Nach der Gesellenprüfung ist für Friseure noch lange nicht Schluss
Friseurin bleibt Friseurin? Von wegen! Neben dem Meisterbrief können Gesellinnen und Gesellen unter vielen Fort- und Weiterbildungen wählen und sich spezialisieren. Robert Fuhs hat einige davon mitentwickelt.
Robert Fuhs ist genervt. Der Trend zur Akademisierung geht dem Friseurmeister aus Alfter (Nordrhein-Westfalen) gewaltig gegen den Strich: Abitur um jeden Preis. Wer es am Gymnasium nicht schafft, probiere es halt an der Gesamtschule. Ohne ein Studium sei man nur noch ein halber Mensch. "Natürlich brauchen wir auch Akademiker", gibt der Vizepräsident und Berufsbildungsexperte des Zentralverbandes des Deutschen Friseurhandwerks zu.
Aber nicht jeder, der ein Studium beginnen dürfe, sei auch fähig, es erfolgreich abzuschließen. Als Beweis führt er die hohe Zahl von Studienabbrechern an. Das Handwerk sieht Fuhs als Leidtragenden dieser Entwicklung. "Die meisten Jugendlichen, Eltern und Lehrkräfte wissen gar nicht, dass man sich als kreativer junger Mensch nach der Gesellenprüfung zum Spezialisten fortbilden oder mit dem Meisterbrief in der Tasche ein erfolgreicher Unternehmer werden kann."
Karriere im Friseurhandwerk
Robert Fuhs Foto: © Zentralverband des Deutschen Friseurhandwerks/Alois MüllerEinige dieser Fortbildungen und Weiterbildungen hat Robert Fuhs selbst mit entwickelt. Ein enger Kontakt besteht beispielsweise seit langem zur Handwerkskammer Düsseldorf. "Parallel zur Novelle der Ausbildungsordnung haben wir in den Jahren 2007 und 2008 die Fortbildung zum Geprüften Coloristen geschaffen."
Neben Partnern aus der Handwerksorganisation konnte der Friseurmeister oft auch Unternehmen aus der Beauty-Branche überzeugen. Wella und Goldwell Kao Deutschland waren beim Geprüften Coloristen mit dabei. Essanelle hat die Fortbildung zum Salonmanager bei der HWK Düsseldorf unterstützt. Goldwell Kao Deutschland stand beim Geprüften Salonservice-Manager der Handwerkskammer Wiesbaden als Pate aus der Industrie parat.
Bachelor-Studium "Beauty Management"
Selbst einen Bachelor für Friseure gibt es mittlerweile. Die erste Gruppe hat den Studiengang Business Administration – Beauty Management, an dem die Handwerkskammer Koblenz beteiligt war, im Spätsommer 2021 abgeschlossen.
Studium für Friseure Über den ersten Durchlauf des Studiengangs Business Administration – Beauty Management haben wir im Online-Beitrag "Sieben Friseure schließen Beauty-Bachelor ab" auf handwerksblatt.de berichtet.
Geprüfter OnAir-Stylist ab Mai
Im Mai 2022 steht die nächste Premiere an. Dann beginnt bei der HWK Düsseldorf die Fortbildung zum Geprüften OnAir-Stylisten. Kooperationspartner ist die ARD. "Dieses fassettenreiche Angebot zeigt: Junge Menschen können sich im Friseurhandwerk in alle Richtungen entfalten." In vielen Fällen müssten sie sich auch keine Sorgen um die Finanzierung machen, da Fortbildungen ab 400 Stunden über das Aufstiegs-BAföG gefördert werden.
