Thomas Banasiewicz führt  die Handwerkskammer ­Münster als Hauptgeschäftsführer.

Thomas Banasiewicz führt die Handwerkskammer ­Münster als Hauptgeschäftsführer. (Foto: © Peter Lessmann)

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Banasiewicz: Mehr Mittelstand wagen

Thomas Banasiewicz sieht sich als Lobbyist für mittelständische Betriebe im Münsterland und im Ruhrgebiet. Mit dem DHB spricht er über die Herausforderungen bei der Interessenvertretung.

Thomas Banasiewicz ist 1966 in Rheine geboren. Sein Studium der Volkswirtschaftslehre absolvierte er an der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster. Nach Stationen in Wissenschaft und Wirtschaft übernahm der Diplom-Volkswirt 2002 seinen ersten Posten bei der Handwerkskammer Münster. Seit Juni 2010 ist er Geschäftsführer für den Geschäftsbereich "Personal, Finanzen und Ressourcenmanagement". Im Juni 2017 wählte die Vollversammlung der Kammer ihn zum Hauptgeschäftsführer.

DHB: Sie sind jetzt etwa seit einem Jahr Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Münster. Vorher waren Sie auch schon lange innerhalb der Handwerksorganisation dabei. Kommt Ihnen die Erfahrung auf dem neuen Posten zugute?
Banasiewicz: Die Erfahrungen, die ich vorher in der Handwerksorganisation machen konnte sind sicherlich sehr hilfreich. Das Handwerk wirkt von außen betrachtet einheitlich. Bei näherem Hinsehen fällt auf, dass es durchaus verschiedene Facetten gibt. Allein auf der Organisationsebene finden wir unterschiedliche Player mit unterschiedlichen Interessenlagen. Diese gilt es durch konstruktive Gespräche auszugleichen.

DHB: Wie schwierig ist es denn, alle Interessen unter einen Hut zu bringen?
Banasiewicz: Das ist durchaus eine Herausforderung. Aber wir haben auch in vielen Bereichen Überschneidungen. Wenn wir zum Beispiel den Baubereich nehmen, da gibt es viele Gewerke, die direkt zusammenarbeiten. Die müssen sich zusammenfinden. Das tun sie auch, sonst würde es ja nicht funktionieren. Es ist wichtig, dass man gesprächsbereit ist und aufeinander zugeht. Kooperationen sind nach meiner Überzeugung wichtig. Wir stellen bereits einzeln stark aufgestellte Organisationen dar, aber gemeinsam sind wir natürlich auch im Handwerk noch stärker. Ein gutes Beispiel hierfür ist die Imagekampagne. Dort findet auch ein Stück weit Interessensausgleich statt. Das funktioniert aus meiner Sicht sehr gut.

DHB: Die Imagekampagne ist den Arbeitnehmern offenbar nicht mehr ganz so wichtig.
Banasiewicz: Die Kampagne befindet sich inzwischen in einer Phase, in der immer mehr zurückschauen und sich fragen, was hat sie gebracht? Ich glaube, dass die Konzentration der Kampagne auf die sozialen Medien in der Vergangenheit für viele, die dort nicht so intensiv unterwegs sind, das Gefühl erzeugt hat, der Schwung ist raus. Wir reden hier aber auch über Geschmäcker. Der aktuelle Kampagnenfilm zum Beispiel, der ein bisschen Westernromantik transportiert, gefällt nicht jedem. Dabei geht es erstmal darum, bei den Leuten Aufmerksamkeit zu erzeugen. Und das ist gut gelungen. Zudem steigen die Ausbildungszahlen im Handwerk wieder merklich. Das ist ein positiver Effekt, der sicherlich auch zum Teil auf die Imagekampagne zurückgeführt werden kann.

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DHB: Wie könnte man die Kampagne verändern, um den Erwartungen der Arbeitnehmer besser gerecht zu werden?
Banasiewicz: In der nächsten Staffel der Kampagne werden Entlohnung und Arbeitsbedingungen Thema sein. Ein Ergebnis der Forsa-Umfrage war auch, dass Handwerk in den Augen der Öffentlichkeit in puncto Einkommenserwartungen relativ schlecht abschneidet. Auf der anderen Seite werden die Arbeitsbedingungen bei den Befragten als eher negativ eingestuft. Diese Aspekte sollen jetzt verstärkt aufgegriffen werden.

