Diesel-Skandal: VW-Thermofenster sind rechtswidrig
Diesel-VW, die ihre Abgasfilter bei Kälte ausschalten, durfte das Kraftfahrt-Bundesamt nicht genehmigen. Diese sogenannten Thermofenster sind illegal, hat das Verwaltungsgericht Schleswig erneut entschieden.
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Die Abgasreinigung des Motors wird bei Außentemperaturen von unter zehn Grad abgeschaltet, womit EU-Grenzwerte für saubere Luft um ein Vielfaches überschritten werden: Das ist das sogenannte Thermofenster, wie es Volkswagen bei seinen Dieselfahrzeugen verwendet hat. Dass das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) hierfür eine Genehmigung erteilt hatte, war rechtswidrig, hat das Verwaltungsgericht Schleswig schon im März 2023 und erneut am 17. Januar 2024 entschieden. Es folgt damit der Linie des Europäischen Gerichtshofs.
Der Fall
Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) hatte gegen die Genehmigungsbescheide des KBA geklagt und von der Behörde außerdem verlangt, die Entfernung von Abschalteinrichtungen anzuordnen. Das KBA hatte sich geweigert. Die Autohersteller argumentieren, Abschalteinrichtungen seien notwendig, um den Motor zu schützen.
Das VG Schleswig legte die Frage dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) vor. Die Europarichter stellten mehrfach klar, dass eine Abschalteinrichtung zum Motorschutz (Art. 5 Abs. 2 EG-Verordnung 715/2007) sich nur auf plötzlich auftretende Schäden am Motor beschränkt. Eine Abgasreinigung, die während des überwiegenden Teils des Jahres nicht funktioniere, sei auf jeden Fall rechtswidrig.
Das Urteil
Das Verwaltungsgericht (VG) Schleswig folgte in seinem Urteil dem EuGH und bewertete die Thermofenster als illegal. Die Richter sahen Abschalteinrichtungen schon nicht als notwendig an, um Motorschäden zu verhindern. Schäden an anderen Bauteilen seien nur relevant, wenn diese den Motor und damit die Betriebssicherheit unmittelbar gefährdeten. Ein solche Gefahr bestehe aber nicht.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Das VG ließ sowohl die Berufung als auch die Sprungrevision zum Bundesverwaltungsgericht zu. Mit einer Sprungrevision kann unter bestimmten Voraussetzungen direkt das Bundesverwaltungsgericht angerufen werden.
Wird die Entscheidung rechtskräftig, bedeutete dies, dass Millionen Dieselfahrzeuge illegal auf europäischen Straßen unterwegs sind. Fast alle Hersteller haben temperaturbedingte Abschalteinrichtungen in ihre Fahrzeuge eingebaut. "Dieses Urteil hat grundlegende Wirkung, denn es ist direkt übertragbar auf alle anderen Fahrzeuge mit temperaturgesteuerten Abschalteinrichtungen. Wir fordern das Kraftfahrt-Bundesamt deshalb auf, die betroffenen Pkw aller Hersteller zurückzurufen und nachrüsten zu lassen. Andernfalls werden wir in allen Fällen Klage erheben“, erklärte Rechtsanwalt Remo Klinger, der die DUH vertritt.
Verwaltungsgericht Schleswig, Urteil vom 17. Januar 2024, Az. 3 A 332/20; Urteil vom 20. Februar 2023, Az. 3 A 113/18 (noch nicht rechtskräftig, KBA und VW haben Berufung zum OVG Schleswig-Holstein eingelegt)
Grundsatz-Urteil für Diesel-Käufer Am 25. Mai 2020 erklärte der Bundesgerichtshof (Az. VI ZR 252/19): Der Besitzer eines VW mit Schummel-Software darf seinen Wagen zurückgeben und erhält einen Teil seines Kaufpreises als Schadensersatz zurück, ebenso wie Verzugszinsen. Denn VW habe ihn sittenwidrig getäuscht. Allerdings darf der Autokonzern für die gefahrenen Kilometer eine Nutzungsentschädigung abziehen. Damit hat der BGH für Klarheit gesorgt. Denn an den höchstrichterlichen Entscheidungen aus Karlsruhe orientieren sich alle unteren Instanzen.
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Text:
Anne Kieserling /
handwerksblatt.de
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