Ohne Meister keine Selbstständigkeit
Die Fortbildung zum Meister genießt im Friseurhandwerk nach wie vor einen hohen Stellenwert. "Ohne Meister keine Selbstständigkeit", bringt es der Vorsitzende des Berufsbildungsausschusses beim Zentralverband des Deutschen Friseurhandwerks auf den Punkt. Zwar gebe es Ausnahmeregelungen, etwa für Altgesellen und Ausnahmebewilligungen, doch der Königsweg führe nach wie vor über die Teilnahme an den Teilen I bis IV und dem Ablegen der Meisterprüfung. Einige Abschlüsse im Handwerk mit einem Schwerpunkt in den Bereichen Arbeitspädagogik oder Betriebswirtschaft ließen sich auch auf die Meisterschule anrechnen. Teil III oder Teil IV müssten dann unter Umständen nicht mehr belegt werden.
Meister als Hochschulzugangsberechtigung
Selbst wer als Meister nach vermeintlich Höherem strebt, hat dazu die Gelegenheit. "Die wenigsten wissen, dass der Meisterbrief als fachgebundene oder allgemeine Hochschulzugangsberechtigung gilt. Damit könnten Handwerker auch ohne Abitur an einer Uni oder Fachhochschule studieren", erklärt Robert Fuhs.
Meister und Bachelor gleichwertige Abschlüsse
Mit einem Bachelor stelle man sich jedoch nicht unbedingt besser. Beide Abschlüsse – Meister und Bachelor – stehen auf derselben Niveaustufe des Deutschen Qualifikationsrahmens (DQR). Der Betriebswirt des Handwerks sei sogar dem Master-Abschluss gleichgestellt. "Wir müssen es in die Köpfe der Schülerinnen und Schüler sowie ihrer Eltern und Lehrer bringen, dass berufliche Abschlüsse wie der Meister oder Betriebswirt gleichwertig zu den akademischen Abschlüssen Bachelor und Master sind."
Moderne Ausbildung
Die Berichtsheft-App für Auszubildende zum Friseur oder zur Friseurin Foto: © Zentralverband des Deutschen FriseurhandwerksDoch nicht nur in der Fort- und Weiterbildung hat sich im Friseurhandwerk viel getan. Die Ausbildung richtet sich digitaler und stärker nach dem Medienverhalten der künftigen Azubis aus.
Berichtsheft-App für Azubis
Seit drei Jahren gebe es mit der "Berichtsheft-App" für angehende Friseurinnen und Friseure einen digitalen Ausbildungsnachweis. "Damit können sie jederzeit und überall mit ihrem Smartphone oder Tablet festhalten, was sie in der Ausbildung im Salon, in der Berufsschule oder während der überbetrieblichen Lehrlingsunterweisung gelernt haben", hebt Robert Fuhs die Vorteile der Berichtsheft-App hervor. Die Daten könnten nicht verloren gehen, da sie auf einem externen Server gespeichert seien. Selbst bei einem Betriebswechsel lasse sich das Berichtsheft über die App problemlos weiterführen.
Übersicht Berichtsheft-App In unserem Themen-Special "Digitale Medien in der Berufsausbildung" berichten wir auch auch über elektronische Ausbildungsnachweise. Eine Übersicht von Berichtsheft-Apps verschiedener Berufe ist etwa im Online-Artikel "Berichtheft-Apps für die Ausbildung im Handwerk" auf handwerksblatt.de zu finden.
Unterstützung für Ausbilder
Um die Ausbilder zu unterstützen und um die Auszubildenden zum eigenständigen Lernen zu animieren, habe der Zentralverband vor kurzem zudem die in Österreich bereits preisgekrönte "GetHair-App" eingekauft. "Sie wird bei uns groß einschlagen", ist der Vizepräsident des Zentralverbands des Deutschen Friseurhandwerks überzeugt.
Weitere Innovationen, wie etwa eine App für die Prüfungsvorbereitung, seien bereits in der Pipeline. "Kreative junge Menschen, die sich beruflich weiterentwickeln wollen, erwartet im Friseurhandwerk definitiv eine rosige Zukunft."
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Text:
Bernd Lorenz /
handwerksblatt.de
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