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HWK des Saarlandes | Oktober 2024
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Interview mit Andreas Ehlert zum Thema Nachwuchs im Handwerk und Qualität der Ausbildung. (Foto: © Ingo Lammert)
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Interview: Der neue Düsseldorfer Handwerkskammerpräsident Andreas Ehlert spricht über die bildungspolitischen Anforderungen an die Politik, aber auch an die Handwerksunternehmen und die Handwerker selbst.
Die Ausbildungsqualität im Handwerk muss flächendeckend erhöht werden. Das fordert Andreas Ehlert, Schornsteinfegermeister und neu gewählter HwK-Präsident in Düsseldorf. Ausbildungsberater sollen den Betrieben dabei nun helfen.
DHB: Wie kann es sein, dass das Handwerk auf der einen Seite für das duale Ausbildungssystem so hoch gelobt wird, aber gleichzeitig wird die Meisterqualifikation als Basis für die Gründung von Betrieben in Frage gestellt?
Ehlert: Ein Bekenntnis zum Meisterbrief ist ja leicht. Das nutzt uns aber überhaupt nichts, wenn es nicht einhergeht mit dem Bekenntnis zum qualifikationsgebundenen Gewerbezugang. Das muss man – auch national – jedem Politiker zurufen: "Es ist ja nett, wenn du dich zum dualen Berufsausbildungssystem bekennst, aber das Ganze funktioniert eben nur in den Strukturen, die wir hier haben." Wir sehen es doch an den Gewerken, in denen 2004 der qualifikationsgebundene Gewerbezugang gefallen ist – ich denke an die Fliesenleger!
DHB: Haben Sie eigentlich jemals eine Erklärung bekommen, warum 2004 die Reform der Handwerksordnung so gekommen ist?
Ehlert: In Brüssel manifestiert sich allzu oft das angelsächsische System: Es werden dort lediglich bestimmte Tätigkeitsschritte zertifiziert, aber nicht mehr der gesamte Mensch qualifiziert. Wir haben eine andere Philosophie. Dafür müssen wir streiten.
DHB: England ist das Land, das die meisten polnischen Handwerker beschäftigt. Ist das nicht der Beweis dafür, dass das System der Gewerbefreiheit nicht funktioniert?
Ehlert: Wenn man sich in Europa umschaut, ist es ja tatsächlich so, dass es einen Zusammenhang gibt zwischen Betriebsfestigkeit und Qualifikation, zwischen Ausbildung und Qualifikation. Man kann das mit unzähligen Studien belegen. Dennoch erhofft man sich offensichtlich, einen riesigen Binnenmarktimpuls mit der Deregulierung nationaler Qualifikationsvoraussetzungen, zu schaffen. Aber: Handwerk ist eine regionale, dezentrale Angelegenheit. Brüssel muss sich aus meiner Sicht auf wirklich europäische Themen beschränken. Ich bin ein großer Freund Europas, wir brauchen sicherlich mehr Europa in großen Themen. Wir schaffen zum Beispiel hier in Deutschland die Wehrpflicht ab und in Brüssel reden wir über ein Verteidigungsbündnis. Da gibt es keine vernünftige Abstimmung. Wenn man sich allerdings ansieht, wo sich Brüssel überall einmischt, da würde ich mir mehr gelebte Subsidiarität wünschen. Dinge, die national erfolgreich funktionieren, sollten auch national geregelt werden können.
DHB: Wissen Sie, warum sich die Politiker in Brüssel als Beispiel für die reglementierten Berufe ausgerechnet den Elektrotechniker und die Augenoptiker herausgesucht haben?
Ehlert: Sie werden ja immer wieder als Beispiel genannt und stehen offensichtlich ganz besonders auf dem Prüfstand. Das sind sicherlich Berufe, wo es augenscheinlich ist, dass Qualifikation notwendig ist. Das sind ja zwei national geregelte Berufe aus der Anlage A. Alles andere als ein deutliches Bekenntnis, dass dazu ein Qualifikationszugang notwendig ist, würde mich schockieren.
DHB: Wie reagiert denn die deutsche Politik darauf?
Ehlert: Wir haben hier in NRW ein ganz starkes Bekenntnis aller Fraktionen im Landtag zum Meisterbrief – wenn wir die Piraten mal außen vor lassen. Wir haben außerdem die Bundesratserklärung, dass die Regelung des Berufszugangs allein in der Kompetenz der einzelnen EU-Mitgliedstaaten liegt. Dazu hat sich auch Berlin bekannt. Wir gehen davon aus, dass am Schluss alle zu ihrem Wort stehen. Auch dazu, dass der Meisterbrief in den Anlage-A-Berufen Gründungsvoraussetzung bleibt. Dieses Bekenntnis würde ich überall einfordern. Denn das Handwerk engagiert sich! Junge Spanier kommen nach Deutschland und werden hier in unserem dualen System zum Beispiel im Bau- und im Elektrohandwerk ausgebildet. Sie könnten Vorbilder für und in ihren Heimatländern sein.
DHB: Von 2007 bis 2013 hat sich der Anteil der Abiturienten im Handwerk deutlich erhöht. Wie ist die Bilanz des vergangenen Jahres als erstmalig in NRW zwei Jahrgänge gleichzeitig Abitur gemacht haben - konnten Sie mehr Abiturienten ins Handwerk locken?
Ehlert: Ja, es sind viele ins Handwerk gekommen. Im letzten Jahr lag in NRW der Anteil von Azubis mit Abitur und Fachhochschulreife bei 13 Prozent. Natürlich hätten es noch mehr sein können, keine Frage.
