Soka-Bau: Tarifverträge sind nicht allgemeinverbindlich!
Nicht tarifgebundene Baubetriebe mussten für die Jahre 2008, 2010 und 2014 keine Beiträge zur Soka-Bau leisten! Die Allgemeinverbindlicherklärungen der Tarifverträge sind unwirksam.
Dieser Artikel gehört zum Themen-Special Heftige Proteste gegen Soka-Bau-Abgabe
Die Allgemeinverbindlicherklärungen (AVE) der Tarifverträge über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (Soka-Bau) von 2008, 2010, und 2014 sind mangels Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen unwirksam. Die nach damaligem Recht erforderliche 50-Prozent-Quote wurde nicht erreicht. Das hat das Bundesarbeitsgericht überraschend entschieden und die anderslautenden Entscheidungen des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg aufgehoben.
Die Fälle
Auf Antrag der Tarifvertragsparteien hatte das Bundesarbeitsministerium (BMAS) die jeweiligen Tarifverträge über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV) für allgemeinverbindlich erklärt. Mehrere Baubetriebe, die nicht Mitglied einer Arbeitgebervereinigung sind und auf Grundlage der AVE an die Soka-Bau zahlen mussten, waren dagegen vorgegangen.
Die Entscheidungen
Die Allgemeinverbindlicherklärungen vom 15. Mai 2008, 25. Juni 2010 und 17. März 2014 sind unwirksam. Das BMAS habe zu Unrecht angenommen, dass zum Zeitpunkt der jeweiligen AVE in der Baubranche mindestens 50 Prozent der Arbeitnehmer bei tarifgebundenen Arbeitgebern beschäftigt waren (sogenanntes 50-Prozent-Quorum).
Außerdem müssten AVE immer vom zuständigen Bundesminister gebilligt werden, stellten die Richter klar. Das Demokratieprinzip verlange eine hinreichende Legitimation. Es reiche nicht aus, wenn nur ein Referatsleiter die AVE verfüge. So war es aber bei den AVE von 2008 und 2010 geschehen – ein weiterer Grund für deren Unwirksamkeit. 2014 hatte die Bundesarbeitsministerin sich hingegen selbst eingeschaltet.
Die unwirksame AVE haben zur Folge, dass in diesen Jahren nur für tarifgebundene Arbeitgeber eine Beitragspflicht zu den Sozialkassen des Baugewerbes bestand. Alle anderen Baubetriebe waren nicht verpflichtet, für diese Zeiträume Beiträge an die Soka-Bau zu leisten. Sämtliche noch offenen Nachforderungen der Soka-Bau für die Jahre 2008, 2010, 2011 und 2014 dürften damit wegfallen.
Offene Frage: Gibt es die Beiträge zurück?
Wermutstropfen für die siegreichen Betriebe ist jedoch: Ob sie ihre bereits gezahlten Beiträge zurückbekommen, ist noch unklar. Denn abgeschlossene Klageverfahren über Beitragsansprüche werden vor der Unwirksamkeit der AVE nicht berührt, erklärte das Gericht, eine Wiederaufnahme der Verfahren sei nicht möglich. Ob im Übrigen wechselseitige Rückforderungsansprüche für Beitrags- und Erstattungsleistungen bestehen und ob die Unwirksamkeit der AVE einer Vollstreckung aus rechtskräftigen Entscheidungen entgegensteht, hatte der Senat nicht zu entscheiden.
Die Soka-Bau informiert auf ihrer Website wie folgt dazu: "Betroffen sind die Beitragszeiträume Oktober 2007 bis Dezember 2011 und Januar 2014 bis Dezember 2014. Soka-Bau muss die in den nächsten Monaten ergehenden schriftlichen Entscheidungsgründe des Gerichts abwarten, bevor weitere Entscheidungen getroffen werden können. Die Durchführung der aktuellen Sozialkassenverfahren ist hiervon nicht berührt. Diese sind von den nachfolgenden Allgemeinverbindlicherklärungen nach aktueller Gesetzeslage abgedeckt. Daher wird der Beitragseinzug unverändert durchgeführt."
Beim Bundesarbeitsgericht sind noch Verfahren anhängig über die AVE der Jahre 2012 und 2013. Angekündigt wurde auch ein Verfahren gegen die AVE von 2015. Die Rechtslage ist seit 2015 aber eine andere, denn das Tarifvertragsgesetz wurde damals geändert und die 50-Prozent-Quote als Voraussetzung für eine AVE abgeschafft.
Bundesarbeitsgericht, Beschlüsse vom 21. September 2016, Az. 10 ABR 48/15 und 10 ABR 33/15.
Hintergrund: Was ist die Soka-Bau?Die Soka-Bau ist eine gemeinsame Einrichtung der Tarifparteien der Bauwirtschaft: Hauptverband der Deutschen Bauindustrie (HDB), Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt und Zentralverband des Deutschen Baugewerbes (ZDB). Seit 2001 arbeiten die Sozialkassen, die Zusatzversorgungskasse für das Baugewerbe und die Urlaubs- und Lohnausgleichskasse der Bauwirtschaft unter dem Begriff Soka-Bau zusammen. Aufgaben der Soka-Bau sind die Finanzierung von Urlaubsgeldern, die Bezuschussung der Berufsausbildung, betriebliche Altersvorsorge und neuerdings auch die Kontrolle der Mindestlöhne. Bilanzsumme 2014: Rund 6,6 Mrd. Euro. Grundlage der Beitragspflicht ist der Tarifvertrag des Baugewerbes (VTV), der auf Antrag der Tarifpartner vom Bundesarbeitsministerium jedes Jahr neu für allgemeinverbindlich erklärt wird. Der Beitragssatz liegt je nach Bundesland zwischen 17,2 und 26,55 Prozent der Bruttolohnsumme, zahlbar bis zu vier Jahre rückwirkend bei zwölf Prozent Verzugszinsen. Noch im Juni 2016 hatte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte erklärt, die Soka-Beitragspflicht verletze nicht das Menschenrecht auf Vereinigungsfreiheit.
Text:
Anne Kieserling /
handwerksblatt.de
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