Wer die wichtigsten betrieblichen Kennzahlen im Blick hat, kann auch gut durch eine Krise kommen. Ein Liquiditätsmanagement hilft dabei, dass alle Zahlungsverpflichtungen erfüllt werden können.

Wer die wichtigsten betrieblichen Kennzahlen im Blick hat, kann auch gut durch eine Krise kommen. Ein Liquiditätsmanagement hilft dabei, dass alle Zahlungsverpflichtungen erfüllt werden können. (Foto: © ra2studio /123RF.com)

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Wie Unternehmen ihre Liquidität verbessern können

Die Liquidität im Auge zu behalten, ist für Unternehmen nicht nur in Krisenzeiten wichtig. Die Betriebsberater der Kammern können dabei helfen, ein Liquiditätsmanagement aufzubauen und weiter zu entwickeln.

Auf die Zahlungsverpflichtungen eines Betriebs nimmt ein Virus keine Rücksicht. Das haben viele Handwerker beim Ausbruch der Corona-Krise zu spüren bekommen. Die Einnahmen brachen ein, doch die Ausgaben blieben bestehen. Schließlich wollten Mitarbeiter, Vermieter und Lieferanten weiterhin bezahlt werden. Damit die Betriebe in den ersten drei Monaten flüssig bleiben, haben die Bundesregierung und die Länder schnell reagiert.

"Die Soforthilfe für Soloselbstständige und Kleinstunternehmer war auf jeden Fall das richtige Mittel. So konnten sie ihre Forderungen fristgerecht begleichen", meint Tobias Beibl, Mitarbeiter des Ludwig-Fröhler-Instituts und Doktorand an der Technischen Universität München. Doch spätestens der Shutdown dürfte dem einen oder anderen vor Augen geführt haben, dass mit den Finanzen seines Betriebs generell etwas nicht stimmt. "Liquiditätsschwierigkeiten sind oft die letzte Stufe eines Wochen, Monate oder Jahre andauernden Krisenprozesses, der schließlich in die Insolvenz führen kann."

Erfolgsrezept Liquiditätsmanagement

Wenn das Liquiditätsmanagement erst einmal läuft, ist es vergleichsweise leicht, die Zahlen täglich oder wöchentlich zu aktualisieren, sagt Tobias Beibl, Mitarbeiter am LFI und Doktorand an der TU München. Foto: © LFIWenn das Liquiditätsmanagement erst einmal läuft, ist es vergleichsweise leicht, die Zahlen täglich oder wöchentlich zu aktualisieren, sagt Tobias Beibl, Mitarbeiter am LFI und Doktorand an der TU München. Foto: © LFI

Schon vor dem Ausbruch der Corona-Pandemie hat Tobias Beibl für seine Doktorarbeit mit Handwerkern gesprochen, die ihren Betrieb durch eine Krise führen mussten. Den Erfolgreichen sei als erster Schritt etwas Entscheidendes gelungen: "Sie konnten dafür sensibilisiert werden, sich mit dem Liquiditätsmanagement zu beschäftigen."

Dabei werden eine Reihe von Kennzahlen ermittelt, etwa die Liquidität ersten Grades. Sie beschreibt das Verhältnis von flüssigen Mitteln wie etwa dem Bankguthaben und dem Kassenbestand zu den kurzfristigen Verbindlichkeiten aus Lieferung und Leistung oder Kredite mit einer Laufzeit unter einem Jahr gehören. "Wenn beides ungefähr übereinstimmt und der Wert bei rund 100 Prozent liegt, ist der Betrieb in der Lage, seine Zahlungsverpflichtungen zu erfüllen."

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In der Praxis werde jedoch meistens nicht mit solchen Kennzahlen gearbeitet. Vor allem Betriebe mit bis zu zehn Mitarbeitern, die das Gros im Handwerk bilden, führen nach Einschätzung des Forschers ihr Geschäft oftmals nur anhand des Kontostandes. "Dass es mit ihrer Liquidität nicht zum Besten steht, merken sie erst, wenn der Kontokorrentkredit immer weiter ausgereizt wird, das Konto dauerhaft im Minus bleibt und die Bank bereits interveniert."

