Prof. Dr. Holger Wassermann ist auch Geschäftsführer der M&A-Beratung Intagus GmbH. Dadurch verbindet er die wissenschaftliche Analyse mit Praxiserfahrung.

Prof. Dr. Holger Wassermann ist auch Geschäftsführer der M&A-Beratung Intagus GmbH. Dadurch verbindet er die wissenschaftliche Analyse mit Praxiserfahrung. (Foto: © Intagus GmbH)

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Interview: Nachfolgen im Handwerk immer größer

Prof. Dr. Holger Wassermann von der FOM Hochschule über Nachfolgen im Handwerk, den Trend zu immer größeren Übernahmen und warum Betriebe auch kurz vor der Übergabe unbedingt noch ausbilden und investieren sollten.

Auch in turbulenten Zeiten ist und bleibt Nachfolge eine der größten Baustellen für das Handwerk. Wer will, dass sein Betrieb in Zukunft weiterlebt, muss sich sofort kümmern, sagt Professor Dr. Holger Wassermann von der FOM Hochschule und wissenschaftlicher Leiter des jährlich erscheinenden Nachfolgemonitors der Bürgschaftsbanken, Creditreform und der FOM. In diesem Jahr gibt es erstmals eine Sonderauswertung für das Handwerk

Den Bericht zum Nachfolgemonitor Handwerk ➨➨ finden Sie hier 

DHB: Der Nachfolgemonitor zeigt, dass es im Handwerk einen klaren Trend zu größeren Nachfolgen gibt. Wie erklären Sie sich diese Entwicklung?
Foto: © Intagus GmbHFoto: © Intagus GmbHHolger Wassermann:
Der wesentliche Hintergrund ist der demografische Wandel. Es gibt in allen Bereichen eine Diskrepanz zwischen älteren und jüngeren Leuten. Das Handwerk merkt das bei der Rekrutierung von Auszubildenden, bei der Suche nach neuen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und das betrifft auch die Nachfolge. Jetzt ist die Zeit, in der die Babyboomer-Generation abtritt und immer weniger junge Menschen nachkommen, die eine Nachfolge antreten könnten. Dieser Fakt kommt auch bei den Jüngeren an. Sie sind sich sehr bewusst, dass sie das rare Gut sind. Dass sie sich aussuchen können, welche Firma sie übernehmen. Typischerweise schaut sich ein Nachfolger über zehn Firmen an. Die alte Vorstellung vieler Unternehmerinnen und Unternehmer, dass sie sich ihre Nachfolgerin oder ihren Nachfolger aussuchen, ist überholt. Und die Nachfolger entscheiden sich heute lieber für eine größere Firma, die mehr Sicherheit bietet. Je kleiner die Firma ist, umso eher ist sie von der Persönlichkeit des Inhabers abhängig. Das Risiko ist daher größer, dass alles in sich zusammenbricht, wenn der alte Chef nicht mehr da ist. Bei einer größeren Unternehmung ist die Verantwortung auf verschiedene Köpfen verteilt. Die Kompetenzen sind noch da, es gibt so etwas wie eine Abteilungsstruktur, vielleicht sogar mehrere Meister. Umso sicherer ist das Fortbestehen. Das ist ja nicht nur im Interesse des Übernehmenden, sondern auch des Übergebenden. Diese Entwicklung sehen wir nicht nur im Handwerk, sondern in allen Bereichen.

DHB: Wie groß sind die Unternehmen, die übergeben werden im Schnitt?
Holger Wassermann:
Der durchschnittliche Jahresumsatz der übernommenen Handwerksunternehmen steigt seit Jahren stetig an und liegt inzwischen deutlich über zwei Millionen Euro.