DHB: Dieses Bild vom Handwerk ist eigentlich erstaunlich.
Banasiewicz: Wir leben teilweise in Klischees. Und das Klischee bezogen auf das Handwerk ist dann eher das Bild vom kleinen und familiären Betrieb, in dem es oft schwierigere Arbeitsbedingungen gibt und bei dem Mitarbeiter eher schlechter bezahlt werden. Das gehört aber zu den Mythen und Legenden. Das ist objektiv betrachtet nicht so. Es gibt viele, die dann gerne auf den Friseurberuf verweisen – auch mit Blick auf die Diskussion der Ausbildungsvergütung im Zusammenhang mit Ausbildungsabbrüchen. Da wird beispielsweise gesagt, da müsse jetzt eine einheitliche Mindestausbildungsvergütung her. Aber bei den hohen Lösungsquoten in einigen Bereichen des Handwerks, auch im Friseurhandwerk, geht es selten um Geld. Wenn ich heute in einer Ausbildung bin, habe ich genauso wie bei regulären Arbeitsverhältnissen eine Probezeit. Bei Ausbildungsverhältnissen ist die mit drei Monaten etwas kürzer. Da kann es natürlich auch passieren, dass dem Auszubildenden, aber auch dem Arbeitgeber etwas nicht gefällt. Was die Azubis betrifft, ist es wichtig, für sie eine Berufsvorbereitung und -orientierung vor dem Schulabschluss zu organisieren, damit sie entscheiden können, welcher Beruf zu ihnen passt. Da sind in der Vergangenheit gute Programme entwickelt worden, auch unterstützt mit öffentlichen Fördermitteln. Daran sollten wir einfach weiter arbeiten. Ich halte die Diskussion über die hohen Abbruchquoten bei bestimmten Berufen für völlig legitim. Aber man sollte jetzt nicht das Kind mit dem Bade ausschütten und sagen, da müssen wir jetzt höhere Ausbildungsvergütungen haben, dann ist das Problem erledigt. Das würde völlig an der Realität vorbeigehen.

DHB: Bringt das Projekt "Kein Abschluss ohne Anschluss etwas? Merkt man da einen Effekt?
Banasiewicz: Ich bin der Ansicht, dass das einen positiven Effekt hat. Es wäre gut, das weiter fortzuführen – vielleicht mit einigen Feinjustierungen in dem einen oder anderen Bereich. Auch Ausbildungsbotschafter, die das Handwerk in die Schulen schickt, helfen bei der Berufsorientierung. Hier berichten Auszubildende über ihren Arbeitsalltag. Es ist aber natürlich auch immer die Frage, wie die Politik das aufnimmt. Ich denke, wir müssen uns positionieren und darauf hinweisen, dass wir gute Erfahrungen mit KAoA gesammelt haben und es von Vorteil für alle Beteiligten sein kann, gerade in diesem Bereich eine flächendeckende Abdeckung bei den Jugendlichen zu erreichen.

DHB: Das Münsterland ist groß. Wie bekommen Sie die für die Handwerksbetriebe wichtigen Themen in die Fläche, damit sie auch in den entlegensten Winkeln ihres Kammerbezirks ankommen?
Banasiewicz: Hier spielt die gut ineinandergreifende Zusammenarbeit mit den Kreishandwerkerschaften eine große Rolle. Wir legen beispielsweise Wert darauf, dass die Kreishandwerkerschaften die überbetriebliche Lehrlingsunterweisung in der Fläche anbieten. So ist es essentiell, die Belastung der Jugendlichen bei der Anreise zum Bildungsstandort möglichst gering zu halten. Der Netzwerkgedanke der Handwerksorganisationen spielt also eine große Rolle. Deswegen sind wir kontinuierlich im Austausch.

