Unternehmensnachfolge: Die Babyboomer treten (nur) langsam ab
Das Durchschnittsalter bei der Unternehmensübergabe steigt und liegt aktuell bei 61 Jahren. "Diese Entwicklung ist mit Sorge zu betrachten", so Prof. Dr. Holger Wassermann bei der Vorstellung des Nachfolgemonitors 2023. Die Gründe dafür sind vielfältig.
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Eine Folge der alternden Gesellschaft ist auch, dass immer mehr Unternehmerinnen und Unternehmer eine Nachfolgelösung suchen - sei es in der Familie, im Betrieb oder extern. Da die Zahl der potenziellen Nachfolger aber eher abnimmt - auch weil viele eine Neugründung bevorzugen -, werden die Übergeber aus der Babyboomer-Generation auf dem Weg zu einer gelungenen Betriebsübergabe immer älter. 61 ist aktuell das Durchschnittsalter. 2021 lag es noch bei 58 Jahren. "Diese Entwicklung ist mit Sorge zu betrachten", sagt der wissenschaftliche Leiter des Nachfolgemonitors 2023, Prof. Dr. Holger Wassermann von der FOM Hochschule.
Jeder siebte Übergebende ist sogar 70 Jahre und älter. Gründe hierfür können in der Nicht-Verfügbarkeit von Nachfolgern und der Schwierigkeit des "Loslassens" vieler Unternehmer und Unternehmerinnen gesehen werden, so Wassermann. Ein weiterer Grund könne sein, dass es zuvor missglückte Nachfolgeversuche gab, die zu einem Zeitverlust geführt haben.
Prof. Dr. Holger Wassermann Foto: © Intagus GmbHVor allem für Einzelunternehmen scheint es immer schwieriger zu werden, einen Nachfolger oder eine Nachfolgerin zu finden. Der Anteil der Übernahmen von Kapitalgesellschaften (insbesondere GmbH) steigt stetig an und hat in 2022 den Anteil der Einzelunternehmen erstmals übertroffen, heißt es in der Studie. Und dass, obwohl der Bestand dieser Klasse von Rechtsformen 2021 nur bei 23 Prozent lag. Die Autoren der Studie begründen das damit, dass eine zu große Inhaberabhängigkeit ein typischer Grund dafür sei, dass keine Nachfolgelösung gefunden wird.
➔➔ Lesen Sie hier ein Interview mit Prof. Dr. Holger Wassermann zum Thema Nachfolge im Handwerk
Häufig wird der Umsatz des Vorgängers vom Nachfolger übertroffen
Es gibt aber auch gute Nachrichten: Fast zwei Drittel der Unternehmen erreichen nach der Übernahme das ursprüngliche Umsatzniveau oder übertreffen es sogar. "Dies zeigt, dass Unternehmensnachfolgen das Wachstumspotenzial stützen, Arbeitsplätze sichern und zur Wettbewerbsfähigkeit beitragen können", erläutert Dr. Michael Munsch, Vorstand der Creditreform Rating AG bei der Vorstellung des Nachfolgemonitors, der auf Daten von Creditreform und der Bürgschaftsbanken basiert. "Die Bürgschaftsbanken spielen bei der Nachfolge eine besondere Rolle", betonte Munsch. "Sie können bei der Finanzierung der Übernahme stabilisierend wirken – auch im Hinblick auf die bei vielen Unternehmen anstehende doppelte Transformation, hin zu verstärkter Digitalisierung und Nachhaltigkeit."
56 Prozent der Unternehmen verzeichnen in den drei Jahren vor der Übergabe allerdings rückläufige Gewinne. Es gibt häufig Investitionsstaus während der Vorbereitung des Übergabeprozesses - etwa bei Marketing, Controlling und Digitalisierung, was mit dem steigenden Alter der Übergebenden zusammenhängen dürfte. Für die Suche nach Übernehmenden seien sinkende Gewinne sicherlich nicht vorteilhaft, schreiben die Autoren der Studie. Andererseits könnten die Übernehmenden hier ungenutzte Potenziale heben.