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DHB: Was bedeutet das für Unternehmerinnen und Unternehmer, bei denen die Übergabe in den nächsten fünf bis zehn Jahren ansteht?
Holger Wassermann:
Wir raten dringend, sich weiterhin um Wachstum zu bemühen. Das steigert die Chance, dass eine Nachfolge gelingt, beachtlich. Die Firma wird nicht nur deutlich attraktiver für Käufer, sondern auch für andere Unternehmen. Betriebsübernahmen erfolgen nicht nur durch Existenzgründer, sondern vermehrt durch andere Unternehmen. Und auch da ist es aufwendiger, einen Betrieb mit drei Beschäftigten zu integrieren als einen größeren. Es geht heute in erster Linie nicht mehr darum, den Kundenstamm zuzukaufen. Es geht darum, die Mitarbeiter zu bekommen.

DHB: Wenn der Unternehmenszukauf als Instrument der Mitarbeitergewinnung immer bedeutsamer wird, heißt das ja, dass es auch im Handwerk in Zukunft immer mehr größere Betriebe geben wird?
Holger Wassermann:
Wir erleben auch im Handwerk einen Konsolidierungsprozess. Die Hoffnung ist, dass das Handwerk seine mittelständischen Charakterzüge behält. Das hängt sehr an der Gestaltung der Gruppe. Es macht einen Unterschied, ob die Betriebe erhalten bleiben oder ob alles in einer großen Unternehmung verschmilzt. Es ist schon sehr wichtig für Deutschland, dass die mittelständische Prägung erhalten bleibt und wir nicht zu einem Land von Großkonzernen werden.

In welchen Branchen gab es zuletzt ein besonders reges Nachfolgegeschehen?
Holger Wassermann:
Für den Nachfolgemonitor werten wir die Datenbanken der Bürgschaftsbanken aus. Die sind im Übergabeprozess die Partner der Übernehmenden. Hier bildet der Bereich Gas, Wasser und Heizung die größte Gruppe. Außerdem gibt es viele Übergaben bei Elektrikern, Kfz-Betrieben und Friseuren. Das sind auch die vier größten Gruppen im Handwerksmonitor. Dort stellen wir unter anderem die Umsatzentwicklung vor und nach der Übergabe gegenüber. Das soll auch den Übergebenden die Sorge nehmen, dass ihr Betrieb danach nicht mehr läuft. Natürlich gelingt nicht jede Übergabe. Die meisten aber doch und einige auch bravourös. Es gibt nicht wenige Jungunternehmerinnen und -unternehmer, die den Umsatz verdoppeln oder verdreifachen.

DHB: Welchen Einfluss hatte beziehungsweise hat Corona auf das Nachfolgegeschehen im Handwerk und was bedeutet das für Betriebsinhaber jenseits der 50?
Holger Wassermann:
Laut den Zahlen des Statistischen Bundesamtes sind die Existenzgründungen und Nachfolgen im Jahr 2020 eingebrochen. Anhand der Daten der Bürgschaftsbanken haben wir allerdings keinen pandemiebedingten Einbruch bei den Unternehmensnachfolgen erkennen können. Das heißt, dass die Bürgschaftsbanken den Nachfolgern auch während Corona als Fels in der Brandung zur Seite standen. Aber natürlich geht man ein großes Projekt wie eine Unternehmensnachfolge, bei der es auch um viel Geld geht, eher nicht in so einer Krisensituation an. 2021 sehen wir mit einem Plus von 20 Prozent deutlich mehr Nachfolgen. Davon wird sicher auch ein Teil ein Nachholeffekt sein. Solche externen Schocks wie Corona oder  der Ukraine-Krieg machen es für die Übergebenden natürlich nicht leichter. Deshalb gilt für alle, die sich fragen, wann sie die Übergabe planen sollen: Sofort! Es wird die nächsten Jahre nur noch schlimmer. Im Jahr 2030 wird der demografische Peak erreicht. Dann haben wir in Deutschland mehr über 65-Jährige als unter 20-Jährige.

