Die SPD beantwortet acht Fragen zur Handwerkspolitik für die kommende Legislaturperiode.

Die SPD beantwortet acht Fragen zur Handwerkspolitik für die kommende Legislaturperiode. (Foto: © SPD)

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Europawahl: Das sagt die SPD zu handwerkspolitischen Themen

Vor der Europawahl beantworten verschiedene Parteien Fragen zu handwerkspolitischen Themen. Hier finden Sie die Antworten der SPD.

DHB: Das Handwerk hofft auf ein stabiles politisches Umfeld innerhalb der Europäischen Union. Wie können die Rechtsstaatlichkeit und die Grundfreiheiten erhalten und durchgesetzt werden?

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Die Mitgliedstaaten haben das Instrumentarium der EU-Kommission zur Wahrung und Durchsetzung von Rechtsstaatlichkeit in der EU in den letzten Jahren erweitert. Es gibt einen jährlichen Rechtsstaatlichkeitsbericht und einen regelmäßigen Austausch dazu unter den Mitgliedstaaten. Seit Januar 2021 hat die EU-Kommission mit der Konditionalitätsverordnung zudem die Option, Zahlungen für einen Mitgliedstaat auszusetzen, wenn sie dort durch Rechtsstaatsmängel die finanziellen Interessen der EU bedroht sieht. Die SPD fordert zusätzlich eine unabhängige "Kopenhagen-Kommission" zur Überwachung der Umsetzung dieser Instrumente durch EU-Kommission und Rat und eine Reform des Artikel-7-Verfahrens. Letzteres erfordert eine Änderung der EU-Verträge. Bei der Durchsetzung der Grundfreiheiten müssen diese mit gesellschaftlichen Anforderungen wie Verbraucherschutz oder hohe Qualitätsstandards in Ausgleich gebracht werden. Deshalb sind sektorspezifische Lösung notwendig.

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DHB: Aus Sicht des Handwerks sollte die EU nur dann regulieren, wenn dies einen Mehrwert bietet und das Vorhaben nicht besser auf nationaler oder regionaler Ebene umgesetzt werden kann. Wie wollen Sie das Subsidiaritätsprinzip in der kommenden Legislaturperiode mit Leben füllen?

Das Subsidiaritätsprinzip ist ein rechtlicher Maßstab, ob die EU eine ihr zugewiesene Kompetenz ausüben kann. Dieses Ziel wird häufig mit der Frage verwechselt, ob ein auf EU-Ebene geplantes Vorhaben und seine konkrete Ausgestaltung politisch sinnvoll oder wünschenswert sind. Über diese Frage lässt sich trefflich streiten, wie dies auch im nationalen Rahmen getan wird. Aber Probleme im Sinne eines Rechtsverstoßes gegen das Subsidiaritätsprinzip kommen in der Vorschlagspraxis der EU-Kommission praktisch nicht vor. Die mit dem Lissabonner Vertrag eingeführte Möglichkeit der Subsidiaritätsrüge zeigt hier Vorwirkung. Die Kommission prüft ihre Vorschläge regelmäßig sehr sorgfältig. Dies bestätigt sich auch in der Beratungspraxis des Bundestages bei der Prüfung von EU-Vorhaben. Die wenigen Anträge, die einen Subsidiaritätsverstoß rügen wollen, nutzen dies nur als Vehikel, um die politischen Ziele einer Maßnahme zu kritisieren, tragen aber praktisch nie etwas rechtlich Substantiiertes vor.

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DHB: Die Wirtschaft, auch die kleinen und mittleren Betriebe des Handwerks, sind auf gute Rahmenbedingungen angewiesen, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Wie wollen Sie die Wirtschaftspolitik ausrichten, um besonders den vielen mittelständischen Unternehmen gerecht zu werden?

