Land Rover Defender: Der Fels in der Brandung
Bis auf die hervorragenden Offroadqualitäten hat der Land Rover Defender nur noch wenig mit seinem Vorgänger gemeinsam. Der Brite eignet sich jetzt selbst für die Langstrecke. Was er sonst noch kann, zeigt der Praxistest mit dem dreitürigen Landy.
Seit mittlerweile über 70 Jahren zählt der Land Rover Defender unter den Geländewagen zu einer Ikone und besitzt eine große Fangemeinde. Nicht ohne Grund, denn im Gegensatz zu vielen SUVs, verfügt der Brite über kaufentscheidende Merkmale, die heutzutage allenfalls noch ein Jeep Wrangler oder etwa die Mercedes G-Klasse vorweisen können. Schließlich ist der Land Rover Defender ein Allradler durch und durch, der auf maximale Offroadeigenschaften getrimmt ist.
Dabei ist es ihm egal, ob geradeswegs knietiefer Schlamm oder sperriges Gehölz den Weg versperrt, für einen Defender ist das bedeutungslos, für ihn sind es keine unüberwindbaren Hindernisse. Seit Generationen wühlt er sich durch schwerstes Dickicht und nimmt auch anspruchsvollen Bergen und Hängen ihren Schrecken. 2016 war allerdings Schluss mit dem Defender. Der Landy zählte zum alten Eisen und die mittlerweile verschärften Sicherheits- und Umweltbestimmungen sorgten für das Ende des betagten Geländegängers.
Hochmodern und trotzdem ohne Verzicht
Harte Geländeeinsätze stellen den Defender vor kein Problem. Foto: © Land RoverDaher musste ein adäquater Nachfolger her, der 2020 in die altehrwürdigen Fußstapfen trat. Der heutige Defender übernimmt all die guten Gene und ist eine moderne Neuinterpretation. Und mit seiner gut zwei Meter hohen und kantigen Formensprache zeigt er wieder Präsenz. Doch statt starrem Leiterrahmen wie noch bei seinem legendären Vorgänger, kraxelt er nun mit selbsttragender Karosserie sowie zeitgemäßer Einzelradaufhängung durch die Prärie.
Selbstverständlich zählt beim Neuen auch eine enorme Bodenfreiheit sowie eine Geländeuntersetzung mitsamt diverser Sperrdifferenziale dazu. Bisherige Mankos des alten Modells wie der schlechte Fahrkomfort und die schwachen Fahrleistungen haben die Briten beim aktuellen Defender hingegen endgültig beseitigt. Somit empfiehlt sich der Defender nicht mehr nur einzig und allein für Dschungelärzte, Förster oder Jäger, sondern auch für jene Handwerker, die schon mal gerne ins Gelände gehen oder müssen. Hinzukommt eine hohe Anhängelast von 3,5 Tonnen, mit der sich der Landy außerdem noch als ideales Zugfahrzeug empfiehlt.
Jede Menge Sicherheit und Luxus
In das Cockpit (hier die Rechtslenkerversion) ist eine Menge Luxus eingezogen. Foto: © Land RoverInsgesamt präsentiert sich der Defender als vollkommen zeitgemäß. Für die Sicherheit sorgen neben dem permanenten Allradantrieb zudem reichlich Fahrerassistenten, die zuverlässig ihren Job erledigen. Angefangen beim adaptiven Tempomaten, über die vielen Kollisionswarner rundum bis hin zum üppig dimensionierten Head-up-Display. Gleichzeitig ist auch eine Menge Luxus in den Defender eingezogen. Unsere getestete Kurzversion 90 zeigt davon einiges – teils serienmäßig teils optional erhältlich. So sind die Sitze neben einer Heizfunktion auch kühlbar und mit gediegenem Leder bespannt, während einem das ebenfalls beheizbare Lenkrad im Winter die Hände wärmt.
Das noble wie gleichermaßen robust gemachte Interieur hinterlässt einen gefälligen Eindruck. Das moderne Multimediasystem Pivi Pro kann mit seinem zehn Zoll großen Touchscreen jedoch nicht ganz überzeugen. Es erfordert von seinem Fahrer eine Zeit der Eingewöhnung, da die Menüstruktur sich als verschachtelt erweist und teilwiese unlogisch aufgebaut ist. Hat man sich jedoch mit der eigenwilligen Bedienung angefreundet, lotst einen das Navi in Echtzeit-Routenführung zuverlässig ans Ziel, während die Smartphone-Integration über das bordeigene Wlan ebenfalls anständig gelingt.
Das Multimedia ist bestens vernetzt, der Touchscreen überfrachtet
Der Einstieg in den Fond des Dreitürers ist zwar umständlich, doch gibt es viel Platz. Foto: © Land RoverÜberhaupt ist das Entertainment bestens vernetzt. So lässt sich etwa der aktuelle Wetterbericht per Sprachbefehl abrufen, oder Musik über Online-Dienste streamen. Beindruckend ist auch das Hören von DAB-Radiosendern oder der eigenen Playlist, denn anschließend verwandelt das klanggewaltige Soundsystem von Meridian den Defender in einen rollenden Konzertsaal. Rund ums Cockpit gibt der Landy keine Rätsel auf, da es glücklicherweise noch genügend klassische Schalter und Drehregler gibt. Doch wirkt auch hier so manche Handhabung überfrachtet und unnötig kompliziert, da die Offroadprogramme im Touchscreen-Menü versteckt sind. Gleiches gilt für die Aktivierung der mittleren und hinteren Differenzialsperren. Ein direkter Zugriff über konventionelle Taster wäre einfach die bessere Lösung gewesen, auch wenn der Defender wahrscheinlich nicht ständig im Gelände, sondern zumeist auf asphaltierten Straßen unterwegs ist.
