Vier Gründe, warum Arbeitsunfälle häufig nicht gemeldet werden
Wenn nichts Schlimmes passiert ist, werden Arbeitsunfälle häufig unter den Teppich gekehrt. Ein Experte schildert die Gründe und was der Betrieb dagegen tun kann.
Dieser Artikel gehört zum Themen-Special Arbeitsunfälle und die Folgen
Schon eine kleine Unachtsamkeit am Arbeitsplatz kann ausreichen, um einen Unfall zu verursachen. Viel zu wenige Arbeitnehmer sehen es dann als selbstverständlich an, den Arbeitsunfall bei ihrem Vorgesetzten zu melden – aus verschiedenen Gründen.
"Wenn nichts Schlimmes passiert ist, werden Unfälle häufig unter den Teppich gekehrt", weiß Sicherheitsingenieur Stefan Ganzke. "In aller Regel ist das falsche Safety Mindset für die Nichtmeldung verantwortlich: Dem Arbeitnehmer ist es oftmals unangenehm, er will keine Umstände machen, weil durch die Meldung und alles, was danach folgt, auch Zeit für die Arbeit im Handwerk verloren geht. "Immer wieder erlebe ich leider auch, dass Angst vor Konsequenzen ein Grund ist." Hier verrät der Experte vier Gründe, warum Arbeitsunfälle nicht gemeldet werden und was Betriebe dagegen tun können.
1. Veraltete Glaubenssätze
Obwohl grundsätzlich jeder Arbeitsunfall gemeldet werden muss, geschieht das in vielen Unternehmen nicht. Gerade bei Bagatellunfällen werden in den Betrieben sehr oft hohe Dunkelziffern vorhanden sein. Leider führt ein Nichtmelden von Arbeitsunfällen auch dazu, dass keine Auswertung erfolgen kann und somit eine Wiederholung möglich ist. Häufig liegt diese Entscheidung in der Tatsache begründet, dass Mitarbeiter veraltete Glaubenssätze haben. Ganz nach dem Motto "Ein Indianer kennt keinen Schmerz", spielen sie Unfälle herunter, anstatt sie zu melden.
Entsprechend wichtig ist es, dass Unternehmen sich frühzeitig darum bemühen, an der Einstellung ihrer Mitarbeiter zu arbeiten. Das Ziel sollte ein Safety Mindset sein, durch das das Personal motiviert ist, Unfälle zu melden. Dabei helfen zum Beispiel Workshops, in denen konkret mit Führungskräften und Mitarbeitern an dieser Einstellung gearbeitet wird.
2. Aufwändige Meldeketten
In vielen Betrieben sind die Meldeketten für Vorgesetzte und Mitarbeiter sehr aufwändig. In der Folge verzichten sie gerne darauf, Arbeitsunfälle zu melden – und sei es nur, um im stressigen Arbeitsalltag Zeit zu sparen.
Hier sollten Betriebe darauf achten, die Meldewege möglichst simpel zu halten. Oft lohnt es sich zum Beispiel, eine entsprechende App oder spezielle Software zu implementieren, über die Unfälle in Sekundenschnelle gemeldet werden können. Wichtig ist, dass der Analyseprozess keine unverhältnismäßigen Ausmaße annimmt. So macht es zum Beispiel keinen Sinn, einen kleinen Schnitt mit Papier gleich zu behandeln wie einen abgetrennten Finger durch eine Säge oder eine Quetschung der Hand durch eine Presse.
3. Arbeitsrechtliche Konsequenzen
In vielen Betrieben ist es leider noch immer gang und gäbe, unsicheres Verhalten zu sanktionieren, indem zum Beispiel mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen gedroht wird. In der Folge werden Unfälle gerne unter den Teppich gekehrt, weil niemand dafür bestraft werden möchte.
Stattdessen sollten Betriebe lieber eine offene Fehlerkultur anstreben, in der das Personal ohne Angst über unsichere Verhaltensweisen sprechen kann. Eine Abmahnung sollte immer der letzte Schritt in einer Reihe von Maßnahmen sein.
4. Null-Unfall-Ziele
Viele Betriebe setzen auf sogenannte Null-Unfall-Ziele, die darauf aufbauen, dass die Mitarbeiter bei Zielerreichung eine Prämie erhalten. In der Folge werden Unfälle lieber vertuscht, als sie zu melden – schließlich wäre andernfalls die Prämie weg. Außerdem möchten nur die wenigsten Mitarbeiter ihre Kollegen in Bedrängnis bringen. Dadurch entsteht ein enormer Druck, der im schlimmsten Fall dazu führt, dass sich die Arbeitnehmer komplett mit dem Thema Arbeitsschutz alleingelassen fühlen.
Besser wäre es, auf sinnvolle Ziele zu setzen, die auch durch einzelne Personen unabhängig von Umgebungseinflüssen erreicht werden können – so zum Beispiel die Planung einer gewissen Zahl an Begehungen, Unterweisungen oder Sicherheitsgesprächen.
Quelle: Wandelwerker
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Text:
Anne Kieserling /
handwerksblatt.de
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