Berufsorientierung: Projekt "Aufbau Ahr" geht weiter
Handwerksberufe kennenlernen und beim Wiederaufbau helfen: Das Projekt "Aufbau Ahr - Freiwillige Aufbauzeit im Ahrtal" des rheinland-pfälzischen Arbeitsministeriums und der HWK Koblenz geht in die Verlängerung.
Dieser Artikel gehört zum Themen-Special Hochwasserkatastrophe in Deutschland
Sie machen Praktika in Tischlereien, Elektrobetrieben oder im Malerhandwerk und helfen gleichzeitig beim Wiederaufbau im Ahrtal: Seit einem Jahr können engagierte Schulabgänger und Studierende ein halbes Jahr lang ganz unkompliziert ins Handwerk reinschnuppern, dabei etwas Gutes tun und vielleicht sogar ihren Traumjob finden. Das Projekt zur Berufsorientierung "Aufbau-Ahr – Freiwillige Aufbauzeit im Ahrtal" ist in seiner Form bundesweit einmalig.
Informierten gemeinsam auf der Pressekonferenz über das Projekt Aufbau-Ahr - Freiwillige Aufbauzeit im Ahrtal (v.l.): HwK-Hauptgeschäftsführer Ralf Hellrich, Projektteilnehmer Marcelino Dickmann, Janik Nelles von der Schreinerei Nelles in Bad Neuenahr-Ahrweiler, Minister Alexander Schweitzer, der ehemalige Projektteilnehmer und jetzige Lehrling Justin Behrens und Marco Mäsgen vom gleichnamigen Malermeisterbetrieb in Remagen. Foto: © HWK Koblenz / Denise Nuß"Das gemeinsam mit der Handwerkskammer Koblenz entwickelte Konzept ermöglicht jungen Menschen, handwerkliche Grundfähigkeiten zu erlernen, ihr Interesse für eine Ausbildung im Handwerk zu wecken und so zum Wiederaufbau im Ahrtal beizutragen", so die positive Zwischenbilanz des rheinland-pfälzischen Arbeitsministers Alexander Schweitzer nach dem ersten Projektjahr. Mittlerweile gab es 50 Praktika und 24 Teilnehmende.
"15 Personen haben das Projekt schon beendet und fünf davon haben die Ausbildung im Handwerk begonnen. Damit können wir sehr zufrieden sein. Es zeigt, dass es wichtig ist, neue Wege in der Berufsorientierung zu gehen", so Schweitzer. Weitere Teilnehmer sind direkt in Arbeit gegangen, zwei in eine Berufsvorbereitungsmaßnahme und ein Teilnehmer hat ein Duales Studium der Elektrotechnik begonnen - ist also auch dem Handwerk treu geblieben.
Praxisnahe Berufsorientierung
"Ich bin überzeugt, dass die Jugendlichen ohne das Projekt nicht ins Handwerk bekommen wären", sagte der Minister. Viele Schüler und Studierende wüssten gar nicht, wie vielfältig, modern und hochqualifiziert das Handwerk ist.
"Es ist wichtig, dass wir in der Berufsorientierung besser werden und mehr bieten als Flyer und Power-Point-Präsentationen." Das praxisnahe Projekt kann Vorbild sein für einzelne Gewerke oder Regionen in ganz Deutschland, ist Schweitzer überzeugt.
Traumberuf nach einem Praktikum gefunden
Einer, der gleich im ersten Praktikum seinen Traumberuf gefunden hat, ist Justin Behrens. "Ich habe mich direkt verliebt in das Malerhandwerk", erzählt der 19-Jährige aus Remagen, der über die Arbeitsagentur von dem Projekt erfahren hat. Im Malerbetrieb von Marco Mäsgen hat es gefunkt. Weitere Praktika, die das Projekt ihm ermöglicht hätte, hat er sich geschenkt und gleich den Ausbildungsvertrag unterschrieben.
Auch für Malermeister Marco Mäsgen war das ein Glücksfall. Der Unternehmer aus Remagen ist zwar nicht selbst von der Flut betroffen, hat sich aber vom ersten Tag an im Ahrtal engagiert und schon lange einen Auszubildenden gesucht. Er ist begeistert von dem Projekt: "Betriebe finden Auszubildende, die zu ihnen passen, und die Jugendlichen können in den Praktika ausprobieren, welcher Beruf ihnen liegt. Das ist genial."
Weitere Teilnehmer gesuchtIn dem Projekt stehen insgesamt zwölf Plätze für Teilnehmende bis 27 Jahre fortlaufend zur Verfügung. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer durchlaufen das Projekt bis zu sechs Monate lang und können sich in drei Gewerken ausprobieren. Wer teilnimmt, erhält monatlich 470 Euro und eine Unterkunft. Auch die Kosten für An- und Abreise zu Beginn und zum Ende des Projektes werden erstattet. Wer als Teilnehmer oder Betrieb an der freiwilligen Aufbauzeit im Ahrtal teilnehmen möchte, kann sich bei Projektcoach Roman Sieling bei der HWK Koblenz melden, T 0151 551 632 31 oder per E-Mail an roman.sieling@hwk-koblenz.de
Die Betriebe in der Region brauchen besonders viele Fachkräfte
Ralf Hellrich, Hauptgeschäftsführer der HWK Koblenz, hob hervor, dass für den Wiederaufbau in der Region noch sehr viele handwerkliche Leistungen gebraucht werden. Die Menschen im Ahrtal würden den Betrieben vor Ort am allermeisten vertrauen. "Das Besondere ist, dass die Jugendlichen im Ahrtal direkt mithelfen können, das schafft eine extrem hohe Arbeitszufriedenheit. Das ist der Schwung, den viele junge Menschen brauchen", erklärte Hellrich. "Unsere Lehrlinge sind die besten Multiplikatoren und Botschafter ihrer Gewerke gerade für andere Jugendliche. Das ist die zentrale Botschaft mit Signalwirkung für das Ahrtal."
Die Betriebe und die Jugendlichen werden intensiv von Projektcoach Roman Sieling von der HWK Koblenz begleitet. Ergänzt werden die Praktika zudem durch eine fachpraktische Qualifizierung in den Lehrwerkstätten der Handwerkskammer.
Die Schreinerei Nelles aus Bad Neuenahr-Ahrweiler war selbst von der Flut schwer betroffen. Nach einem halben Jahr Wiederaufbau war und ist die Schreinerei in der Umgebung stark gefordert. "Wir müssen deshalb viel dafür tun, um junge Leute ins Handwerk zu holen", berichtete Janik Nelles, dessen Familienbetrieb schon mehrere Praktika über das Projekt angeboten hat. "Das ist super, um den jungen Leuten zu zeigen, wie kreativ, vielfältig und toll das Handwerk ist."
Finanzierung Das Projekt "Aufbau Ahr" läuft noch bis Ende 2023. Für die gesamte Laufzeit stehen rund 370.600 Euro zur Verfügung. Davon werden etwa 325.000 Euro vom Land und 45.600 Euro von der HWK Koblenz getragen.
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Text:
Kirsten Freund /
handwerksblatt.de
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