessen auf den konstruktiven Teil der Entwicklung, also den Fräsroboter und die Software. Rund 325.000 Euro fielen als Kosten für die Entwicklung des Peco-Systems inklusive einer Software mit 3D-Konfigurator für die B+S Engineering GmbH an und etwa 150.000 Euro bei der Universität.

Über das Förderprogramm "ZIM KOOP" des Bundes wurden 50 Prozent der Personalkosten erstattet. So konnte der Handwerksbetrieb ein derart kostenintensives Projekt auch finanziell bewältigen. 

Informationen: 
BIT - Die Ansprechpartner für ideenreiche Handwerker

Seit Jahren an der Seite der B+S Engineering GmbH steht Hans-Dieter Weniger von der Handwerkskammer Münster. Er ist Beauftragter für Innovation und Technologie (BIT) bei der Handwerkskammer.

Die BIT gibt es bei nahezu jeder Handwerkskammer und bei vielen Fachverbänden, oft sind es sogar mehrere Berater. Sie helfen innovativen Handwerksbetrieben bei der Suche nach Förderprogrammen, sie vermitteln Kontakte zu Hochschulen oder helfen bei der Vermarktung der Innovationen.

"Ohne die Förderprogramme von Bund und Ländern wäre es für viele Betriebe schwierig, solche Projekte finanziell zu stemmen", berichtet Weniger. "Je höher das technische Risiko, desto größer ist die Chance, dass der Förderantrag bewilligt wird."

Die Antragsstellung selbst übernimmt bei Kooperationsprojekten in der Regel die Hochschule. Bei eigenen Anträgen stehen die BIT den Betrieben zur Seite. 

Foto: © Seiferiz PreisFoto: © Seiferiz Preis

Viele dieser Kooperationen von Handwerksbetrieb und Hochschule schaffen es dann auch auf das Siegertreppchen beim Seifriz-Preis für Technologietransfer im Handwerk. Auch das Kooperationsprojekt von Stephan Sehliger und der TU Braunschweig ist unter den Bewerbern für die Wettbewerbsrunde 2020. 

Die BIT - Beauftragte für Innovation und Technologie Bei den Handwerkskammern und bei vielen Fachverbänden gibt es die Beauftragten für Innovation und Technologie, kurz BIT, als ­Ansprechpartner für innovative Betriebe. Die Arbeit der BIT wird vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) finanziell unterstützt.

 - Die BIT informieren unter anderem über neue Technologien und wie man sie einsetzt. Außerdem begleiten sie die Betriebe von der Idee bis hin zur Vermarktung ihrer Produkte und Dienstleistungen. 
- Die BIT unterstützen die Betriebe bei der Suche nach Förderprogrammen von Bund und Ländern und helfen bei der Antragstellung. Sie stellen Kontakte zu Hochschulen her, begleiten den Betrieb bei Bedarf während der Umsetzungsphase und moderieren auf Wunsch den Kontakt zur Hochschule. 
 - Die BIT helfen außerdem bei der Bewerbung um Preise wie ­beispielsweise den Seifriz-Preis, den Innovationspreis "Fügen im Handwerk".
- Zudem organisieren sie Veranstaltungen zu neuen Technologien und zeigen auf, wie diese im Betrieb eingesetzt werden können. 
- Zusätzlich gibt es die Digitalisierungs-BIT, die Digi-Bits. Die Spezialisten helfen dabei, Digitalisierungsprozesse in Handwerksunternehmen anzustoßen und begleiten diese. Die BIT und die ­Digi-Bits werden durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) und durch die Länder gefördert.

Starkes Interesse im Markt

Den recycelbaren Formwerkstoff aus Paraffin hat Stephan Seliger übrigens "Pecolit" genannt. In Anlehnung an seinen Peco-Roboter. "Das ist ein Fantasiename, der überall auf der Welt ausgesprochen werden kann", meint Sehliger. "Unsere Exportquote liegt heute bei über 80 Prozent."

