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HWK des Saarlandes | November 2024
Wirtschaftspolitik neu ausrichten
Die Handwerkskammer des Saarlandes wünscht sich von der Landespolitik konkrete Maßnahmen, die den Mittelstand und das Handwerk entlasten.
Dieselfahrverbote sind für das Handwerk existenzbedrohend. (Foto: © upixel/123RF.com)
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Gezerre um Fahrverbote - Themen-Specials
März 2018
Städte können Fahrverbote für Diesel-Fahrzeuge verhängen, wenn die Grenzwerte für Stickstoffdioxid überschritten werden. Für Handwerker sollen aber Ausnahmen möglich sein.
Die Städte Düsseldorf und Stuttgart können zur Reduzierung von Stickoxiden Fahrverbote verhängen, wenn sie ihre Luftreinhaltepläne auf Verhältnismäßigkeit prüfen. Sie brauchen dafür kein Bundesgesetz. Das sagt ein Grundsatzurteil des Bundesverwaltungsgerichts. Es hat die Revisionen der Landesregierungen von NRW und Baden-Württemberg zurückgewiesen. Die beiden Urteile der Verwaltungsgerichte (VG) Düsseldorf und Stuttgart, die Fahrverbote erlauben, haben damit Bestand.
Die Gerichte hatten nach Klagen der Deutschen Umwelthilfe (DUH) entschieden, dass die von der EU vorgeschriebenen Luftreinhaltepläne für die jeweiligen Städte nicht ausreichen, um die Grenzwerte beim giftigen Stickstoffdioxid einzuhalten.
Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts sieht Übergangsfristen und eine phasenweise Einführung von Fahrverboten vor. Grundsätzlich seien Fahrverbote jedenfalls für Euro-5-Diesel nicht vor dem 1. September 2019 möglich. Außerdem solle es Ausnahmeregelungen etwa für Handwerker geben. Es gebe aber keine finanzielle Ausgleichspflicht. "Gewisse Wertverluste sind hinzunehmen", sagte der Vorsitzende Richter Korbmacher.
Der falsche Weg
Das Handwerk wehrt sich vehement gegen Diesel-Fahrverbote. Andernfalls sei eine große Zahl von Handwerksbetrieben in ihrer Existenz bedroht, weil die Fuhrparks von Handwerksbetrieben zu 80 bis 90 Prozent aus Diesel-Fahrzeugen bestehen. "Fahrverbote sind der falsche Weg. Wir lehnen sie weiter entschieden ab und appellieren an die Kommunen und Städte, alles zu tun, um sie zu vermeiden. Das aktuelle Urteil, Fahrverbote grundsätzlich zu ermöglichen, ist keinesfalls ein Freifahrtschein, um in ganz Deutschland Diesel-Fahrzeuge aus den Städten auszuschließen", sagte Hans-Peter Wollseifer, Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks (ZDH). Auch andere Verbände und Kammern des Handwerks äußern sich besorgt und fordern Lösungen von Politik und Kfz-Herstellern.
DUH-Anwalt Remo Klinger erklärte: "Das Bild, dass der Klempner sein Waschbecken zum Kunden tragen muss, ist kompletter Irrsinn." Es könne umfangreiche Ausnahmen für Handwerksbetriebe und soziale Härtefälle geben.
In vielen deutschen Städten werden Schadstoff-Grenzwerte nicht eingehalten, Diesel-Autos gelten als Hauptverursacher. Das Urteil hat daher Bedeutung weit über Düsseldorf und Stuttgart hinaus, insgesamt 70 Städte müssen Fahrverbote ins Auge fassen, weil die EU-Grenzwerte überschritten werden.
Nun wird es vermutlich eine politische Debatte über die Einführung einer blauen Plakette geben, die nur moderne Diesel mit der neuesten Abgasnorm Euro 6 von Fahrverboten ausnimmt. Die Bundesregierung lehnt eine solche Plakette bisher ab. Der Druck auf den Gesetzgeber ist aber groß, denn die EU-Kommission hat gegen Deutschland ein Vertragsverletzungsverfahren wegen Überschreitung der Luftverschmutzungs-Grenzwerte eingeleitet. Mitte März wird sie entscheiden, ob sie eine Klage beim Europäischen Gerichtshof einreicht.
Noch vor der Urteilsverkündung des Bundesverwaltungsgerichts wurde bekannt, dass im Bundesverkehrsministerium Regelungen für mögliche "streckenbezogene Verkehrsverbote oder -beschränkungen" vorbereitet werden. Zugleich mehren sich die Stimmen, die fordern, dass Hersteller ihre Diesel-Fahrzeuge kostenlos nachrüsten müssen. Der ADAC hatte kürzlich die Wirksamkeit von Harnstoff-Katalysatoren nachgewiesen.
Dieselbesitzer stehen jetzt aber nicht rechtlos da: Sie könnten wegen Abgasmanipulationen Rückabwicklung des Kaufvertrags geltend machen. Alternativ kann sich auch der Widerruf der Autofinanzierung anbieten, wenn die finanzierende Bank ihren Kunden fehlerhaft informiert hat.
Bundesverwaltungsgericht, Urteile vom 27. Februar 2018, Az. 7 C 26.16 (Vorinstanz VG Düsseldorf, Az. 3 K 7695/15) und Az. 7 C 30.17 (Vorinstanz VG Stuttgart, Az. 13 K 5412/15)
Text: Anne Kieserling
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