DHB: Wie finden Sie die Idee von Bundesbildungsministerin Wanka, dass das Handwerk gezielt um Studienabbrecher werben soll?
Ehlert: Das ist auf jeden Fall eine Möglichkeit. Denn junge Menschen, die eine gebrochene Biografie haben und den Einstieg ins Erwerbsleben suchen, können im Handwerk eine Karriere machen, mit der sie sehr zufrieden sind. Ich finde es richtig, sich um diese jungen Menschen zu bemühen. Es darf aber nicht der einzige Weg sein. Wir müssen um die werben, die die Schule abschließen, die die mittlere Reife haben oder Abitur und dann auch um die, die ein Studium abbrechen. Wir müssen schauen, was die einzelnen Partnerinstitutionen Berufskolleg und Hochschule einbringen können und leisten müssen.
DHB: Müssen sich dann die Meister nicht auch bewegen, weil sie eine ganz andere Klientel als Auszubildende bekommen? Jemand, der ein paar Semester studiert hat, fordert doch andere Umgangsformen ein.
Ehlert: Da sprechen Sie eine wichtige Sache an. Ich möchte, dass die Qualität der Ausbildung erhöht wird, flächendeckend. Es gibt tolle Ausbildungsbetriebe, aber es gibt auch Betriebe, die ein paar Probleme haben. Deshalb werden wir die Ausbildungsberater in die Betriebe schicken. Wir werden Schulungen durchführen. Denn wir wollen, dass die Betriebsinhaber bessere Ausbilder werden. Es ist eine Katastrophe, wenn ein Azubi nach drei Jahren Lehre feststellt, dass er eigentlich nur an der Kasse stand und für Brötchen kassiert hat. Wir wollen, dass die jungen Leute nach Abschluss der Ausbildung sagen können, dass sie etwas gelernt haben und in der Lage sind, sich am Arbeitsmarkt zu behaupten.
DHB: Bei unserem Wettbewerb Germany´s Power People erleben wir sehr fitte junge Handwerker. Wenn man sie in München bei der Internationalen Handwerksmesse auf der Bühne erlebt, ist man erstaunt, welche Werbebotschaften fürs Handwerk rüberkommen. Könnte man den Abiturienten in den Schulen nicht einmal davon ein Video zeigen? Das wäre Werbung fürs Handwerk.
Ehlert: Das sind gute Ansätze! Junge Leute in den Schulen anzusprechen wird ein Einsatzschwerpunkt für mich in den nächsten zwei Jahren sein. Am Gymnasium wissen Schüler oft gar nicht, was wir so im Handwerk machen. Die Botschaft, dass das Handwerk eine Möglichkeit ist, um Unternehmer zu werden, muss auch an den Gymnasien ankommen. Wenn in der Schule gesagt wird, man müsse als Schüler schon Gas geben, sonst lande man im Handwerk. Das ist fatal! Das Handwerk muss als "wichtig" wahrgenommen werden, als ganz wichtiger Teil der Gesellschaft. Wir müssen stolz darauf sein, dass wir Unternehmer im Handwerk sind, und diesen Stolz auch weitergeben. Nur, wenn wir das, was wir tun, als wertvoll empfinden, können wir es auch an die nächste Generation weitergeben.
DHB: Fühlen sich die jungen Leute, die eine Lehre machen, als Handwerker oder eher nur ihrem eigenen Gewerk zugehörig?
Ehlert: Ich glaube, da ist in den letzten Jahren schon eine Bewusstseinsänderung eingetreten. Da hat die Imagekampagne der letzten Jahre einiges bewirkt, auch wenn es vielleicht nicht so flächendeckend ist, wie wir uns das erhofft haben. Ich glaube, ein Gemeinschaftsgefühl, dass Handwerk etwas Besonderes ist, greift immer mehr um sich. Handwerk ist bei jungen Leuten teilweise ja auch hip. Es gibt viele Berufe, die sind total attraktiv für Menschen, die plötzlich eine neue Wertigkeit für ihr Leben entdecken.
DHB: Wie sieht es denn mit den Verdienstmöglichkeiten aus? Müsste man damit nicht auch mehr werben?
Ehlert: Jeder, der sich vernünftig qualifiziert – und das ist nötig, ohne Qualifikation sind über 60 Prozent nach fünf Jahren vom Markt verschwunden – und Unternehmer wird, der verdient, wenn er fleißig ist, richtig gutes Geld.
DHB: Sie starten jetzt durch den Tod Ihres hochverdienten Vorgängers Prof. Dr. h. c. Wolfgang Schulhoff in eine verkürzte Wahlperiode. Wo wollen Sie denn in zwei Jahren sein?
Ehlert: Ein Bereich ist erstens die Ausbildung, darüber sprachen wir schon. Ein zweiter Bereich ist natürlich die Imagekampagne. Das hängt aber indirekt miteinander zusammen. Und dann bin ich ja von meiner Ausbildung her Klimahandwerker. Deshalb liegt mir als weiterer Schwerpunkt das Thema Energiewende besonders am Herzen, weil man merkt, dass es nicht funktioniert. Vizekanzler Gabriel erklärt den Chinesen, wie die Klimawende funktioniert. Er soll doch mal hier anfangen!
Das Interview führten: Ulrike Lotze, Dagmar Bachem, Rüdiger Gottschalk und Lars Otten.
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