Wer keinen Abstand hält, fliegt!
Ein scherzhaft gemeintes Selfie über die Corona-Regeln hat einen Arbeitnehmer den Job gekostet. Eine Kündigung ist aber nicht immer angebracht, warnt ein Arbeitsrechts-Experte.
Abstandsgebote und Maskenpflicht sind zwei zentrale Vorgaben zur Eindämmung des Corona-Virus. Nahezu alle landesgesetzlichen Verordnungen sehen daher entsprechende Regelungen vor. Wird hiergegen verstoßen, droht ein Bußgeld. Aber kann ein Arbeitnehmer bei einem Verstoß gegen die Corona-Abstandsregel gekündigt werden? Ein aktuelles Gerichtsverfahren vor dem Arbeitsgericht Osnabrück (Az. 2 Ca 143/20) endete mit einem Vergleich, der Mann verliert seinen Job. Prof. Dr. Michael Fuhlrott, Fachanwalt für Arbeitsrecht, gibt einen Überblick über die Rechtslage.
Der Fall
Ein Techniker hatte am 23. März 2020 auf seinem privaten WhatsApp-Profil ein Foto gepostet, das die Unterzeile "Quarantäne bei mir" trug. Das Foto zeigte ein Selfie mit fünf weiteren Männern im engen Kreis auf dem Boden einer Wohnung sitzend, zum Teil beim Kartenspiel. Das Foto war in der Freizeit des Arbeitnehmers entstanden. Rückschlüsse auf den Arbeitgeber konnten aus dem Foto nicht hergeleitet werden, der Mann trug auch keine Dienstkleidung.
Der Arbeitgeber sah hierin trotzdem eine erhebliche Pflichtverletzung und kündigte dem Techniker fristlos. Er hielt die weitere Zusammenarbeit für unzumutbar, da er davon ausgehen müsse, dass der Mitarbeiter die Corona-Schutzmaßnahmen nicht ernst nehme und keinerlei Bereitschaft zeige, sich an diese zu halten. Der Unternehmer hatte zudem darauf hingewiesen, dass im Betrieb beschäftigte Risikopersonen geschützt werden müssten.
Job weg
In der Gerichtsverhandlung am 8. Juli 2020 verständigten sich die Parteien auf einen Vergleich. Demzufolge verliert der Mann zum 31. August seinen Job und wird bis dahin unter Fortzahlung seines Lohns und Abfeierns seines Resturlaubs freigestellt. Als Abfindung bekommt er einen Monatslohn in Höhe von 2.000 Euro.
Die Frage, ob ein Arbeitgeber wegen Verletzung der Corona-Abstandsregelungen in der Freizeit einen Arbeitnehmer kündigen darf, bleibt damit gerichtlich vorerst ungeklärt.
Außerdienstliches Verhalten ist für den Chef irrelevant
"Wie sich der Arbeitnehmer in der Freizeit verhält, ist grundsätzlich seine Sache", erläutert Prof. Dr. Michael Fuhlrott. "Selbst Straftaten in der Freizeit des Arbeitnehmers bleiben arbeitsrechtlich regelmäßig ohne Konsequenz. Ein außerdienstliches Verhalten des Arbeitnehmers hat nur dann Folgen, wenn es auf das Arbeitsverhältnis ausstrahlt oder ein Bezug zum Arbeitgeber hergestellt wird", so Fuhlrott weiter.
"Der vorliegende Fall ist sicherlich grenzwertig. Hier kann der Arbeitgeber durchaus davon ausgehen, dass der Arbeitnehmer auch betriebliche Schutzmaßnahmen womöglich missachtet und dadurch die Gesundheit von Kolleginnen und Kollegen riskiert." Gleichwohl sieht Fuhlrott eine fristlose Kündigung kritisch: "Eine Kündigung als schärfestes Mittel darf nur dann gewählt werden, wenn alle anderen Optionen wie etwa eine Abmahnung ausgeschöpft sind. Vorliegend hätte es sich auch womöglich angeboten, den Arbeitnehmer zur Vorlage eines ärztlichen Attestes aufzufordern und ihn solange – gegebenenfalls auch unbezahlt – von der Arbeit freizustellen."
Text:
Anne Kieserling /
handwerksblatt.de
Kommentar schreiben