Georg und Peter Wessels (v.l.) haben es sich zur Aufgabe gemacht, riesenwüchsigen Menschen in bescheidenen Verhältnissen mit maßgeschneiderten Schuhen mehr Lebensqualität zu schenken.

Georg und Peter Wessels (v.l.) haben es sich zur Aufgabe gemacht, riesenwüchsigen Menschen in bescheidenen Verhältnissen mit maßgeschneiderten Schuhen mehr Lebensqualität zu schenken. (Foto: © Teamfoto Marquardt)

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Großartige Tat für Riesenwüchsige

Die Brüder Wessels wurden im Jahr des 275. Jubiläums ihres Schuhhauses als "Unternehmer des Jahres 2020" ausgezeichnet.

An einen Scherz hatten die Brüder Georg und Peter Wessels gedacht, als sie von der Auszeichnung als "Unternehmer des Jahres 2020" durch die Münsterlandzeitung und die Sparkasse Westmünsterland erfuhren. "Ich dachte, das ist nur etwas für größere Unternehmen", beschreibt der Ältere, Georg Wessels, seine ersten Gedanken. Aber bei näherer Betrachtung wird klar, dass die Ehrung einer großartigen sozialen Idee gilt, die ihr traditionsbewusstes Schuhhaus mit Orthopädieschuhwerkstatt in Vreden seit vierzig Jahren in die Tat umsetzt. Dass die Anerkennung zum 275. Jubiläum des handwerklichen Familienbetriebs verliehen wird, würdigt zudem die Leistungen der Dienstleister mit Mission für Riesenfüße. 

Von Normal- zu Übergröße

Schon als sie in jungen Jahren plötzlich den elterlichen Betrieb übernehmen mussten, war Orthopädieschuhmachermeister Peter Wessels für die Werkstatt zuständig und Georg Wessels für den Verkauf. Sie wollten den Handel spezialisieren und stellten ihr Programm schlagartig von Normal- auf Übergröße um. "Für den Erfolg dieses Schrittes war Bekanntheit entscheidend", sinniert Georg Wessels. Jemand machte das Guinessbuch der Rekorde auf die Münsterländer aufmerksam. Von dort kam die Anfrage, ob sie Schuhe für den Mann mit den größten Füßen der Welt fertigen wollten – für Mister Harley Davidson aus den USA mit Schuhgröße 69. Die Wessels bekamen Maße und Fußabdrücke, stellten die Schuhe her und sicherten sich so 1982 den Rekord. Aber das war erst der Anfang. Die Brüder erkannten, welche gesundheitlichen Probleme riesenwüchsige Menschen haben. Die meisten leiden an Akromegalie, bei der die Hirnanhangdrüse unaufhörlich Wachstumshormone ausschüttet. Die Erkrankten werden immer größer; oft kommt Diabetes mit Fußwunden hinzu. Mangelndes Schuhwerk wird bei dieser Kombination zum Überlebensrisiko. Meistens leben Riesen in bitterarmen Ländern, wo sie oftmals verlacht, ausgestoßen, geächtet oder auch misshandelt werden. Die Vredener machten sich auf, mit eigenen Mitteln das Leid dieser Menschen zu lindern. Mehr als 500 maßgefertigte Riesenschuhe haben sie mittlerweile Erkrankten in Amerika, Russland, Asien und Afrika geschenkt. In den allermeisten Fällen vermisst Georg Wessels die Füße vor Ort, bringt einen Abdruck in die Werkstatt mit, wo die Schuhe produziert werden. In einer zweiten Reise überreicht er die Schuhe und schaut, ob sie auch wirklich passen. Alle Kosten trägt er selbst. Nur Material wurde zuweilen vom Unternehmen nora systems in Weinheim gespendet. Viele der Riesen in fernen Kontinenten sind Wessels Freunde geworden. Sie werden über Jahre von ihm begleitet und versorgt. Wessels erfährt von ihren Nöten und nimmt an ihrem Leben Anteil. Er sagt: "Ich bin stolz, dass wir helfen dürfen."

Fernreisen entfallen wegen Corona

Seit Beginn der Corona-Pandemie entfallen die Fernreisen, aber die Hilfe geht weiter. Neulich wurde über die Deutsche Botschaft in Caracas, Venezuela, der Fußabdruck von Jeison Rodriguez mit Schuhgröße 67 eingeschickt. Die fertigen Schuhe der Vredener Handwerker wurden über die Kirchenorganisation Adveniat an den dortigen Bischof übergeben. "Dessen Boten sollten die Spezialschuhe zu Jeison bringen, wurden aber auf der Autofahrt überfallen, ausgeraubt und waren froh, mit dem Leben davon gekommen zu sein. Die Erleichterung war groß, als sich schließlich herausstellte, dass die Schuhe beim Bischof vergessen worden waren."

Erinnerungen in Buchform

Georg Wessels hat zahlreiche solch herzerwärmender Erlebnisse in seinem Buch "Für die größten Füße der Welt!" festgehalten. In kurzen Filmen auf der Website seines Unternehmens liest er daraus vor und erzählt von menschlichen und abenteuerlichen Begegnungen. Sein Traum ist die Gründung einer Stiftung, damit die Versorgung von Riesen in armen Ländern mit Schuhen auch in Zukunft gesichert bleibt. Die neunte Familiengeneration ist im vergangenen Jahr in die Betriebsleitung eingestiegen. Die Werkstatt läuft, der Lockdown nagt trotzdem an der Substanz des Unternehmens mit 25.000 Kunden in ganz Europa. "Aber wir werden es schaffen", ist Wessels sicher. Ebenfalls wegen Corona wurde der Festakt anlässlich der Auszeichnung in den Sommer verlegt.

 

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Text: / handwerksblatt.de

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