Beratungsangebot der Handwerkskammern Alle Handwerkskammern bieten ein umfangreiches Beratungsangebot zur Unternehmensnachfolge. Gemeinsam mit der Unternehmerin und dem Unternehmer sowie deren Steuerberater, Rechtsberater und Unternehmensberater suchen sie nach der optimalen Lösung für den Betrieb. Auch bei der Ermittlung des Kaufpreises helfen sie. Den Nachfolgern stehen die Existenzgründungsberater in den Starterzentren der Kammern zur Seite. Eine bundesweite Nachfolgebörse gibt es unter nexxt-change.org
"Mit der Studie wollen wir einen Beitrag dazu leisten, das Nachfolgegeschehen in Deutschland besser zu verstehen und neue Erkenntnisse in einem Bereich zu erhalten, in dem es nur wenige Daten gibt", betont Manfred Thivessen, stellvertretender Vorsitzender des Verbandes Deutscher Bürgschaftsbanken (VDB) und Geschäftsführer der Bürgschaftsbank Nordrhein-Westfalen. Für den Nachfolgemonitor wurden insgesamt über 9.000 Unternehmensnachfolgen aus den Jahren 2013 bis 2022 untersucht.
Vier Erkenntnisse zu den Übergebern und Übernehmern:
Alter:
Das Durchschnittsalter der Übergebenden ist von 58 Jahren im Jahr 2021 auf heute 61 Jahre angestiegen. Das Durchschnittsalter der Übernehmenden ist mit 38 Jahren gleichgeblieben.
Familienstand:
Insgesamt hat der Anteil verheirateter Übernehmer deutlich zugenommen von 53 Prozent im Vorjahr auf 57 Prozent im Jahr 2022. Dies gilt unabhängig von Geschlecht und Altersgruppe. Ein stabiles soziales Umfeld gilt als positiv für eine gelungene Übernahme.
Geschlecht:
Der Anteil der übernehmenden Frauen ist mit 22 Prozent stabil geblieben. Dies ist ein recht geringes Niveau im Vergleich zu Frauen in Führungspositionen oder Gründerinnen. Männer übernehmen deutlich häufiger Unternehmen aus dem verarbeitenden Gewerbe und dem Baugewerbe. Bei Frauen sinkt der Anteil im Handel, während die Gesundheitsbranche um etwa ein Drittel deutlich ausgeweitet wurde.
Teams:
Der Anteil der Übernehmer, die im Team übernehmen, ist im Vergleich zum Vorjahr ganz leicht gesunken auf 35 Prozent, langfristig steigt er aber langsam an. Bei Neugründungen empfehlen die Forscher der FOM übrigens eher im Team zu gründen statt als Solo-Unternehmer. Die Gründer könnten sich so gegenseitig ergänzen. Das Risiko werde so auf mehrere Personen verteilt. Auch die Belastung können die Teams gemeinsam tragen.
Vier Erkenntnisse zu den Unternehmen:
Größe:
Die Unternehmen, die übernommen werden, sind zunehmend größer. Die Hälfte der Nachfolgen entfielen 2021 auf Unternehmen mit mindestens zwei Millionen Euro Umsatz. Dies ist gegenüber dem Jahr 2014 eine Verdoppelung.
EBIT:
Lediglich 44 Prozent der Unternehmen, die übernommen wurden, erreichten vor der Nachfolge eine Gewinnsteigerung (Ergebnis vor Steuern und Zinsen = EBIT). Die anderen 56 Prozent schafften das nicht.
Lage:
Unternehmen in zentralen bis sehr zentralen Lagen werden von Übernehmenden bevorzugt – sie machen etwa drei Viertel der Übernahmen aus. Anders als beim Umsatzniveau bleibt diese über den Beobachtungszeitraum relativ stabil.
Bonität:
Im Mittel ändert sich die Bonität vor der Übergabe kaum, nur in Groß- und Außenhandel und der Gastronomie gibt es zum Teil deutlichere Verschlechterungen.
Quelle: Nachfolgemonitor 2023
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Text:
Kirsten Freund /
handwerksblatt.de
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