In seinem Innenraum bietet der nur knapp 4,60 Meter kurze Defender 90 seinen Gästen ordentlich Platz. Einzig der schmale Zugang in die zweite Reihe setzt ein gewisses Maß an Beweglichkeit voraus und das dahinterliegende Gepäckabteil fällt beim Dreitürer mit 297 bis maximal 1263 Liter recht übersichtlich aus. Wer mehr Stauraum benötigt, sollte daher gleich zum Defender 110 greifen. Der bietet auf einer Fahrzeuglänge von gut fünf Metern nicht nur zwei weitere Pforten für einen bequemeren Einstieg, sondern wartet mit einem Volumen von 786 bis maximal 1875 Litern auf. Das reicht beim längeren 110er auch locker für sperriges Gepäck, allerdings ist es mit den cityfreundlicheren Abmessungen des Defender 90 dann vorbei.
Ein sonorer Antrieb vom Feinsten
Der Landy hat das volle Geländepaket mit Untersetzungsgetriebe und elektronischen Sperren an Bord. Foto: © Land RoverDer im Testwagen verbaute Dreiliter-Diesel ist nun endlich die standesgemäße Motorisierung für den Defender und hat den anfangs noch angebotenen Vierzylinder-Selbstzünder längst abgelöst. Der Sechszylinder-Biturbo leistet 300 PS und verfügt schon aus dem Stand über ein souveränes Ansprechverhalten und reichlich Kraft. Dazu passt auch die Achtstufen-Automatik, die sanft aber auch flott durch ihr Achtgänge-Menü schaltet. Überhaupt erweist sich die Antriebskombination als eine gelungene und sehr harmonische Kombination.
Gehörschäden wie noch beim Vorgänger braucht im aktuellen Defender niemand mehr zu befürchten. Der gleichermaßen seidig wie sportlich klingende Reihensechszylinder bleibt selbst auf ausgiebigen Autobahnfahrten akustisch dezent im Hintergrund. Und die Windgeräusche halten sich auch bei hohem Tempo von über 180 km/h in den Tinnitus freien Grenzen. Logisch, dass der Land Rover dann aber auch einiges schluckt. Schließlich kommt seine opulente Aerodynamik auch eher einer massiven Schrankwand gleich. Daher waren es unter häufigem Vollgasanteil im Schnitt auch locker über 15 Liter Diesel. Wer es dagegen gemächlicher angeht, muss zum angegebenen WLTP-Normverbrauch von 8,6 Litern noch gut einen Liter mehr einkalkulieren. Was noch vertretbar ist.
Der Landy kann jetzt auch Langstrecke
Auf asphaltierten Straßen hat der komfortable Defender am meisten hinzugewonnen. Foto: © Land RoverDas entspannte Fahren bereitet mit dem Landy eine Menge Spaß. Mit der im Testwagen verbauten elektronisch geregelten Luftfederung federt der Defender selbst mit seinen 22 Zoll großen Alurädern noch sehr komfortabel. Zwar rufen die Briten für das optionale Fahrwerk fast 2200 Euro (alle Preise netto) auf, jedoch entpuppt sich der Aufpreis als eine lohnenswerte Investition. Das samtige Ansprechverhalten überrascht und ist seinem bockigen Vorgänger nicht mehr vergleichbar. Beim alten Modell musste man auf längeren Reisen noch um Rückenschmerzen bangen oder gar um seine lockereren Zahnfüllungen fürchten musste. Damit ist nun endgültig Schluss. Auch die Lenkung ist völlig in Ordnung. Sie spricht zwar etwas indirekt an und arbeitet mit großen Lenkwinkeln, doch informiert sie den Fahrer noch mitteilsam genug über den aktuellen Straßenzustand.
So hat der Land Rover Defender an den richtigen Stellen hinzugewonnen. Nun muss nur noch die Zeit zeigen, ob auch der Nachfolger das Zeug zu einer würdigen Ikone hat. Wir meinen ja, auf jeden Fall. Zumal der dreitürige Defender 90 D300 auch mit einem Einstiegspreis von 64.202 Euro zu den wenigen Sonderangeboten unter den Geländewagen zählt. Eine vergleichbare Mercedes G-Klasse kostet wesentlich mehr. Sie startet als G 350d mit 286 PS bei hohen 91.845 Euro. Zwar rollt der Schwabe schon serienmäßig mit fünf Türen an, viele weiteren Dinge, die der Defender bereits ab Werk mitbringt, müssen bei der G-Klasse jedoch noch als teure Extras hinzugeordert werden. Dagegen gilt selbst der lange Defender 110 in der Ausstattungsvariante S mit gerade einmal 69.244 Euro fast schon als ein Schnäppchen.
DHB jetzt auch digital!Einfach hier klicken und für das digitale DHB registrieren!
Text:
Guido Borck /
handwerksblatt.de
Kommentar schreiben