Kein Schadensersatz trotz Sturz auf löchrigem Malervlies
Wer auf einer Baustelle über ein löchriges Malervlies stürzt, kann keinen Schadensersatz verlangen, wenn er einen anderen Weg nehmen konnte. Das offensichtliche Risiko muss er allein tragen, entschied das Oberlandesgericht Nürnberg.
Dieser Artikel gehört zum Themen-Special Arbeitsunfälle und die Folgen
Weil er sehenden Auges ein gut erkennbares Risiko einging, erhält ein Verletzter nach einem Unfall auf einer Baustelle keinen Schadensersatz oder Schmerzensgeld. Nach Abwägung zwischen den Verkehrssicherungspflichten der Verantwortlichen und dessen eigenem Anteil sah das Oberlandesgericht Nürnberg die Schuld nur beim Verletzten selbst.
Der Fall
Bei Bauarbeiten an einem Mietshaus lag auf der Treppe seit mehreren Wochen ein Malervlies, das mittlerweile ziemlich strapaziert und löchrig war. Ein Fahrdienst war Mieter in dem Haus. Der bauleitende Architekt hatte allen Mietern mitgeteilt, dass sie die Treppe meiden und den Hintereingang nutzen sollten. Diese Anweisung gab die Firma an ihre Mitarbeiter weiter. Doch ein Fahrer ignorierte sie und lief immer über die Treppe. Bis er an einem Loch im Malervlies hängenblieb und stürzte. Wegen seiner Verletzungen verklagte er Hauseigentümer und Architekt auf Schadensersatz sowie 30.000 Euro Schmerzensgeld.
Die Entscheidung
Das Oberlandesgericht (OLG) Nürnberg wies seine Klage ab. Ausnahmsweise müsse hier der Verletzte den Schaden alleine tragen, erklärten die Richter. Denn der Fahrer sei "sehenden Auges ein für jedermann erkennbares Risiko eingegangen". Den Zustand des Malervlieses habe jeder sehen können. Der Fahrer sei mehrmals täglich dort aus- und eingegangen und habe das offenkundige Risiko gekannt. Der Mann hätte dem leicht ausweichen können, wenn er den Hintereingang genutzt hätte. "Damit hat der Kläger die Sorgfalt außer Acht gelassen, die ein verständiger Mensch im eigenen Interesse aufwendet, um sich vor einem Schaden zu bewahren", so das OLG wörtlich.
Verletzter hätte anderen Weg nehmen sollen
Zwar treffe Bauherrn, Architekt und Malerfirma jeweils eine Verkehrssicherungspflicht für die Baustelle und sie hätten das Malervlies austauschen müssen. Aber da es sich hier um eine offenkundige Gefahr handelte, vor der man sich durch Vorsicht ohne Weiteres selbst hätte schützen können, dürften Benutzer hier keine besonderen Sicherheitsmaßnahmen erwarten.
Das Verschulden der anderen sei hier "so gering, dass der erhebliche Sorgfaltsverstoß des Klägers als nahezu alleinursächlich zu werten ist", betonte das OLG. "In Abwägung der vorgenannten Umstände hat der Kläger keinen Anspruch auf Schmerzensgeld, da er nahezu allein seinen Sturz verursacht hat."
Oberlandesgericht Nürnberg, Beschluss vom 10. März 2023, Az. 3 U 3080/22
Arbeitssicherheit Sturz beim Kaffeeholen ist Arbeitsunfall > hier mehr lesen!DHB jetzt auch digital!Einfach hier klicken und für das digitale DHB registrieren!
Text:
Anne Kieserling /
handwerksblatt.de
Kommentar schreiben