Auch das neue Peco-System, inzwischen bei zehn Betonbauern im Einsatz, einmal davon mit dem neuen Werkstoff Wachs, soll den weltweiten Markt erobern. 
 "Der Markt interessiert sich stark für unsere Innovation", erzählt der Unternehmer.

Gleichzeitig haben Sehliger und sein Team noch viele weitere Ideen in der Schublade, denn das Potenzial der Neuentwicklung sei groß. Peco wird zunehmend für die Sonderteilproduktion von komplexen 3D-Formteilen eingesetzt. Gerade streben Sehliger und sein Team eine Kooperation mit der TU Leipzig an. "Wir befinden uns erst am Anfang. Die Zukunft wird spannend." 

Ein Überblick: Fördermittel des Bundes

Es gibt derart viele Angebote für die Förderung von ­Innovationsvorhaben im Mittelstand, dass oft vom Förder­dschungel die Rede ist. Doch durch diesen Dschungel muss sich niemand alleine schlagen. Die ­Berater bei den Handwerkskammern und Verbänden kennen sich aus im Dickicht der Förderlandschaft und ­helfen bei der Suche nach dem passenden Programm.

Egal, welches Förderprogramm von Bund oder Land interessant ist, eines haben nahezu alle gemeinsam: Der Antrag muss gestellt werden und bewilligt sein, bevor man loslegt.

Auf Förderdatenbanken können die Unter­nehmen vorab auf eigene Faust recherchieren. foerderinfo.bund.de/kmu oder foerderdatenbank.de

ZIM: Zentrales Innovationsprogramm Mittelstand:

Das Zentrale Innovationsprogramm Mittelstand, kurz ZIM, ist das wichtigste Förderprogramm des Bundes für innovative Handwerker. Anfang des Jahres ist die neue ZIM-Richtlinie in Kraft getreten, mit der das ­Bundeswirtwirtschaftsministerium noch bessere und passgenauere Bedingungen sowie höhere Fördersätze für kleine und mittlere Unternehmen verspricht.

Für ZIM-Einzelprojekte werden die zuwendungsfähigen Kosten auf 550.000 Euro erhöht. Bei ZIM-Kooperationsprojekten auf 450.000 Euro pro Unternehmen und auf 220.000 Euro pro Forschungseinrichtung. 

Erhöhte Fördersätze gibt es für kleine Unternehmen aus strukturschwachen Regionen. Da der Antrag aufwendig ist, übernehmen das bei Kooperationsprojekten oft die Hochschulen. Bei Einzelprojekten sollte man sich vor Antragstellung an die Beauftragten für Technologie und Innovation (BIT) bei den Handwerkskammern oder Fachverbänden wenden.

Steuerliche Forschungsförderung:

Seit 1. Januar 2020 gibt es in Deutschland erstmals eine steuerliche ­Forschungsförderung, die sich ausdrücklich auch an kleine und mittlere Unternehmen richtet. Mit dem ­Corona-Konjunkturpaket hat die Bundesregierung die Bemessungsgrundlage vorübergehend von Juli 2020 bis Juni 2026 sogar auf vier Millionen Euro verdoppelt. Das bedeutet auch eine Verdopplung der maximalen Fördersumme auf eine Million Euro pro Unternehmen und Jahr (statt 500.000 Euro).

Die steuerliche Forschungsförderung ergänzt die direkten Förderprogramme, ­etwa das ZIM. Eine Doppelförderung ist demnach ausgeschlossen. Alle Arten von Forschungs- und Entwicklungsvorhaben sind förderfähig. Die Forschungszulage wird beim zuständigen Finanzamt beantragt (un­abhängig von der Steuererklärung).

Ob das Vor­haben ­förderfähig ist, prüft vorher eine externe Bescheinigungsstelle, die im August ihre Arbeit aufgenommen hat. Die Bescheinigung muss der Unternehmer dann unbedingt dem Antrag beim Finanzamt beilegen.

