Wer sein E-Mail-Passwort weitergibt, beauftragt einen Vertreter
Ein Ehemann, der von seiner Frau ihr E-Mail-Passwort erhält, kann für sie als Vertreter wirksame Verträge abschließen. Er handelt in ihrem Namen, urteilte das Pfälzische Oberlandesgericht.
Gibt eine Ehefrau ihrem Mann ihr E-Mail-Passwort, handelt er mit Anscheinsvollmacht und kann für sie Verträge schließen. Dass er von ihrem Mail-Account auf eine Zahlung der Versicherung verzichtete, war rechtmäßig und sie ist daran gebunden, entschied das Pfälzische Oberlandesgericht (OLG) Zweibrücken.
Der Fall
Die Ehefrau hatte für ihr Einfamilienhaus eine Gebäudeversicherung abgeschlossen. Nach einem Wasserschaden verlangte sie die Übernahme der Kosten von ihrer Versicherung. Im Sommer 2014 schlossen sie deswegen einen Abfindungsvergleich: Die Versicherung zahlte 10.000 Euro, im Gegenzug sollten sämtliche Schäden, auch bisher noch unbekannte zukünftige, abgegolten sein. 2020 zeigten sich Folgeschäden des Wasserschadens. Daher verlangte die Versicherungsnehmerin erneut Regulierung von ihrer Versicherung. Diese weigerte sich aber und verwies auf den Abfindungsvergleich.
Dagegen klagte die Kundin. Sie meinte, dass der per Mail abgeschlossene Abfindungsvergleich nicht wirksam sei. Denn nicht sie selbst, sondern ihr Ehemann hatte in der E-Mail mit dem Unternehmen kommuniziert. Die Versicherung argumentierte hingegen, dass der Ehemann als Vertreter der Frau gehandelt habe und sie zumindest mit Erhalt des Geldes den Vertragsschluss konkludent bestätigt hätte.
Das Urteil
Das Pfälzische Oberlandesgericht (OLG) Zweibrücken gab der Versicherung Recht. Es geht von einer Anscheinsvollmacht des Ehemannes aus.
Das Landgericht (LG) Kaiserslautern war in der ersten Instanz ebenfalls auf der Seite der Versicherung gewesen, allerdings war es davon ausgegangen, dass die Frau mit der Entgegennahme des Geldes dem Vertrag analog § 177 Abs. 1 BGB durch schlüssiges Verhalten nachträglich zugestimmt habe. Die OLG-Richterinnen und Richter stützen ihre Entscheidung aber nicht wie das LG darauf. Sie urteilten vielmehr, dass der Abfindungsvergleich mit der Versicherung von Anfang an wirksam war. Der Ehemann habe sie nämlich wirksam vertreten, da er mit Anscheinsvollmacht handelte, als er Mails von ihrem Account aus versendete.
Das ergebe sich aus dem Vertretungsrecht anhand § 164 Abs. 1 BGB und den Grundsätzen zur Rechtsscheinsvollmacht. Nach § 164 Abs. 1 BGB ist eine Person an einen Vertrag gebunden, wenn jemand für sie eine Willenserklärung innerhalb der ihm zustehenden Vertretungsmacht im Namen des Vertretenen abgibt. Der Ehemann hatte die E-Mail im Namen seiner Frau abgeschickt. Zwar wusste sie nichts davon, sie hatte ihm aber zuvor das Passwort für ihren Mail-Account gegeben und es bewusst geduldet, dass dieser regelmäßig private und rechtsgeschäftliche E-Mails über ihren Account schrieb. Das war für das OLG der entscheidende Punkt. Die Passwortweitergabe genüge, um eine Anscheinsvollmacht zu begründen, so das Urteil.
Was ist eine Anscheinsvollmacht?
Eine Anscheinsvollmacht liegt vor, "wenn der Vertretene zwar das Handeln des Scheinvertreters nicht kennt, aber hätte erkennen können und der Vertragspartner auf eine wirksame Vertretungsmacht habe vertrauen dürfen". Da sie ihr Passwort weitergegeben habe, hätte die Frau erkennen können, dass ihr Mann in ihrem Namen handeln könnte, erklärte das OLG. Die Versicherung habe auch darauf vertrauen dürfen, dass der Mann ordnungsgemäß bevollmächtigt war.
Der Abfindungsvergleich sei auch nicht ausnahmsweise unbillig, betonten die Richterinnen und Richter. Die Versicherung habe die – noch unbekannten – Folgeschäden in dem Abfindungsvergleich abgelten dürfen. Unbilligkeit bestehe nur dann, wenn ein krasses Missverhältnis zwischen der Abfindungssumme und den späteren Schäden bestehe. Ein solches Missverhältnis konnte die Versicherungskundin hier jedoch nicht beweisen.
Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken, Urteil vom 15. Januar 2025, Az. 1 U 20/24, rechtskräftig
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Text:
Anne Kieserling /
handwerksblatt.de
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