DHB: Gibt es auch Kooperationen der einzelnen Handwerkskammern im Hinblick auf die Bildungszentren?
Banasiewicz: Das ist auf jeden Fall immer ein Thema. Wir haben bei den Bildungszentren zwei Aspekte, die eine Rolle spielen. Auf der einen Seite müssen wir den Bildungsauftrag sicherstellen. Auf der anderen Seite müssen wir schauen, dass unsere Meisterschulen ausgelastet sind. Da können eine Zusammenarbeit mit anderen Kammern und die Zusammenführung von Kursen helfen. Eine einzelne Kammer kann so Schwerpunkte bilden und bestimmte Meisterkurse häufiger anbieten, weil das Angebot dort konzentriert wird. Genau deshalb tauschen wir uns hier ständig mit den anderen Handwerkskammern aus.

DHB: Da kann es in den nächsten Monaten und Jahren nochmal Anpassungen und Veränderungen geben?
Banasiewicz: Natürlich. Man darf ja nicht vergessen, wir befinden uns in einem dynamischen Umfeld. Das heißt, technologisch haben wir unterschiedliche Entwicklungen, die auf der einen Seite inhaltlich abgearbeitet werden müssen, aber auch dazu führen, dass wir uns im Bildungsbereich immer wieder an die Rahmenbedingungen anpassen müssen. Die Nachfrage durch die Betriebe ist wichtig. Wenn wir in einigen Bereichen immer weniger Handwerksmeister haben, müssen wir schauen, wie wir gewährleisten können, dass die wenigen Interessenten trotzdem ihren Meister machen können – auch, wenn sie dann möglicherweise ein bisschen weiterfahren müssen. Aber das ist der Anspruch.

DHB: Welche Auswirkungen hätte denn eine Rückführung der Meisterpflicht in Gewerken wie das Fliesenlegerhandwerk? Wären die Kammern darauf vorbereitet?
Banasiewicz: Ich gehe davon aus, dass wir darauf vorbereitet wären. Es wäre sicherlich möglich, den Leuten Angebote zu machen. Wir haben in der Vergangenheit gemerkt, dass gerade in den Berufen, die nach 2004 aus dem A-Verzeichnis ins B1-Verzeichnis übergewechselt sind, die Nachfrage nach Meisterkursen massiv eingebrochen ist. Aber wenn es mal in die andere Richtung geht, denke ich: Das bekommen wir hin.

DHB: Gibt es ein Zusammengehörigkeitsgefühl der Gewerke im Handwerk außerhalb der Organisationsstrukturen?
Banasiewicz: Wir beobachten, dass immer mehr im Handwerk als Unternehmer unterwegs sind, die eigentlich gar keine Sozialisation mehr im Handwerk hatten. Da gab es einen ganz anderen Weg ins Handwerk: Nicht die klassische Gesellen- und Meisterprüfung und dann der Schritt hin zur Selbstständigkeit. Das ist für die Identifikation gelegentlich mal etwas schwierig. Wir haben in der Vergangenheit immer bei der Gewinnung von Ehrenamtsträgern darauf bauen können, dass es eine Vielzahl an Interessierten gibt, die eine sehr starke Verbindung mit dem Handwerk und den Organisationen im Handwerk haben. Das wird sicherlich in den nächsten Jahren schwieriger. Aber das Handwerk hat in der Vergangenheit immer Antworten auf derlei Fragen gefunden.

DHB: Sie sind Mitglied im Beirat der Business Metropole Ruhr. Was machen Sie da? Die Diskrepanz zwischen dem Münsterland und dem Ruhrgebiet könnte an manchen Stellen ja kaum größer sein.
Banasiewicz: Wir sind im Kammerbezirk Münster neben dem Münsterland auch für die Emscher-Lippe-Region zuständig. Dazu zählen Orte wie beispielsweise Gelsenkirchen, Recklinghausen und Bottrop. Das Ruhrgebiet ist sicherlich eine andere Welt als das Münsterland. Im Beirat selber geht es zum Beispiel um das Thema Arbeitskräfte und um Kooperationen der Regionen. In diesem Zusammenhang bewerte ich es als positiv, dass die Landesregierung wieder eine Ruhrgebietskonferenz plant. Wir und die beiden anderen Handwerkskammer für das Ruhrgebiet werden uns klar positionieren. Unser Credo wird sicherlich sein: Wir müssen mehr Mittelstand wagen. Und Mittelstand heißt eben nicht Großindustrie. Es ist auch wichtig, dass der Mittelstand angemessene Rahmenbedingungen vorfindet. Das Ruhrgebiet ist eine tolle Region mit sehr viel Potenzial, aber ebenfalls mit großen strukturellen Herausforderungen, die bislang nicht überwunden sind. Man hat bereits viel bewegt, aber ob man de facto immer gleichermaßen viel erreicht hat, ist eine andere Frage. Das sollte immer auch konstruktiv kritisch betrachtet werden.

