mat_pixel
Die Zahl der befristet eingestellten Arbeitnehmer muss sich im Rahmen des vorhergesagten Mehrbedarfs bewegen und darf diesen nicht überschreiten.

Die Zahl der befristet eingestellten Arbeitnehmer muss sich im Rahmen des vorhergesagten Mehrbedarfs bewegen und darf diesen nicht überschreiten. (Foto: © dolgachov/123RF.com)

Vorlesen:

Rechtliche Fallstricke bei befristeten Arbeitsverträgen

Will ein Arbeitgeber wegen einer Auftragswelle zusätzliche Leute einstellen, kann der deren Job befristen. In der Praxis gibt es aber immer wieder Streit darüber. Das Landesarbeitsgericht Niedersachsen macht konkrete Vorgaben, wann eine Befristung erlaubt ist.

Fällt im Betrieb vorübergehend mehr Arbeit an, kann der Chef befristet neue Leute einstellen. Er darf jedoch nicht beliebig viele Arbeitnehmer auf Zeit anheuern, sondern muss sich im Rahmen des voraussichtlichen Mehrbedarfs halten. 

Ob diese Arbeitskräfte dann doch für Daueraufgaben eingesetzt werden anstatt für den Arbeitsüberschuss, beschäftigt regelmäßig die Gerichte. Denn die Befristung nach § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) wegen vorübegehdenen Arbeitskräftebedarfs ist nur unter strengen Regeln erlaubt. Das Landesarbeitsgericht Niedersachsen hat die Bedingungen konkretisiert 

Der Fall

Ein Arbeitnehmer wurde befristet als Dozent eingestellt, um während der Corona-Pandemie ausgefallene Sportstunden nachzuholen. Nach Ablauf der Befristung wollte der Mann bleiben. Er hielt die Befristung für unwirksam. Sein Argument: Er sei zwar für die Nachholung der Lehrveranstaltungen eingestellt worden, diese Aufgabe habe er aber tatsächlich nicht übernommen. 

Der Arbeitgeber erklärte, der Dozent sei zwar ursprünglich für Sportveranstaltungen eingestellt worden, aber durch eine Umverteilung der Aufgaben sei seine Arbeit in einer Vertretungskette weitergeführt worden. Nach der Pandemie hätten 74 Semesterwochenstunden nachgeholt werden müssen. Die Sportveranstaltungen habe das Stammpersonal erteilt.

Das könnte Sie auch interessieren:

Das Urteil

Wie schon das Arbeitsgericht zuvor beurteilte auch das Landesarbeitsgericht (LAG) die Befristung als unwirksam. 

Der Befristungsgrund des vorübergehenden Arbeitskräftebedarfs nach § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 TzBfG verlange zwar nicht, dass der befristet eingestellte Arbeitnehmer genau in dem Bereich arbeite, in dem der Mehrbedarf entstanden sei, so das Gericht. Es reiche aus, wenn ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem zeitweise erhöhten Arbeitsanfall und der befristeten Einstellung bestehe. Der Arbeitgeber kann die Arbeitsmenge verteilen, seine Organisation ändern oder zusätzliche Aufgaben anderen Mitarbeitern zuweisen

Aber: Der Arbeitgeber darf wegen eines zeitweiligen Mehrbedarfs nicht beliebig viele Arbeitnehmer einstellen. Die Zahl der befristet eingestellten Arbeitnehmer muss sich im Rahmen des vorhergesagten Mehrbedarfs bewegen und darf diesen nicht überschreiten.

Prognostizierten Mehrbedarf beachten!

Den Zusammenhang zwischen prognostiziertem Mehrbedarf und Befristung muss der Arbeitgeber auch darlegen und beweisen, betont das LAG. Ein pauschaler Vortrag reiche nicht aus. Der Arbeitgeber hatte hier vorgetragen, das Lehrdefizit von 74 Semesterwochenstunden könne nicht durch das Stammpersonal ausgeglichen werden, was "offenkundig" sei. Der Kläger sei deshalb in einer "Vertretungskette" eingesetzt worden. Damit sei der Zusammenhang gegeben.

Das sah das Landesarbeitsgericht anders: Der Arbeitgeber hätte den Zusammenhang viel konkreter darstellen müssen. Es wäre nötig gewesen, genau darzulegen, welche Daueraufgaben der Kläger im Befristungszeitraum übernommen habe, welche Organisationsentscheidungen getroffen wurden und welche anderen Beschäftigten wann und wie diese Aufgaben erledigt hätten. Das sei besonders wichtig, weil der Kläger die 74 zusätzlichen Semesterwochenstunden allein gar nicht hätte übernehmen können. 

Im Termin darüber hat der Arbeitgeber erklärt, die Planung zur Nachholung der Lehrveranstaltungen und der Aufgabenverteilung sei nicht mehr nachvollziehbar. Dieses Risiko und die damit verbundenen Nachteile gehen zu seinen Lasten.

Fazit

"Die Rechtsprechung ist im Grundsatz äußerst großzügig, wenn der vorübergehende Arbeitskräftebedarf als Befristungsgrund nach § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 TzBfG geprüft wird", erklärt Prof. Dr. Nicolai Besgen, Fachanwlt für Arbeitsrecht. "Der Arbeitgeber muss den befristet beschäftigten Arbeitnehmer nicht zwingend in dem Bereich einsetzen, in dem der Mehrbedarf entstanden ist. Zusätzliche Arbeiten können auch anderen Arbeitnehmern zugewiesen werden. Aber: Die Zahl der befristet eingestellten Arbeitnehmer muss sich im Rahmen des prognostizierten Mehrbedarfs halten und darf diesen nicht übersteigen. Diese Prognose muss der Arbeitgeber im Prozess beweisen. Gelingt ihm dies nicht, wird der Befristungsgrund nicht anerkannt." 

Landesarbeitsgericht Niedersachsen, Urteil vom 10. Dezember 2024, Az.10 SLa 230/24

Die Berater in den Handwerkskammern helfen Ihnen bei Rechtsfragen gerne weiter!DHB jetzt auch digital!Einfach hier klicken und kostenlos für das digitale DHB registrieren!

Text: / handwerksblatt.de

Das könnte Sie auch interessieren: