Interview: "Ausbildung ist mein Credo"
Bäcker- und Konditormeister Günther Kremer spricht über sein ehrenamtliches Engagement für das Handwerk und seine Wünsche an Politik und Gesellschaft.
Dieser Artikel gehört zum Themen-Special Ehrenamt ist Ehrensache
Der Handwerksunternehmer aus Velen ist Kreishandwerksmeister der Kreishandwerkerschaft Borken und seit November Mitglied der Vollversammlung und des Vorstandes der Handwerkskammer Münster.
DHB: Herr Kremer, was hat Sie persönlich motiviert, sich neben Ihrem Familienbetrieb so umfassend ehrenamtlich für das Handwerk zu engagieren, und wie verlief Ihr Weg in den Vorstand der Handwerkskammer Münster?
Kremer: Den Anstoß gab die Ortskernsanierung in Velen. Als junger Handwerksmeister hatte ich gerade den Betrieb meines Vaters übernommen und stellte fest, dass Verwaltung und Praxis oft unterschiedlich ticken. Das weckte mein Interesse, mich politisch einzubringen. 1984 wurde ich erstmals in den Gemeinderat meines Heimatortes gewählt – heute Stadtrat –, und engagiere mich seither dort auch für die Belange des Handwerks. Der damalige Obermeister ermutigte mich dann, ein Ehrenamt in der Bäckerinnung zu übernehmen, zunächst als Lehrlingswart. Über die Jahre führte mich mein Weg durch die Innungsarbeit bis hin zur Aufgabe als Kreishandwerksmeister und schließlich in den Vorstand der Handwerkskammer.
DHB: Wo sehen Sie derzeit die größten Herausforderungen für das Handwerk?
Kremer: Mein zentrales Anliegen ist die Ausbildung junger Menschen. Es geht nicht um ein persönliches Steckenpferd – das gesamte Handwerk ist auf qualifizierten Nachwuchs angewiesen. Das Handwerk hat unsere Region, etwa den Kreis Borken, durch viele Krisen getragen: Strukturwandel, Finanzkrise, Corona. Jetzt gilt es, das Handwerk weiter zu stärken. Ich möchte dazu beitragen, positive Veränderungen zu erreichen und setze mich mit ganzer Kraft dafür ein.
DHB: In vielen Branchen ist der Nachwuchs- und Fachkräftemangel ein zentrales Thema. Was müsste sich gesellschaftlich und politisch ändern, damit wieder mehr junge Menschen eine Ausbildung im Handwerk anstreben?
Kremer: Das Handwerk bietet hervorragende Voraussetzungen für eine fundierte Ausbildung. Wir müssen neue Wege finden, um junge Menschen zu gewinnen. Ausbildung ist für mich eine Herzensangelegenheit. Auch für Abiturienten, die später vielleicht studieren möchten, ist eine Ausbildung ein wertvoller Einstieg ins Berufsleben. Das Interesse daran sollte bei den Eltern geweckt und von Lehrkräften vermittelt werden und schließlich bei den Jugendlichen selbst ankommen. Kinder und Jugendliche brauchen mehr direkte Berührungspunkte mit dem Handwerk – leider bleibt ihnen das oft verwehrt. Die mobile Lernwerkstatt »HandwerkerMobil«, die von der Wirtschaftsförderungsgesellschaft und dem zdi-Zentrum Kreis Borken ins Leben gerufen wurde, ist ein tolles Projekt: Schüler können an einem Tag zwei Gewerke ganz praktisch kennenlernen.
DHB: Welche politischen Rahmenbedingungen wären aus Ihrer Sicht besonders wichtig, um das Handwerk zu stärken – sowohl im westlichen Münsterland, im gesamten Kammerbezirk als auch auf Landes- und Bundesebene?
Kremer: Wichtig wäre vor allem ein spürbarer Abbau bürokratischer Hürden und unnötiger Dokumentationspflichten. Viele Regelungen führen zu einem kaum zu bewältigenden Arbeitsaufwand. Man steht morgens auf und weiß schon, dass man mit einem Bein im rechtlichen Graubereich steht, wenn man nicht alles minutiös dokumentiert. Die Bonpflicht war ein Beispiel für eine überzogene Regelung – sie verursachte Kosten, und jetzt folgt der digitale Kassenbon mit neuen Ausgaben. Muss das wirklich alles sein? Besonders kleine und mittlere Betriebe leiden unter dieser Flut an Vorschriften.
DHB: Sie vertreten eine große Vielfalt an Gewerken im Vorstand. Wie gelingt es Ihnen, die Interessen so vieler unterschiedlicher Handwerksbranchen zu bündeln und gegenüber Politik und Gesellschaft zu vertreten?
Kremer: Trotz ihrer Unterschiede haben die Handwerksbetriebe, insbesondere die kleinen und mittleren, viele gemeinsame Anliegen. Die Handwerkskammer setzt sich für all diese Belange ein und pflegt den Kontakt zu übergeordneten politischen Instanzen. So gelingt es, die Vielfalt der Gewerke unter einem gemeinsamen Dach wirksam zu vertreten.
DHB: Wenn Sie an die kommenden Jahre denken: Welche persönlichen Ziele verfolgen Sie noch in Ihrem Ehrenamt, insbesondere bis zum Ende Ihrer Amtszeit im Vorstand 2029?
Kremer: Ein zentrales Ziel ist der Neubau des Bildungszentrums der Handwerkskammer – ein großes und wichtiges Vorhaben, das sorgfältig umgesetzt und solide finanziert werden muss. Ein weiteres Anliegen ist die vergaberechtliche Klärung der Rolle kommunaler Dienstleistungsgesellschaften. Öffentliche Aufträge dürfen nicht an den geltenden Regelungen, etwa der VOB, vorbeivergeben werden. Dafür setze ich mich entschieden ein. Zudem ist es mir besonders wichtig, dass Fachklassen auch in ländlichen Regionen erhalten bleiben – selbst wenn die Schülerzahlen dort sinken. Nur so können Betriebe vor Ort weiterhin ausbilden und Fachkräfte sichern.
DHB: Was würden Sie jungen Handwerksunternehmerinnen und -unternehmern raten, die sich überlegen, ebenfalls ein Ehrenamt zu übernehmen?
Kremer: Ohne das Handwerk läuft nichts. Handwerk und Ehrenamt verdienen mehr gesellschaftliche Wertschätzung. Meine Botschaft ist klar: Das Handwerk hat uns hoch gebracht – halten wir es weiter hoch. Offenheit und Ehrlichkeit sind dabei entscheidend. Man sollte seine Meinung klar äußern, aber nicht über, sondern mit anderen sprechen. Nur so kann man wirklich etwas bewegen.
Zitat: Günther Kremer "Das Handwerk hat uns hoch gebracht – halten wir es weiter hoch." Günther Kremer, Mitglied des Vorstandes der Handwerkskammer Münster
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Text:
Vera von Dietlein /
handwerksblatt.de
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