Jürgen Kroos, Georg Lunemann, Moderator Carsten Knop, Daniel Ziblatt und Thomas Banasiewicz, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Münster (v. l.)

Jürgen Kroos, Georg Lunemann, Moderator Carsten Knop, Daniel Ziblatt und Thomas Banasiewicz, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Münster (v. l.) (Foto: © Teamfoto Marquardt)

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"Heute sterben Demokratien verfassungskonform"

Handwerkspolitik

Anlässlich ihres 125-jährigen Jubiläums lud die Handwerkskammer Münster zu einem Vortag des Demokratieforschers Daniel Ziblatt. Er sprach über aktuelle Herausforderungen und Gefahren für Demokratien.

Seit 125 Jahren vertritt die Handwerkskammer Münster die Interessen der regionalen Betriebe. Sie versteht die im Jahr 1900 entstandene Selbstverwaltung im Handwerk als wichtigen Teil der Demokratie in Deutschland. Aktuell seien Demokratien aber nicht nur hier, sondern weltweit bedroht. "Demokratien unter Druck" war deswegen das Thema einer Veranstaltung aus der Reihe "Zukunftsräume" im Erbdrostenhof in Münster. Die Demokratie liege dem Handwerk besonders am Herzen, betonte Kammerpräsident Jürgen Kroos. Den darin angelegten Ordnungsrahmen der Freiheit gelte es zu pflegen und hochzuhalten.

"Je mehr das Unternehmertum wertgeschätzt wird, desto besser geht es der Demokratie.", so Kroos‘ These. Denn sie brauche eigenverantwortliche, kreative Bürger. Zu viel Bürokratie und Überregulierung jedoch lähmten das Unternehmertum und damit auch die Demokratie. Denn die große Belastung der Betriebe im Handwerk führe auch zu einem Vertrauensverlust in die Institutionen des Staates. Deswegen sei es auch seine Aufgabe, die Regulierung im Rahmen zu halten und so den Unternehmen mehr Vertrauen zu schenken – denn sie würden gebraucht, um die "großen Herausforderungen unserer Zeit" zu bewältigen.

Bedrohung von innen

"Demokratie hat keinen Zuschauerraum. Demokratie hat nur Bühne und wir alle sind aufgerufen, auf dieser Bühne mitzumachen", so formulierte es Gastgeber Georg Lunemann, Direktor des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe. Desinformation und Misstrauen seien eine Bedrohung. Gerade deshalb brauche die Demokratie Menschen wie die Handwerker, die fest verankert im Leben und Beruf stehen. "Wenn wir junge Menschen fürs Handwerk begeistern und Werte, wie Verantwortung, Nachhaltigkeit und Respekt leben, stärken wir nicht nur unsere Betriebe, sondern auch unsere Demokratie."

Hauptredner war danach der Daniel Ziblatt Demokratieforschers von der Harvard University und dem Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung. Er ist Autor des Bestsellers "Wie Demokratien sterben". Die größten Bedrohungen von Demokratien kämen heute nicht mehr von außen, sondern von innen. "Früher töteten Männer mit Gewehren die Demokratie. Heute sterben sie auf subtilere Weise." Ihren Tod verursachten nicht Generäle, sondern vom Volk gewählte, also demokratisch legitimierte Politiker, die Gesetze mit parlamentarischen Mehrheiten beschließen können. "Demokratien sterben verfassungskonform", so Ziblatt.

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"Halbloyales Verhalten stärkt antidemokratische Extremisten"

Wegen der ihnen innewohnenden weitgehenden Freiheit und des offenen Wettbewerbs seien sie anfällig für Gefahren von innen. "Freiheiten, die auch antidemokratische Kräfte ausnutzen können, um an die Macht zu kommen." Eine Demokratie könne sich gegen solche Bedrohungen nie vollständig schützen, ohne dabei die Freiheit so einzuschränken, dass ihr demokratischer Status dabei verloren geht. Weltweit sei die Zahl von gewählten Politikern "dramatisch zugenommen", die undemokratisch regieren. Selbst eigentlich stabile, reiche und alte Demokratien seien mittlerweile verletzlich geworden.

Aber aus eigener Kraft könnten autoritäre Politiker eine Demokratie nicht zerstören. "Dafür brauchen sie Komplizen." Das seien halbloyale Politiker, die sich nicht entschieden gegen antidemokratische Tendenzen stellten und so zu Steigbügelhalter von Demokratiefeinden würden. Loyale Demokraten dagegen verweigerten die Zusammenarbeit mit Antidemokraten und kämpften entschlossen gegen sie. "Halbloyales Verhalten mag harmlos erscheinen, aber es ist ganz klar die Gefahr für die Demokratie. Halbloyales Verhalten legitimiert, ermüdet und stärkt antidemokratische Extremisten." Sobald Parteien der politischen Mitte solche Extremisten toleriere, sei eine Demokratie bedroht.

Alle Kräfte mobilisieren

Um sie vor Bedrohungen von innen zu beschützen, gebe es vier Maßnahmen. Meinungsfreiheit sei die erste. Im Wettbewerb mit autoritären Kräften müssten demokratische Parteien den Wählern das bessere Angebot machen. Zweitens müsse ein Rechtsstaat so konzipiert sein, dass er sich gegen Demokratiefeinde wehren kann. Mit breiten, auch parteiübergreifenden Bündnissen könnten sie isoliert werden.

Ziblatt: "Kurzfristig können solche Bündnisse eine effektive Strategie sein. Doch auf lange Sicht tun sie der Demokratie nicht gut. Sie verstärken das Narrativ, das man Außenseiter permanent von der Macht ausschließen will." Viertens brauche es sie Mobilisierung aller Akteure der zivilen Gesellschaft für einen Schulterschluss zur Verteidigung der Demokratie. Liberaler, sozialdemokratischer und konservativer Kräfte müssten sich gleichermaßen dafür einsetzen. Denn die Demokratie sei mit seinen schützenswerten Freiheiten für ihre Bürger sei besser als jedes andere politische System der Welt.

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Text: / handwerksblatt.de

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