Der Schwellenwert für Überstunden muss proportional zur Arbeitszeit angesetzt werden, stellt der EuGH klar.

Der Schwellenwert für Überstunden muss proportional zur Arbeitszeit angesetzt werden, stellt der EuGH klar. (Foto: © vladimir voronin/123RF.com)

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Teilzeitkräfte müssen bei der Berechnung von Überstunden gleichbehandelt werden

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Ab wann ist Arbeit als Überstunden zu bezahlen? Bei Teilzeitbeschäftigten darf nicht derselbe Schwellenwert angesetzt werden wie bei Vollzeitkräften. Das Bundesarbeitsgericht hat sich der Rechtsprechung des EuGH angeschlossen.

Manchmal ist Gleichbehandlung auch ungerecht. Nämlich dann, wenn Arbeitgeber oder Tarifvertrag bei Überstunden für Teilzeitbeschäftigte dieselben Hürden aufstellen wie für Vollzeitler. Muss eine Teilzeitkraft die gleiche Zahl an Arbeitsstunden leisten wie ein Vollzeitbeschäftigter, um eine zusätzliche Vergütung zu erhalten, ist das eine unzulässige Diskriminierung. Der Schwellenwert muss bei Teilzeitlern niedriger liegen. Das fordert der Europäische Gerichtshof von deutschen Arbeitgebern. Nun hat das Bundesarbeitsgericht der Betroffenen nicht nur Nachzahlung der Überstundenzuschläge, sondern auch eine Entschädigung wegen Diskriminierung zugesprochen.

Die Fälle

In dem Fall, zu dem das BAG nun ein Urteil fällte, ging es um eine Frau als, die als Teilzeit-Pflegekraft bei einem ambulanter Dialyseanbieter arbeitet. Nach dem Manteltarifvertrag gelten für sie die gleichen Regeln zu Überstunden wie bei den vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmern. Sie klagte Überstundenzuschläge ein und darüber hinaus noch eine Entschädigung, weil der Arbeitgeber sie wegen ihres Geschlechts dikriminiert habe. Denn in ihrem Bereich arbeiten zu 90  Prozent Frauen.

In einem anderen Fall, den der EuGH entschied, klagte ein deutscher Pilot, der für die Fluggesellschaft Lufthansa CityLine in Teilzeit arbeitet. Eine zusätzliche Vergütung erhält er nach den geltenden Tarifverträgen, wenn er eine bestimmte Zahl an Arbeitsstunden im Monat leistet und dabei Schwellenwerte überschreitet. Diese Schwellenwerte sind allerdings für Vollzeit- und Teilzeit-Piloten gleich. Der Pilot sieht darin eine unzulässige Diskriminierung, die gegen EU-Recht verstößt, und verlangt vor Gericht eine Vergütung für geleistete Überstunden.

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) legte in beiden Fällten die Frage dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) zur Entscheidung vor. Es wollte wissen, ob die tarifvertraglichen Regelungen gegen Unionsrecht verstößt.

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Die Urteile

Der EuGH stellte sich auf die Seite der Arbeitnehmer. Die Europarichter erklärten, dass identische Schwellenwerte den Teilzeitkräften einen längeren Dienst abverlangen als den Kollegen mit Vollzeitjob. Teilzeitbeschäftigte würden damit mehr belastet und könnten die Bedingungen für Überstunden-Vergütung weitaus seltener erfüllen als Vollzeitkräfte.

Die Regelung führe daher die zu einer schlechteren Behandlung der Teilzeitkräfte und verstoße wegen Diskriminierung gegen EU-Recht. Ausnahmen gebe es nur, wenn diese Behandlung durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt sei. Vielmehr müsse der Schwellenwert für die Überstunden proportional zur Arbeitszeit angesetzt werden.

Das Bundesarbeitsgericht schloss sich der Sicht der Europarichter an. Die Betroffenen haben Anspruch auf eine Nachzahlung für die geleisteten Überstunden. Die Pflegerin bekommt außerdem 250 Euro als Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG wegen Diskriminierung, denn sie habe eine mittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts erfahren, weil innerhalb der betroffenen Gruppe der Teilzeitbeschäftigten erheblich mehr Frauen (90 %) als Männer vertreten sind.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 5. Dezember 2024, Az. 8 AZR 370/20 

Europäischer Gerichtshof, Urteile vom 29. Juli 2024, Az. C-184/22 und C-185/22; Urteil vom 18. Oktober 2023, Az. C-660/20

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Text: / handwerksblatt.de

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