Bau: Jede dritte Stunde wird schwarz gearbeitet
Auf dem Bau in Deutschland wird jede dritte Stunde schwarz gearbeitet. Schwarzarbeitsexperte Prof. Friedrich Schneider schildert das Ausmaß der Schattenwirtschaft in einer ZDF-Reportage.
Dieser Artikel gehört zum Themen-Special Offensiv gegen Schwarzarbeit
Friedrich Schneider forscht seit Jahrzehnten zum Thema Schwarzarbeit. Er geht davon aus, dass im Schnitt jede dritte Stunde in Deutschland am Bau schwarz gearbeitet wird. Selbst bei seiner Minimalschätzung werde noch immer jede vierte Stunde auf dem Bau schwarz oder halblegal gearbeitet. Das betont der Schwarzarbeitsexperte im "ZDFzoom"-Interview. Die Leidtragenden sind die ehrlichen Bauunternehmen.
Aber wie geht das? "Indem etwa eine rumänische, bulgarische oder kroatische Baufirma nach Deutschland kommt und bestimmte Dienstleistungen anbietet und dann sagt: Die Steuern werden alle korrekt im Heimatland abgeführt. Beziehungsweise: Ich bezahle meine Arbeiter hier mindestens nach Mindestlohn. Das wird ja in den seltensten Fällen überprüft, dass das tatsächlich geschieht", weiß Schneider.
Ein Drittel wird schwarz erwirtschaftet, schätzt Schneider
Die ganze Reportage zu Schattenwirtschaft auf dem Bau und teuren staatlichen Großprojekten in "ZDFzoom – Teuer und verplant – Kostenfalle staatliche Bauprojekte" von Joachim Ottmer.Der Gesamtumsatz in der Baubranche liege aktuell bei 241 Milliarden Euro, der Anteil der Schattenwirtschaft daran sei enorm: "102 Milliarden wäre die Obergrenze, 65,7 Milliarden wäre die Untergrenze, was im gesamtem Baugewerbe schwarz erwirtschaftet wird – also im Schnitt ungefähr ein Drittel", so der Ökonom.
Die Bauwirtschaft sei so anfällig für illegale oder halblegale Arbeiten, weil es üblich sei, dass viele Aufträge an ganze Ketten von Subunternehmen vergeben würden. "Das ist dann natürlich in vielen Fällen nur schwer nachkontrollierbar. Ist das jetzt schwarz, ist ein Teil schwarz?"
Wettbewerbsvorteile für Subunternehmer-Ketten mit Billigkräften aus Osteuropa
Bauunternehmen, die Subunternehmer-Ketten mit Billigkräften aus dem osteuropäischen Ausland beauftragen, hätten oft einen klaren Wettbewerbsvorteil. Wenn sie im unübersichtlichen System der Auftragsweitergabe Zahlungen für Steuern und Sozialabgaben vermeiden, können sie sich mit Dumpingpreisen um Bauaufträge bewerben und dann als billigster Anbieter den Zuschlag bekommen.
Das System findet man auch bei staatlichen Bauprojekten
Meldeformular des Zentralverbandes des Deutschen Baugewerbes für Hinweise auf Schwarzarbeit und illegale BeschäftigungDies finde sich auch bei staatlichen Bauprojekten. "Auch der öffentliche Bauherr hat einen starken Kostendruck, und sehr häufig werden die Gebäude wesentlich teurer, dann gibt es unangenehme öffentliche Diskussionen." Schneider erläutert weiter: "Daher wird in vielen Fällen nicht so genau kontrolliert, wie man vielleicht müsste."
Der Finanzwissenschaftler sieht an dieser Stelle den Staat in der Pflicht: "Ehrlicher wäre es, wenn man die Bauten wirklich mal bei der Vergabe in allen Bereichen mit deutschen Abgaben durchkalkulieren würde", so Schneider gegenüber dem ZDF-Reporter. Doch der jeweilige staatliche Bauherr – Gemeinde, Land, Bund – würde meist nur auf sein eigenes Baubudge achten.
Der Staat lässt sich Milliarden entgehen
Das Projekt würde durch bessere Vorgaben und Kontrollen der Entlohnungspraxis definitiv teurer werden. Also werde nicht streng geprüft – auch wenn dem Staat dadurch letztlich Milliardensummen bei Steuereinnahmen und Sozialabgaben entgehen. Nehme man zum Bau noch das Handwerk hinzu, betrage der Schätzwert der in der Schattenwirtschaft erbrachten Leistungen durchschnittlich sogar mindestens 81,4 Milliarden und maximal 126,5 Milliarden Euro.
Genauer lasse sich dieses Feld nicht erhellen, so der Professor. "Weil es keine exakte Abgrenzung gibt, was zur Schattenwirtschaft zählt, […] liegt der tatsächliche Umfang ungefähr in der Mitte, also sagen wir bei 100 Milliarden Euro in Deutschland."
Der Bau- und Handwerksbereich ist laut Studie nach wie vor der Wirtschaftssektor mit dem größten Anteil von illegaler Wertschöpfung, heißt es da. Den Wert, der in den vergangenen vier Jahren in der Schattenwirtschaft insgesamt erarbeitet wurde, bemisst Professor Schneider im Schnitt auf 332,9 Milliarden Euro – das seien mehr als zehn Prozent des deutschen Bruttoinlandprodukts. Allein Bau und Handwerk würden mit 126,5 Milliarden Euro 38 Prozent ausmachen. Dabei sei die Schattenwirtschaft in diesem Zeitraum in allen Sektoren insgesamt leicht zurückgegangen.
Quelle: Pressestelle ZDFzoom
Zum Flyer "Wege aus der Schwarzarbeit" des Zentralverband des Deutschen Baugewerbes.
Text:
Kirsten Freund /
handwerksblatt.de
Kommentar schreiben