Der Traum vom Betriebsverkauf
Den Ruhestand finanziere ich auch mit dem Erlös aus dem Betriebsverkauf – so denken viele Handwerksunternehmer. Vorsicht! Das funktioniert häufig nicht, warnt ein erfahrener Betriebsberater.
Dieser Artikel gehört zum Themen-Special Altersvorsorge – was sich für Handwerker lohnt
Sie wissen nicht, wie hoch die laufenden Kosten im Rentenalter sein werden. Sie machen sich falsche Vorstellungen über den Wert ihres Betriebs. Sie unterschätzen die steuerlichen Folgen beim Betriebsverkauf. Hubert Kersting, Betriebsberater der Handwerkskammer Düsseldorf, erklärt im DHB-Interview, welche Fallstricke drohen, wenn Handwerksunternehmer davon träumen, ihren Lebensabend auch durch den Betriebsverkauf zu finanzieren: "Die Lebenserfahrung sagt leider: Wenn es mir nicht gelungen ist, eine ausreichende Altersversorgung in meinem Berufsleben aufzubauen, werde ich auch am Ende meines Unternehmerlebens mit keinem großen Verkaufserlös rechnen können."
DHB: Etliche Handwerksunternehmer wollen mit dem Erlös aus dem Betriebsverkauf zum Teil ihren Ruhestand finanzieren. Sie haben das einmal als "Traum" bezeichnet. Warum?
Kersting: Weil viele eine Idealvorstellung haben, die nichts mit der Wirklichkeit zu tun hat. Viele machen sich nicht klar, welche laufenden Kosten sie im Rentenalter haben – und wie lange das Geld reichen muss. Nach den offiziellen „Sterbetabellen“ lebt ein 65-Jähriger statistisch gesehen 17,5 Jahre, eine 65-Jährige sogar 20,7 Jahre. Wer jetzt 100.000 Euro zu einem – aktuell sicherlich unrealistisch hohen – Zinssatz von 2,5 Prozent auf die hohe Kante legt, darf bei 21 Jahren Laufzeit eine monatliche Rente von nur 508 Euro erwarten. Reicht das wirklich zum Leben?
DHB: Der Betrieb hat aber einen Gegenwert!
Kersting: Das ist zwar richtig. Aber ist der auch richtig kalkuliert? Jeder Verkäufer muss die Käufersicht einbeziehen. Käufer fragen sich: Kann ich mit dem zu übernehmenden Unternehmen meinen Lebensunterhalt, den Kaufpreis, die notwendigen Investitionen und einen Gewinn erwirtschaften? Außerdem muss der Verkäufer seinen Betrieb analysieren. Hilfreich ist es, wenn die vom Betrieb genutzte Immobilie Eigentum ist. Dann lassen sich Immobilie und Betrieb trennen – und die Vermietung der Betriebsräume sichert durch zukünftige Mietzahlungen einen Teil der Altersvorsorge.
DHB: Gibt es keine Betriebe, die durch einen Verkauf zumindest teilweise den Ruhestand finanzieren können?
Kersting: Natürlich, aber es kommt auf die Branche an. Für Unternehmen der Gesundheitshandwerke können im Einzelfall attraktive Kaufpreise fließen. Auch hochrentable handwerkliche Produzenten von Nischenprodukten mit internationalen Verbindungen sind für Investoren und andere Unternehmen attraktiv. Aber das Blatt kann sich schnell wenden. Technologischer Wandel, neue Gesetzgebungen können die Situation in den Gesundheitshandwerken schnell ändern, Mode und andere Trends lassen heute tolle Nischenprodukte morgen zu Ladenhütern werden.
DHB: Wenn Handwerksunternehmer mit illusorischen Vorstellungen über den Wert ihres Betriebes agieren – woher können sie denn eine realistische Werteinschätzung bekommen?
Kersting: Das ist eine Daueraufgabe für die Betriebsberatung der Handwerkskammern. Ich selbst gehöre zum Arbeitskreis wertermittelnder Betriebsberater beim Zentralverband des Deutschen Handwerks, der einen Standard erarbeitet hat. Wir analysieren Daten aus der Vergangenheit und können daraus den möglichen Unternehmenswert abschätzen. Zudem sind wir häufig in den Finanzierungsprozess von Nachfolgen eingebunden und nutzen auch diese Erfahrungen.