Mittelständische Unternehmen sind das Rückgrat der deutschen Wirtschaft. Die Hälfte aller Arbeitsplätze in Deutschland und rund 80 Prozent der Ausbildungsplätze werden von KMU gestellt. Zu den größten Herausforderungen für den Mittelstand zählen Fachkräftesicherung, Bürokratieabbau und Bildung. Auch streben wir einen erleichterten Zugang der KMU zu öffentlichen Aufträgen an. Steuerliche Entlastungen, auch für Personengesellschaften, sind solche zum Ausgleich der sog. kalten Progression und die Erhöhung des Grundfreibetrags. Dadurch wurden die Einkommenssteuerzahlenden 2023 spürbar entlastet. Außerdem wurde mit dem Vierten Corona-Steuerhilfegesetz der Verlustrücktrag von einem auf zwei Jahre verlängert. Derzeit befindet sich noch das Wachstumschancengesetz im parlamentarischen Verfahren, mit dem weitere Entlastungen – auch für den Mittelstand – geplant sind. Eine wichtige Maßnahme wäre aus Sicht der SPD-Fraktion ein wettbewerbsfähiger Industriestrompreis, um energieintensive Unternehmen in Deutschland zu halten.

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DHB: Das Handwerk fordert im Rahmen der Gesetzgebung eine bessere Folgenabschätzung – besonders mit Blick auf den Erfüllungsaufwand für den Mittelstand. Welche Maßnahmen sind aus Ihrer Sicht geeignet, um für KMU praxistauglichere Regeln zu finden?

In der Gesetzgebung wird stets versucht, eine möglichst genaue Folgeabschätzung vorzunehmen. Aufgrund der großen Diversität des Mittelstands, etwa vom selbstständigen Landarzt bis zum Industrieunternehmen mit 400 Mitarbeitern, - aber auch innerhalb des Handwerks - ist es jedoch kein einfaches Versprechen, den Erfüllungsaufwand für "den Mittelstand" sehr passgenau zu berücksichtigen. Bereits bei der Erarbeitung von Regierungsvorlagen wird aber derzeit ein sog. "Praxis-Check" durchgeführt. Im Bereich der Errichtung von Solaranlagen für Privatleute hat ein solcher Praxis-Check bereits zu gesetzlichen Änderungen geführt, welche den Zubau von Solaranlagen wesentlich vorangebracht hat. Derzeit werden Fragen der Unternehmensgründung und Unternehmensnachfolge mit dem Instrument des Praxis-Checks bearbeitet.

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DHB: Wie wollen Sie sicherstellen, dass mittelständische Betriebe bei neuen Regelungsvorhaben nicht mit unnötigen bürokratischen Belastungen überfordert werden?

In weiten Teilen der deutschen Politik gibt es beim Bürokratieabbau kein Erkenntnis-, sondern ein Umsetzungsproblem. Das müssen wir ändern und den Abbau überflüssiger Bürokratie auf allen staatlichen Ebenen und über alle Parteigrenzen hinweg ernst nehmen und als Daueraufgabe anerkennen. Das im März vom Kabinett beschlossene Bürokratieabbaugesetz IV ist hierbei ein wichtiger Schritt nach vorne und ein Baustein mit einer ganzen Fülle von notwendigen Maßnahmen, etwa der Verringerung der Aufbewahrungsfristen von zehn auf acht Jahre. Wir werden im parlamentarischen Verfahren noch weitere Vorschläge einbringen, da uns von den Verbänden des Handwerks und anderer KMU viele weitere Praxisvorschläge erreicht haben. Parallel haben wir mit diversen Maßnahmen die verwaltungsbehördlichen Planungs- und Genehmigungsverfahren verkürzt, damit etwa Maßnahmen zum Ausbau von erneuerbarer Energie rascher umgesetzt werden können.

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DHB: Die Fachkräftesicherung bleibt auch in der nächsten Legislaturperiode ein essenzielles Thema. Welche Maßnahmen sind nötig, um den Bedarf an qualifizierten Fachkräften zu decken?

