"Ganz ohne Bürokratie wird es nicht gehen. Ärgerlich sind bürokratische Auflagen aber dann, wenn sie keinen Nutzen bringen oder, noch schlimmer, Handwerksunternehmen zu bürokratischen Verrenkungen zwingen, da sie beispielsweise eigentlich auf Industriebetriebe zugeschnitten sind", sagt Herbert Dohrmann. (Foto: © Deutscher Fleischer-Verband)

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Sachargumente helfen nicht immer

Handwerkspolitik

Für den Präsidenten des Deutschen Fleischer-Verbands, Herbert Dohrmann, ist Bürokratie nicht per se schlecht, sondern erst dann, wenn sie keinen Nutzen bringt.

Herbert Dohrmann ist seit 2016 Präsident des Deutschen Fleischer-Verbands (DFV). Der Verband vertritt rund 13.000 Meisterbetriebe mit etwa 8.000 Filialen und 5.000 Verkaufsmobilen. Nach Angaben des DFV arbeiten mehr als 140.000 Menschen im deutschen Fleischerhandwerk. Dohrmann spricht mit dem Handwerksblatt über Bürokratiebelastungen, Fachkräftemangel und Wertschätzung tierischer Lebensmittel.

Handwerksblatt: Gerade im Lebensmittelhandwerk ist die Bürokratiebelastung ein sehr großes Thema. Was stört Sie besonders im betrieblichen Alltag?
Dohrmann: Vielleicht sollte ich hier zunächst mal eine Lanze für die Bürokratie brechen, denn an vielen Stellen machen Regeln wirklich Sinn. Und ganz ohne Bürokratie wird es nicht gehen. Ärgerlich sind bürokratische Auflagen aber dann, wenn sie keinen Nutzen bringen oder, noch schlimmer, Handwerksunternehmen zu bürokratischen Verrenkungen zwingen, da sie beispielsweise eigentlich auf Industriebetriebe zugeschnitten sind.

Handwerksblatt: Wie kann es denn sein, dass es immer wieder Gesetze gibt, die an der betrieblichen Praxis vorbeigehen?
Herbert Dohrmann hofft auf energischere Anstrengungen der Politik, um die Betriebe von Bürokratie zu entlasten. Foto: © Deutscher Fleischer-VerbandHerbert Dohrmann hofft auf energischere Anstrengungen der Politik, um die Betriebe von Bürokratie zu entlasten. Foto: © Deutscher Fleischer-VerbandDohrmann: Das geschieht meist dann, wenn der Gesetzgeber die betriebliche Praxis nicht kennt oder nicht zur Kenntnis nehmen will. Im ersteren Fall kann man als Verband gut Abhilfe durch Aufklärung schaffen, wie zum Beispiel kürzlich bei der neuen Kassensicherungsverordnung, die wirklich ausnahmslos alle Unternehmen des Fleischerhandwerks betreffen wird. Hier haben schon einige Gespräche und ein Ortstermin, den wir zusammen mit dem ZDH in Berlin organisiert haben, geholfen, unnötige, vor allem substantielle finanzielle Belastungen von den Betrieben abzuwenden. Unangenehm wird es dann, wenn Politiker praxisferne, weil ideologisch geprägte Regelungen durchdrücken wollen. Da ist dann in der Regel mit Sachargumenten kein Durchkommen mehr.

Handwerksblatt: Wird das vom Kabinett verabschiedete dritte Bürokratieentlastungsgesetz für die Fleischereiunternehmen spürbare Erleichterungen bringen?
Dohrmann: Das hoffen wir zumindest. Nach unserem Eindruck waren die bisherigen unternommenen Schritte aber noch nicht so kraftvoll und mutig, dass unsere Betriebe wirkliche Entlastungen gespürt haben.

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Handwerksblatt: Kann eine noch intensivere Interessenvertretung des Gesamthandwerks und der Fachverbände helfen, mehr der eigenen Anliegen durchzusetzen?
Dohrmann: Natürlich. Das Gesamthandwerk ist in Sachen Interessenvertretung wirklich gut aufgestellt, der ZDH leistet meines Erachtens sehr gute Arbeit. Die Verbände sind darüber hinaus ausgezeichnet in der Lage, die speziellen Fachthemen kompetent und in der Tiefe zu bearbeiten. Aus dieser Kombination ergibt sich die Leistungsfähigkeit unserer Organisation, deren Schlagkraft wir unbedingt erhalten sollten.

Handwerksblatt: Wie sehr spürt das Fleischerhandwerk den sich in vielen Bereichen verschärfenden Fachkräftemangel?
Dohrmann: Zunächst einmal stelle ich fest, dass im Moment alle nach Fachkräften suchen. Und es ist ja bei weitem nicht so, als hätten unsere Betriebe in diesem Bereich geschlafen, die wirtschaftliche Entwicklung verläuft für das Fleischerhandwerk seit Jahren positiv, mit den Umsätzen ist auch die personelle Ausstattung der Betriebe gewachsen. Aber eben auch deren Auslastung, weil wir längst nicht so viele Mitarbeiter finden, wie wir bräuchten.

Handwerksblatt: Was können die Betriebe tun, um ausreichend Nachwuchs für sich zu gewinnen?
Dohrmann: Sich dem intensiven Wettbewerb um die guten Azubis stellen und sich einen Ruf als guter Ausbilder und Arbeitgeber in der Region erarbeiten beziehungsweise erhalten. Es gibt auch bei uns noch einen großen Unterschied zwischen den Betrieben, die – trotz Azubimangel – immer noch ausreichend Leute finden und denjenigen, die dabei Schwierigkeiten haben. Die einen werben aktiv um Nachwuchs, investieren in Kommunikation und in die Qualität der Ausbildung, die anderen eher weniger. Unser Verband unterstützt beide, wir haben den Bereich Nachwuchswerbung in den letzten Jahren stark ausgebaut.

Handwerksblatt: Klimaschutz ist derzeit eins der wichtigsten Themen in Politik und Gesellschaft. Auch der Fleischkonsum spielt da mit rein. Sinkt der Absatz Ihrer Unternehmen, weil mehr Menschen auf Fleisch verzichten oder ist es eher umgekehrt, weil das Fleischerhandwerk die nachhaltigeren Produkte anbietet als beispielsweise Supermarktketten?
Dohrmann: Fakt ist: Die Geschäfte laufen für die meisten Unternehmen im Fleischerhandwerk wirklich gut, von Konsumzurückhaltung merken wir nichts. Und wir verfolgen natürlich die aktuellen gesellschaftlichen Debatten – übrigens nicht erst, seitdem sie so emotional und breit geführt werden, sondern im Rahmen unserer Leitbilddiskussion schon seit Jahren. Wir begrüßen in diesem Zusammenhang die kritische Auseinandersetzung mit tierischen Lebensmitteln, denn sie führt unserer Ansicht nach zu mehr Wertschätzung. Es ist auch nicht auszuschließen, dass im Zuge dieser Entwicklung mehr Menschen ins Fleischer-Fachgeschäft gehen, weil dort ihre Fragen eher beantwortet werden als im anonymen Supermarkt. Aus eigener Erfahrung kann ich Ihnen aber sagen, dass im täglichen Kundenkontakt der Klimaschutz und alles, was damit zusammenhängt, keine wirklich große Rolle spielen. Nachhaltigkeit, Regionalität und Vertrauen allerdings schon.

Die Fragen stellte Lars Otten

Text: / handwerksblatt.de

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