Hubert Kersting, Betriebsberater der Handwerkskammer Düsseldorf. Foto: © Hans-Jürgen Bauer DHB: Welche steuerlichen Folgen müssen Handwerksunternehmer beim Betriebsverkauf bedenken?
Kersting: Keiner sollte die ertragssteuerlichen Fragen, also Einkommen-, Gewerbe-, Körperschaftssteuer, unterschätzen. Grundsätzlich ist die Betriebsaufgabe steuerlich begünstigt, aber zu jeder Nachfolgelösung gehört eine steuerrechtliche Prüfung, welche Lösungen welche Steuerbelastungen mit sich bringen.
DHB: Was kann ich aktiv unternehmen, damit mein Betrieb für potenzielle Käufer interessant wird?
Kersting: Hier gilt eine einfache Regel: Erfolgreiche Unternehmen finden eher einen Käufer. Erfolgreich heißt: Das Unternehmen schreibt gegenwärtig gute Zahlen – und lässt dies auch für die Zukunft erwarten.
DHB: Wenn deutlich wird, dass der Betriebsverkauf allein nicht reicht, wie kann ich dann meinen Ruhestand finanzieren?
Kersting: Die Lebenserfahrung sagt leider: Wenn es mir nicht gelungen ist, eine ausreichende Altersversorgung in meinem Berufsleben aufzubauen, werde ich auch am Ende meines Unternehmerlebens mit keinem großen Verkaufserlös rechnen können. Also muss der Handwerksunternehmer seinen kaufmännischen Blick schärfen. Wer beständig das Ohr am Kunden hat, mit engagierten und motivierten Mitarbeiter zusammenarbeitet und die betriebswirtschaftlichen Zusammenhänge im Blick hat, erwirtschaftet häufig mehr, als er für den laufenden Lebensunterhalt braucht. Dieses Plus kann jeder zielgerichtet innerhalb und außerhalb des Betriebes investieren und so weiteres Vermögen aufbauen. Erfolgreichen Unternehmern ist es gelungen, Wohneigentum oder Betriebseigentum zu erwerben oder weitere Vermögenwerte zu schaffen. Häufig haben sie dann auch noch weiterhin in die gesetzliche Rentenversicherung eingezahlt.
Auch die Unternehmensformen spielte eine Rolle beim Betriebsverkauf
Einzelunternehmen: Hier wird üblicherweise das Betriebsinventar, der Warenbestand und möglicherweise ein Geschäftswert verkauft. Die Mitarbeiter gehen mit allen Rechten zum Nachfolger über. Die Gewährleistungen, aber auch die Betriebsprüfungsrisiken wie Steuer und Sozialversicherung verbleiben beim abgebenden Unternehmer. Der Nachfolger beginnt mit Ausnahme der Mitarbeiter ganz von vorn.
GmbH: Anders verhält es sich bei der Übernahme von GmbH-Anteilen. Alle Rechte und Pflichten sind an die juristische Person, also die GmbH selbst, gebunden. Die zu übernehmenden Risiken versucht man im Vorfeld abzuschätzen. Das übernehmen oft Anwälte und Wirtschaftsprüfer, es wird neudeutsch "Due Diligence" genannt. Im anschließenden Vertrag werden die notwendigen Regelungen mit entsprechenden Klauseln berücksichtigt.
Zur Person Hubert Kersting
Hubert Kersting ist seit 1984 Unternehmensberater beim Handwerkszentrum Ruhr der Handwerkskammer Düsseldorf in Oberhausen. Er hat jährlich über 100 Unternehmen in der Nachfolgeberatung. Weitere Schwerpunkte seiner Arbeit sind Krisenberatung, Finanzierung und Controlling. Der Diplom-Volkswirt ist Mitglied bei der beim ZDH angesiedelten Arbeitsgemeinschaft der Wert ermittelnden Betriebsberater im Handwerk (AWH). Er hat seit 2012 einen Lehrauftrag bei der Hochschule Koblenz für Gründungs- und Nachfolgemanagement.
Das Interview führte Ulrike Lotze
Text:
Ulrike Lotze /
handwerksblatt.de
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