Wenn Zeit dazu ist, tüftelt der Unternehmer und Tischler Mohrbacher-Öztürk gerne an neuen Erfindungen.

Wenn Zeit dazu ist, tüftelt der Unternehmer und Tischler Mohrbacher-Öztürk gerne an neuen Erfindungen. (Foto: © Andreas Buck)

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Die Kreissäge stoppt beim Würstchen

Innovationsfreude: Dünyamin Mohrbacher-Öztürk macht das Arbeiten im Tischlerhandwerk sicherer.

"Ich habe mir selbst einmal an der Tischkreissäge in den Finger geschnitten", erzählt der Tischler Dünyamin Mohrbacher-Öztürk und streckt den linken Daumen hoch. Der Gelsenkirchener Unternehmer hat Glück gehabt: Die Verletzung heilte weitgehend; er kann Daumen und Hand immer noch voll bewegen. Die Maschinen, mit denen Tischler weltweit arbeiten, findet er seitdem aber verbesserungsbedürftig. So entwickelte er auf eigene Faust einen Mechanismus für sicheres Arbeiten an der Säge.

In der Industrie laufe viel verkehrt, hält Mohrbacher-Öztürk den Großanbietern entgegen. Da werde nicht für Leute an der Front produziert, sondern ohne Kontakt zur Praxis Produkte entworfen. "Unperfektes fällt mir auf, und wenn mich etwas stört, ändere ich das." Sein Bestreben sei es, Einfachheit und Genialität zu verbinden.

Sobald die Wurst an das Metall kommt, steht die Säge still

Der Mechanismus, den der Handwerksunternehmer erfand und über vier Jahre ausfeilte, stoppt die Kreissäge in Millisekunden, sobald ein Fingerglied mit den rotierenden Sägezähnen in Berührung kommt. Als Demonstration schiebt Mohrbacher-Öztürk ein Würstchen auf die kreischende Säge zu. Sobald die Wurst an das Metall kommt, steht die Säge still. Die Wurst ist nur ein wenig angeritzt. Wäre sie ein Fingerglied, so wäre lediglich eine Hautwunde entstanden und das tieferliegende Gewebe verschont geblieben.

Zitat "Ich habe viel Glück gehabt, weil ich ehrlich und gerade war, wie mein sehr religiöser Vater es mich gelehrt hat." Dünyamin Mohrbacher-Öztürk, Tischer und UnternehmerErst habe er versucht, die Idee der deutschen Industrie vorzustellen, den drei bis vier großen Herstellern von Tischkreissägen, aber da sei null Resonanz gekommen – "totale Ablehnung", wie Mohrbacher-Özürk erfuhr. Er blieb dran: "Zur Verbesserung des Arbeitsschutzes an der Kreissäge tüftelte ich ohne Unterstützung durch die Industrie vor mich hin und versuchte dieses und jenes, musste mich in Techniken einlesen, die ein 'Holzwurm' gar nicht kann, und mir Rat von Freunden beschaffen. Am Ende habe ich es geschafft: Die Maschine sägt in Sekundenbruchteilen nicht mehr, wenn ein Körperglied zu nah kommt."

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Mit der Innovation wandte er sich erneut an Sägenfabrikanten. Das Interesse, sich die Erfindung zumindest anzusehen, blieb mau, gerade zu Coronazeiten. Mohrbacher-Öztürk hofft weiter, dass die Idee aufgegriffen wird, "damit wir weltweit einen Schutz für die Tischlerkollegen herstellen, für mehr Sicherheit an der Maschine."

Durch Zufall zur Ausbildung Tischler

Durchhalten entgegen aller Widrigkeiten, das hat der 52-Jährige von früh auf gelernt. Seine Vita ist zugleich eine Integrationsgeschichte mit Hilfe des Handwerks. Als seine Eltern aus der Türkei als Gastarbeiter ins Ruhrgebiet kamen, stand für Sohn Dünyamin in den ersten Schuljahren das Lernen der deutschen Sprache an. Es gab eine Empfehlung für die Hauptschule. Nach dem eher schwachen Abschluss wollte er eigentlich wie der Vater in den Bergbau gehen, aber seine Schwester empfahl eine Lehre als Anlagenmechaniker für Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik, was jedoch nicht klappte. Eher zufällig über das damalige Arbeitsamt landete er in einer Ausbildung als Tischler.

"Das war das Beste, was mir passieren konnte", weiß der heutige Inhaber der Tischlerei T-WeMo zu schätzen. Von seinem damaligen Ausbildungsbetrieb erhielt er als Jugendlicher intensive Unterstützung auf dem Weg zur Gesellenprüfung. Als fertige Fachkraft wurde er irgendwann für längere Zeit arbeitslos und entschied sich schließlich für eine Existenzgründung mit Ausübungsberechtigung als Weg zurück in den Beruf.

Durchbruch mit Auftrag in Mekka

Erster Auftrag war der Bau von Bambusmöbeln. Dann suchte eine größere Tischlerei einen Kooperationsbetrieb von jemandem, der "wie ein Deutscher denkt, aber den muslimischen Glauben hat." So baute Mohrbacher-Öztürk die Inneneinrichtung des berühmten "Clock Tower Hotel" in Mekka in Saudi-Arabien ein. Das war der Durchbruch. Seine heutige Werkstatt nimmt einen Raum von 2.200 Quadratmetern ein. An die 30 Jugendliche hat er bislang erfolgreich ausgebildet.

"Ich habe viel Glück gehabt", denkt der Tischler rückblickend, "weil ich ehrlich und gerade war, wie mein sehr religiöser Vater es mich gelehrt hat." Bald stehe die Einarbeitung der nachfolgenden Generation an. Dann bleibe endlich mehr Zeit, sich um die Erfindungen zu kümmern. Ideen habe er schon viele gehabt, betont Mohrbacher-Öztürk, etwa eine für das Tischlerhandwerk optimierte Arbeitshose, einen Spezialtransporter für Handwerker und den Anti-Crash-Stopp für Kantenanleimmaschinen, der Unfällen vorbeugt.

Filmtipp

Mohrbacher-Öztürk demonstriert, wie die rotierende Kreissäge stehen bleibt, wenn statt eines Fingers ein Würstchen damit in Kontakt kommt.

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Text: / handwerksblatt.de

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