Die Förderung wird auf die Steuerschuld angerechnet. ­Eigenleistungen sind mit 40 Euro pro Stunde förder­fähig. Auftragsforschung ist beim Auftraggeber mit 60 Prozent des Auftragswertes förderfähig, soweit die Auftragnehmer in der EU beziehungsweise im EWR ­ansässig sind.

Wipano – Förderung von Schutzrechten:

Bevor eine Idee umgesetzt wird, sollte es immer eine Recherche zum Stand der Technik geben. Vielleicht gibt es die Technik oder ein vergleichbares Produkt ja längst. Die BIT bei Kammern und Fachver­bänden unterstützen Hand­werker dabei. ­Eine aufwendige Recherche kann sich der Handwerker über das Programm "Wipano" fördern lassen.

Das steht für "Wissens- und Technologietransfer durch Patente und Normen". Das Wirtschaftsministerium unterstützt Unternehmen über "Wipano" dann auch bei der Anmeldung eines Patentes oder ­eines Gebrauchsmusters. ­KMU können mit einem ­Zuschuss von 50 Prozent der Kosten rechnen.

Weitere bundesweite Förderprogramme

Weitere interessante Förderprogramme sind zum ­Beispiel go-digital für die Digitalisierung im Betrieb oder die BMWi-Innovationsgutscheine go-Inno. ­

Relativ neu ist das Förderprogramm Handwerk 4.0: digital und innovativ des Bundesbildungs- und -forschungsministeriums. Ziel ist es, die Entwicklung maßgeschneiderter, innovativer und digitaler Technologien im Handwerk voranzutreiben.

Ab dem 7. September 2020 startet ­DigitalJetzt - Investitionsförderung für KMU des Bundeswirtschaftsministeriums. Das Programm bietet Zuschüsse für digitale Projekte und die Qualifizierung von Mitarbeitern.

Zinsgünstige Förderkredite für Innovationen und ­Digitalisierung gibt es über die KfW, die Förderbank des Bundes und die Förderbanken der Länder. Bei den Ländern gibt es teilweise auch Zuschuss-Programme

Marketing und Wettbewerbe für das Handwerk

Mit der Teilnahme an Wettbewerben und auf Messen können Produkt- und Verfahrensinnovationen einer breiten Öffentlichkeit bekannt gemacht werden. Nicht nur die Preisgelder sind interessant – das Medieninteresse an solchen Wett­bewerben ist groß. Kostenloses Marketing gibt es quasi on top.

Seifriz-Preis:

Handwerker, die gemeinsam mit einem Partner aus der Wissenschaft eine Innovation entwickelt haben, können sich alle zwei Jahre für den Seifriz-Preis bewerben. Der bundesweite Transferpreis des Handwerks wird seit mehr als 30 Jahren für erfolg­reiche Kooperationen zwischen Handwerk und Wissenschaft verliehen. Nicht nur für die Preisträger, sondern auch für die nominierten Unternehmen ist der Wett­bewerb ein Gewinn. Der Preis ist mit 25.000 Euro ­dotiert. 

Fügen im Handwerk:

Der Innovationspreis "Fügen im Handwerk" wird alle zwei Jahre vom Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) und dem DVS – ­Deutscher Verband für Schweißen und verwandte Verfahren ausgeschrieben und ist mit 3.000 Euro dotiert. Inno­vative Betriebe werden vorgeschlagen. 

Deutscher Rohstoffeffizienz-Preis:

Mit dem Deutschen Rohstoffeffizienz-Preis zeichnet das Bundeswirtschaftsministerium besondere Beispiele rohstoff- und materialeffizienter Produkte, Prozesse oder Dienstleistungen sowie Forschungsergebnisse aus. 

"Innovation gewinnt":

Auf der Sonderschau "Innova­tion gewinnt" zur IHM stellen die "Daniel Düsentriebs" des Handwerks ihre Erfindungen vor. Viele Aussteller ­haben hier erstmals die Möglichkeit, ihre Innovationen bei einem breiten Publikum bekannt zu machen.  

Dazu kommen regionale und landesweite Wettbewerbe!

Text: / handwerksblatt.de

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