Meisterprüfung: Fachgespräch und Projekt sind nur zusammen wiederholbar
Prüfungsprojekt und Fachgespräch stehen bei der Meisterprüfung in einem Zusammenhang. Deshalb darf ein Kandidat nicht nur das Fachgespräch wiederholen, sondern muss die gesamte Prüfung erneut durchziehen, sagt ein aktuelles Urteil.
Meisterprüfung und Fachgespräch sind als ein einheitlicher Prüfungsvorgang zu betrachten, sodass bei Nichtbestehen eine Wiederholung der kompletten Prüfung nötig ist. Nur ein neues Fachgespräch zu führen, ist nicht zulässig, hat das Sächsische Oberverwaltungsgericht entschieden. Das Urteil enthält darüber hinaus Aussagen über die Pflicht zur Begründung von Prüfungen.
Der Fall
Der Kandidat hatte den Prüfungsteil I der Meisterprüfung im Maler- und Lackiererhandwerk nicht bestanden, weil er im Fachgespräch lediglich 27,3 von 100 Punkten erzielte. Obwohl sein Meisterprüfungsprojekt mit 74,4 von 100 Punkten bewertet wurde, war er wegen des Fachgesprächs mit "ungenügend" laut der Meisterprüfungsverordnung im Prüfungsteil I durchgefallen.
Der Maler verlangte die Wiederholung des Fachgesprächs als Erstversuch, da dessen Bewertung für ihn anhand der Prüfungsprotokolle nicht nachvollziehbar gewesen sei. Hilfsweise klagte er auf die vollständige Wiederholung des Prüfungsteils. Das Verwaltungsgericht wies die Klage ab, wogegen er Berufung einlegte.
Das Urteil
Das Sächsische Oberverwaltungsgericht (OVG) verpflichtete den Prüfungsausschuss, den Kandidaten zum erneuten Erstversuch des gesamten Teils I der Meisterprüfung zuzulassen.
Das OVG stellt den untrennbaren Zusammenhang zwischen Meisterprojekt und Fachgespräch fest. Das ergebe sich unmittelbar aus der jeweiligen Meisterprüfungsverordnung (hier finden Sie einen Überblick über die aktuellen Meisterprüfungsverordnungen). Die Wiederholung des Fachgesprächs zu einem bereits durchgeführten Meisterprüfungsprojekt, dessen Bewertung bereits bekannt ist, würde dem ersten Fachgespräch den Charakter eines "Probegesprächs" verschaffen, erklärten die Richter. Dies verstoße gegen den Grundsatz der Chancengleichheit. Die isolierte Wiederholung des Fachgesprächs sei daher nicht erlaubt.
Fehlende Begründung für Note war Verfahrensfehler
Die teilweise fehlenden Begründungen für die Bewertung des Fachgesprächs waren laut OVG jedoch ein Verfahrensfehler, der eine Wiederholung des gesamten Prüfungsteils I rechtfertigt. Die Prüfenden müssten auf Verlangen die tragenden Erwägungen für ihre Bewertung mitteilen, damit der Prüfling mögliche Bewertungsrügen erheben könne. Hier habe der Maler darauf hingewiesen, dass im Prüfungsprotokoll teilweise Stichpunkte für die Bewertung seiner Prüfungsleistungen fehlten. Der Ausschussvorsitzende hätte daher die Prüfenden auffordern müssen, nachträglich eine schriftliche Bewertungsbegründung zu verfassen, stellte das OVG klar.
Sächsisches Oberverwaltungsgericht, Urteil vom 1. März 2023, Az. 5 A 66/22
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Text:
Anne Kieserling /
handwerksblatt.de
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