DHB: Sie raten Betrieben, die unmittelbar vor der Übergabe stehen, noch auszubilden, warum?
Holger Wassermann:
Es geht dabei nicht unbedingt um potenzielle Nachfolgerinnen und Nachfolger, sondern darum, das Durchschnittsalter der Belegschaft zu senken. Wenn sich ein Gründer oder ein anderer Betrieb für die Firma interessiert, dann liegt das Durchschnittsalter eben nicht bei 58. Außerdem bringen die jungen Leute frischen Wind und neue Ideen mit. Ein großes Digitalisierungsprojekt kurz vor der Übergabe macht allerdings keinen Sinn, weil der Käufer entweder etablierte Prozesse sehen will oder bei einem Firmenzukauf sein eigenes System einführen möchte. Das macht nur Sinn, wenn die Übergabe erst in ein paar Jahren ansteht.

DHB: Der Altersschwerpunkt der Übernehmenden im Handwerk liegt laut Ihrer Untersuchung bei 37 Jahren. Es gibt aber zunehmend auch deutlich ältere Nachfolger...
Holger Wassermann:
Dies könnte ebenfalls ein Hinweis darauf sein, dass der Käufer bereits ein anderes Unternehmen besitzt und die Übernahme einen Zukauf innerhalb derselben Branche darstellt. Bei Übergaben innerhalb der Familie gibt es mittlerweile eine riesige Lücke. Nur noch etwa jedes zweite mittelständische Unternehmen wird innerhalb der Familie übergeben. Das hat verschiedene Gründe. Sei es, dass die Eltern zuhause immer klagen, wie anstrengend es ist, selbstständig zu sein, oder dass die Kinder einen anderen Karriereweg einschlagen.

DHB: Dabei zeigt sich doch angesichts von Themen wie Klima- und Energiewende oder Digitalisierung wie gefragt und zukunftsträchtig das Handwerk ist.
Holger Wassermann:
Eigentlich müsste ein Unternehmensverkauf in der aktuellen Situation mit Vollauslastung super funktionieren. Dass man in einer solchen Situation nur schwer einen Nachfolger findet, damit hat wohl keiner gerechnet. Die Betriebe, die an diesen Zukunftsthemen arbeiten, dürften insgesamt weniger Schwierigkeiten haben, wenn sie denn einigermaßen groß und attraktiv sind. Ein Problem ist aber auch, dass die Themen Selbstständigkeit und Nachfolge an den Hochschulen oftmals gar nicht thematisiert werden. Viele Ingenieure wissen gar nicht, dass sie einen Handwerksbetrieb übernehmen können und wie modern die Betriebe heute sind. Da ist noch viel Potenzial. Dazu kommt, dass die Gründer viel besser über ihre Chancen und Risiken informiert sind als noch vor 30 Jahren. Wir haben insgesamt zu viele Manager und zu wenige Unternehmer. Das Thema Sicherheit spielt bei Meisterschülern und bei Studierenden eine zentrale Rolle.

DHB: Könnte eine Nachfolge im Team eine Alternative sein?
Holger Wassermann:
Wir empfehlen in unserer Beratungspraxis regelmäßig die Nachfolge zu zweit oder zu dritt. Dann können sich die Gründer gegenseitig entlasten, vertreten und ihre Kompetenzen kombinieren. Nur etwa 15 oder 20 Prozent der Nachfolgen erfolgen in Teams. Das ist ein Modell, das man auf jeden Fall mehr bewerben sollte.  

DHB: Der Frauenanteil bei der Nachfolge ist im Handwerk nach wie vor gering.
Holger Wassermann:
Nur 16 Prozent der Übernehmenden im Handwerk sind Frauen, im Vergleich zu 22 Prozent in der Gesamtwirtschaft. Wir sehen dabei aber auch, dass Übernahmen durch Frauen in der Regel aber erfolgreicher verlaufen. Das Wachstum von Umsatz und Gewinn ist vielleicht nicht so groß, dafür aber stabiler. Auch hier gibt es noch viel Luft nach oben.

Das Interview führte Kirsten Freund.

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Text: / handwerksblatt.de

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