Wir bringen durch Ausgestaltung der Rahmenbedingungen die Anstrengungen der Unternehmen und öffentlichen Verwaltungen zur Fachkräftesicherung voran. Dabei sind drei Bereiche zentral: Erstens: Wir wollen möglichst alle Personen im erwerbsfähigen Alter ermutigen, berufliche Kompetenzen auf- und auszubauen. Dazu haben wir in dieser Legislatur ein umfassendes Weiterbildungsgesetz vorgelegt. Zweitens: Es gilt die Beschäftigungsfähigkeit der Arbeitnehmer*innen zu erhalten. Wir sorgen für „gute Arbeit“ mit einer Verbesserung der Rahmenbedingungen und unterstützen die Anstrengungen der Sozialpartner durch Initiativen und Vernetzung, um Impulse für eine noch breitere Umsetzung in der Praxis geben zu können. Drittens: Wir ermöglichen mehr Einwanderung von Fachkräften, insbesondere, weil das inländische Arbeitskräfteangebot als Folge des demografischen Wandels absehbar zurückgehen wird. Dazu haben wir das Gesetz zur Weiterentwicklung der Fachkräfteeinwanderung auf den Weg gebracht.

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DHB: Was tun Sie, um die berufliche Bildung in Europa zu stärken und sie im Vergleich mit der akademischen Bildung gleichwertig aufzustellen?

Die berufliche Bildung in der EU hat in den vergangenen Jahren einen stetig größer werdenden Stellenwert erhalten. Wir wollen ihre Gleichwertigkeit mit akademischer Bildung in der Politik der EU fest verankern. Für die weitere Entwicklung soll dabei die Referenzierung zum Europäischen Qualifikationsrahmen (EQR) Grundlage sein. Einer Verrechtlichung des DQR stehen wir grundsätzlich offen gegenüber. Dies soll sich insb. im Programm Erasmus+ niederschlagen, indem die Mobilität von beruflich Qualifizierten gleichwertig zu den Angeboten für Studierende gefördert wird. Bestehende Förderlücken, z.B. im Bereich der Inklusion von Menschen mit Behinderung, wollen wir schließen. Wir setzen uns für die die Fortführung der Europäischen Jugendgarantie ein und wollen allen Jugendlichen in der EU eine Qualifizierung ermöglichen. Next Generation EU hat hier einen ebenso wichtigen Beitrag geleistet wie die Einführung der Ausbildungsgarantie in Deutschland. Mit der Reform des Berufsbildungsgesetzes und des Aufstiegs-BAföG werden wir die berufliche Bildung stärken.

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DHB: Im Zuge der Digitalisierung werden digitale Märkte auch für das Handwerk immer wichtiger. Wie sind die Märkte zu gestalten, um KMU einen fairen Datenzugang zu sichern und Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden?

Wir sind davon überzeugt, dass der faire und sichere Zugang zu standardisierten Daten ein entscheidendes Element für einen fairen Wettbewerb ist. Dies ist insb. für KMU wichtig, da viele große Unternehmen sich durch proprietäre Systeme und Datensilos ihre Marktmacht etablieren, ausbauen und datengetriebene Innovation verhindern. Daher begrüßen wir ausdrücklich, dass diesbezüglich zwei europäische Dossiers beschlossen wurden: Der Data Act und der Data Governance Act. Während der Data Governance Act Prozesse und Strukturen für die Bereitstellung und den Austausch von Daten schafft, regelt der Data Act, wer unter welchen Bedingungen Daten nutzen können soll. Daneben haben wir mit der Novellierungen des deutschen Kartellrechts Instrumente dafür geschaffen, Marktmacht aufzubrechen und großen Digitalunternehmen mit Gatekeeper-Funktion auch Grenzen zu setzen. Das Bundeskartellamt ist bereits darin aktiv, dies konkret auf die großen Datenunternehmen anzuwenden.

Die Fragen stellte Lars Otten

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Text: / handwerksblatt.de

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