In seiner Freizeit gibt Thomas Banasiewicz gerne am Schlagzeug den Takt vor. Foto: © Werner HarnischmacherIn seiner Freizeit gibt Thomas Banasiewicz gerne am Schlagzeug den Takt vor. Foto: © Werner Harnischmacher

Banasiewicz: Ja, absolut. Gerade Handwerk ist Mittelstand. Und ich denke, dass es gut ist, auch mal darüber nachzudenken, ob man eine mittelständische Struktur im Ruhrgebiet wesentlich besser aufstellen und auch stärken kann. Wobei ich jetzt nicht Subventionen das Wort reden möchte.

DHB: Also keine Sonderwirtschaftszone?
Banasiewicz: Nein. Das Handwerk war in der Vergangenheit auch nicht dadurch gekennzeichnet, dass es nach Subventionen gerufen hat. Da müssen einfach die Rahmenbedingungen anders gestaltet sein. Aber wir werden uns auf jeden Fall sehr intensiv an diesem Prozess, den die Landesregierung anstrebt, beteiligen.

DHB: In Ihrer Freizeit spielen Sie Schlagzeug. Was ist Ihre bevorzugte Musikrichtung?
Banasiewicz: Wenn es um Musikstile geht, bin ich nicht so wahnsinnig festgelegt. Ich interessiere mich für Jazz, Rock und Pop. Ich höre aber auch durchaus mal die härteren Klänge. Ich habe letztes Jahr tatsächlich mein erstes Heavy-Metal-Konzert besucht. Das war eine Herausforderung. Die Menschen, die da auftreten, und auch das Publikum kommen ja durchaus etwas handfester um die Ecke. Aber das kenne ich aus dem Handwerk. Ich habe mich außerdem mit den entsprechenden Hörschutzmaßnahmen bewaffnet – und es war wirklich mächtig laut. Eine super Stimmung und ein tolles Erlebnis.

DHB: Gibt es ein Vorbild als Schlagzeuger für Sie?
Banasiewicz: Da gibt es einige - zum Beispiel Simon Phillips, ein Schlagzeuger, der jetzt auch schon 30 Jahre "im Business" ist. Die letzte bekannte Band, in der er gespielt hat, heißt Toto. Es ist interessant zu verfolgen, wie er seinen Stil weiterentwickelt hat und wie er heute arbeitet. Wenn er nur als Schlagzeuger alleine auftritt, kann der durchaus eine kleine Halle füllen. Das ist schon bemerkenswert.

DHB: Spielen Sie selbst in einer Band?
Banasiewicz: Nein. Ich versuche, privat da ein bisschen dranzubleiben, weil es Spaß macht und mental entspannt. Schlagzeug spielen ist auch ein gutes Workout und körperlich durchaus anspruchsvoll. In einer Band zu spielen, bekomme ich aber zeitlich nicht mehr hin.

DHB: Geben Sie auch in der Handwerkskammer mal einen härteren Takt vor?
Banasiewicz: Ich bin nicht jemand, der durch das Haus marschiert und dann im sinnbildlichen und übertragenden Sinne die Peitsche schwingt. Das will ich auf keinen Fall. Für mich ist wichtig, im Umgang mit den Kolleginnen und Kollegen auf Augenhöhe zu begegnen. Viele von ihnen kenne ich ja auch schon sehr lange Zeit. Ich schätze alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hier sehr, das sind alles überaus motivierte und erfahrene Kolleginnen und Kollegen. Für mich ist die Position nicht dazu da, um auf andere herabzuschauen. Im Gegenteil: Es ist ganz wichtig, wertschätzend mit den Kolleginnen und Kollegen umzugehen.

Das Interview führten Lars Otten und Michael Block

Text: / handwerksblatt.de

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