Rechtliche Fallstricke bei befristeten Arbeitsverträgen
Will ein Arbeitgeber wegen einer Auftragswelle zusätzliche Leute einstellen, kann der deren Job befristen. In der Praxis gibt es aber immer wieder Streit darüber. Das Landesarbeitsgericht Niedersachsen macht konkrete Vorgaben, wann eine Befristung erlaubt ist.
Fällt im Betrieb vorübergehend mehr Arbeit an, kann der Chef befristet neue Leute einstellen. Er darf jedoch nicht beliebig viele Arbeitnehmer auf Zeit anheuern, sondern muss sich im Rahmen des voraussichtlichen Mehrbedarfs halten.
Werden diese Arbeitskräfte später dann für Daueraufgaben eingesetzt anstatt für den Arbeitsüberschuss, kommt es regelmäßig zu Gerichtsprozessen. Denn die Befristung nach § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) wegen vorübegehdenen Arbeitskräftebedarfs ist nur unter strengen Regeln erlaubt. Das Landesarbeitsgericht Niedersachsen hat die Bedingungen konkretisiert
Der Fall
Ein Arbeitnehmer wurde befristet als Dozent eingestellt, um während der Corona-Pandemie ausgefallene Sportstunden nachzuholen. Nach Ablauf der Befristung wollte der Mann bleiben. Er hielt die Befristung für unwirksam. Sein Argument: Er sei zwar für die Nachholung von Lehrveranstaltungen eingestellt worden, diese Aufgabe habe ihm der Vorgesetzte tatsächlich aber nicht zugewiesen.
Der Arbeitgeber erklärte, nach der Pandemie hätten 74 Semesterwochenstunden nachgeholt werden müssen. Der Dozent sei zwar ursprünglich für Sportunterricht eingestellt worden, aber durch eine Umverteilung der Aufgaben sei seine Arbeit in einer "Vertretungskette weitergeführt" worden. Die Sportveranstaltungen habe das Stammpersonal betreut.
Das Urteil
Wie schon das Arbeitsgericht zuvor beurteilte auch das Landesarbeitsgericht (LAG) die Befristung als unwirksam. Allerdings nicht, weil er einer anderen Aufgabe zugteilt wurde als zuvor geplant.
Der Befristungsgrund des vorübergehenden Arbeitskräftebedarfs nach § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 TzBfG verlange nämlich nicht, dass der befristet Angestellte genau in dem Bereich arbeite, in dem der Mehrbedarf entstanden sei, so das Gericht. Es reiche aus, wenn ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem zeitweise erhöhten Arbeitsanfall und der befristeten Einstellung bestehe. Der Arbeitgeber könne die Arbeitsmenge verteilen, seine Organisation ändern oder zusätzliche Aufgaben anderen Mitarbeitern zuweisen.
Aber: Der Arbeitgeber darf wegen eines zeitweiligen Mehrbedarfs nicht beliebig viele Arbeitnehmer einstellen. Die Zahl der befristet Angestellten muss sich im Rahmen des vorhergesagten Mehrbedarfs bewegen und darf diesen nicht überschreiten.
Prognostizierten Mehrbedarf beachten!
Den Zusammenhang zwischen prognostiziertem Mehrbedarf und Befristung muss der Arbeitgeber auch darlegen und beweisen, betont das LAG. Ein pauschaler Vortrag reiche nicht aus. Der Arbeitgeber hatte hier vorgetragen, das Lehrdefizit von 74 Semesterwochenstunden könne nicht durch das Stammpersonal ausgeglichen werden, was "offenkundig" sei. Der Kläger sei deshalb in einer "Vertretungskette" eingesetzt worden. Damit sei der Zusammenhang gegeben.
Das sah das Landesarbeitsgericht anders: Der Arbeitgeber hätte den Zusammenhang viel konkreter darstellen müssen. Es wäre nötig gewesen, genau darzulegen, welche Daueraufgaben der Kläger im Befristungszeitraum übernommen habe, welche Organisationsentscheidungen getroffen wurden und welche anderen Beschäftigten wann und wie diese Aufgaben erledigt hätten. Das sei besonders wichtig, weil der Kläger die 74 zusätzlichen Semesterwochenstunden allein gar nicht hätte übernehmen können.
Im Termin darüber hat der Arbeitgeber erklärt, die Planung zur Nachholung der Lehrveranstaltungen und der Aufgabenverteilung sei nicht mehr nachvollziehbar. Dieses Risiko und die damit verbundenen Nachteile gehen zu seinen Lasten. Damit ist die Befristung unwirksam und der Mitarbeiter unbefristet eingestellt.
Fazit
"Die Rechtsprechung ist im Grundsatz äußerst großzügig, wenn der vorübergehende Arbeitskräftebedarf als Befristungsgrund nach § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 TzBfG geprüft wird", erklärt Prof. Dr. Nicolai Besgen, Fachanwalt für Arbeitsrecht. "Der Arbeitgeber muss den befristet beschäftigten Arbeitnehmer nicht zwingend in dem Bereich einsetzen, in dem der Mehrbedarf entstanden ist. Zusätzliche Arbeiten können auch anderen Arbeitnehmern zugewiesen werden. Aber: Die Zahl der befristet eingestellten Arbeitnehmer muss sich im Rahmen des prognostizierten Mehrbedarfs halten und darf diesen nicht übersteigen. Diese Prognose muss der Arbeitgeber im Prozess beweisen. Gelingt ihm dies nicht, wird der Befristungsgrund nicht anerkannt."
Landesarbeitsgericht Niedersachsen, Urteil vom 10. Dezember 2024, Az.10 SLa 230/24
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Text:
Anne Kieserling /
handwerksblatt.de
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