Externes Know-how nutzen

Zum Liquiditätsmanagement gehört deshalb auch, regelmäßig mit den Beratern der Hausbanken zu sprechen. "Sie haben sehr viele Möglichkeiten, einem Unternehmen zu helfen – und zwar nicht erst, wenn Probleme auftauchen", versichert Tobias Beibl. Wie es im Groben um die Liquidität bestellt ist, lasse sich sehr einfach herausfinden. "In meinen Fallstudien gab es Betriebe, die ihre Ein- und Auszahlungen sowie den Konto- oder Kassenbestand mit Stift und Zettel oder einem Tabellenkalkulationsprogramm über längere Zeit dokumentiert haben." Dies sei als erster Schritt akzeptabel, wegen der erhöhten Fehleranfälligkeit des Vorgehens jedoch nicht die optimale Lösung.

Um das Liquiditätsmanagement genauer auf die Bedürfnisse des einzelnen Unternehmens anzupassen, kann auch auf externes Know-how gebaut werden. Die Betriebsberater der Handwerkskammern seien dafür die perfekte Anlaufstelle. "Ihnen stehen meistens vier Tagewerke zur Verfügung, um sich gezielt mit einem Thema zu beschäftigen." Doch auch danach seien sie für weitere Fragen ansprechbar. Zudem bietet das Ludwig-Fröhler-Institut verschiedene Publikationen zum Liquiditätsmanagement, die aus dem Internet heruntergeladen werden können.       

Letzteres lässt sich mit verschiedenen Maßnahmen bewerkstelligen. Beim Sale-and-lease-back-Verfahren wird etwa eine Maschine zunächst verkauft. "Dieses Geld sorgt kurzfristig für mehr finanziellen Spielraum", erklärt Tobias Beibl. Damit der Verkäufer die benötigte Maschine weiterhin nutzen kann, mietet er sie vom Käufer zurück. Rechnungen, die zu lange offen sind, können die Finanzen belasten. Bei zu vielen säumigen Kunden kann das so genannte Factoring eine denkbare Lösung sein. Dabei werden die Forderungen eines Betriebs an eine Bank oder einen Finanzdienstleister abgetreten.

Als dritte Option bietet sich die Umschuldung von kurzfristige in langfristige Verbindlichkeiten an. Alle drei Maßnahmen haben aus Sicht des Wirtschaftswissenschaftlers jedoch eine Kehrseite. "Man schafft zwar liquide Mittel, aber auch neue Zahlungsverpflichtungen, die in der Zukunft bedient werden müssen." Dies sei bei einer Erhöhung des Eigenkapitals, das neue Gesellschafter mit ins Unternehmen bringen, nicht der Fall. Erkauft wird dieser Schritt aber durch ein erweitertes Mitspracherecht. "Diesen Kontrollverlust lehnen die meisten Inhaber ab. Deshalb wird diese vierte Maßnahme im Handwerk so gut wie nie umgesetzt."

Krise als treibende Kraft

Eine Krise bringt Betrieben nicht zwangsläufig nur Schlechtes. "Sie treibt dazu an, nicht nur über Veränderungen nachzudenken, sondern sie auch herbeizuführen", hat Tobias Beibl im Rahmen seiner Forschung beobachtet. Die vergangenen zehn Jahre seien für das Handwerk äußerst gut verlaufen. Die meisten Unternehmen dürften auch ohne ein Liquiditätsmanagement erfolgreich gewesen sein. Doch nun könnte die Corona-Krise zu einem Umdenken führen. Für einen Anfang sei es jedenfalls nie zu spät. "Wenn das Liquiditätsmanagement erst einmal läuft, ist es vergleichsweise leicht, die Zahlen täglich oder wöchentlich zu aktualisieren", macht der Mitarbeiter des Ludwig-Fröhler-Instituts den Zögerlichen Mut.

Text: / handwerksblatt.de

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