Die Bürokratie fährt immer mit: Denn die Regeln für digitale Fahrtenschreiber sind ein echter Vorschriften-Dschungel. Denn was für Berufskraftfahrer geschaffen wurde, muss auch vom kleinsten Handwerksbetrieb in allen Einzelheiten beachtet werden.
Das Europäische Parlament hat bereits vor einiger Zeit die überarbeiteten Regeln für digitale Tachographen angenommen. Das heißt: Handwerker müssen keine Fahrtenschreiber einbauen, wenn sie mit Lkw bis 7,5 Tonnen zulässiger Gesamtmasse Materialien, Ausrüstungen oder Maschinen transportieren, die sie zur Ausübung ihres Berufes benötigen und in einem Umkreis von 100 Kilometern des Firmenhauptsitzes bleiben unter der Bedingung, dass das Fahren nicht ihre Haupttätigkeit ist. Diese Regelung ist am 2. März 2015 in Kraft getreten.
Früher galt ein Radius von 50 Kilometern für Fahrzeuge zwischen 3,5 und 7,5 Tonnen. Die Ausweitung auf 100 Kilometern war zwar ein Erfolg für das Handwerk – allerdings leider nicht auf ganzer Linie. Denn die Handwerksverbände hatten sich in Brüssel für einen Radius von 150 Kilometern um den Betriebsstandort eingesetzt. Der ZDH war für diesen Vorschlag sogar 2008 mit dem Entbürokratisierungspreis der Kommission ausgezeichnet worden.
Im schlimmsten Fall nur für eine Fahrt
Schaubild Lenk- und Ruhezeiten Ausnahmen fuer Handwerker 2014/ Quelle: ©ZDH Das Handwerk hatte auch eine Ausnahmeregelung für einzelne Fahrten gefordert: Denn im schlimmsten Fall muss der Handwerker, wenn er nur eine Fahrt im Jahr mit einem Lkw zwischen 3,5 und 7,5 Tonnen macht, sich einen digitalen Fahrtenschreiber anschaffen. Außerdem braucht er eine Unternehmerkarte, die Mitarbeiter brauchen Fahrerkarten, eine spezielle Software und einen Download-Key, um die Daten aus dem Tachographen herauszuladen.
Dazu kommt: Die Kontrolleure verlangen bei Fahrten über den 100-Kilometer-Radius hinaus eine Bescheinigung der vergangenen 28 Tage, soweit sie nicht auf der Fahrerkarte gespeichert sind. Der Unternehmer muss darauf die Tage dokumentieren, an denen der Fahrer anderen Tätigkeiten, etwa der Lenkung eines nichtnachweispflichtigen Fahrzeuges oder der Arbeit in der Werkstatt, nachgegangen ist – entweder durch die vorhandenen gespeicherten Daten auf der Fahrerkarte oder (wenn nicht durchgängig ein nachweispflichtiges Fahrzeug gelenkt wurde) durch die Bescheinigung für berücksichtigungsfreie Tage.
Es gibt kein vorgeschriebenes Formular
Der Nachweis dieser Tage muss maschinenschriftlich erbracht und vom Fahrer und Unternehmer vor der Fahrt unterschrieben werden. Innerhalb Deutschlands gibt es dazu kein offiziell vorgeschriebenes Formular. Die berücksichtigungsfreien Tage kann man in Deutschland alternativ vor der Fahrt in den Tachographen eingeben. "Das ist für Handwerker umständlicher als für die Berufsfahrer, für die diese Regelung gedacht ist", kritisiert Dr. Carsten Benke, Referatsleiter für Verkehr und Infrastruktur beim ZDH.
Die neu geschaffene Möglichkeit, die nicht auf der Fahrerkarte nachgewiesenen Tage "per Hand" in den Tachographen einzugeben, bringt bei den aktuellen Geräten kaum Erleichterung. Zwar ist die Einhaltung der konkreten Lenk- und Ruhezeiten – um die es eigentlich geht – im Handwerk in aller Regel kein Problem, da Fahrten zum Beispiel zur Baustelle oder zum Kunden nur einen relativ kleinen Teil der Arbeitszeit ausmachen. Nützt aber nichts: Die betroffenen Handwerker sind trotzdem dazu gezwungen, die Dauer der Fahrten und Ruhephasen aufzuzeichnen, was mit erheblichem Aufwand bzw. mit Kosten für Aufzeichnungsgeräte verbunden sein kann.
"Unbeschreiblicher Aufwand!"
Außerdem lassen sich nicht alle Fahrten im Betriebsalltag vorher planen. Doch genau das verlangt der Gesetzgeber. Denn der Handwerker muss die entsprechenden Formulare beim Beginn einer aufzeichnungspflichtige Fahrt dabeihaben, die er übrigens noch nicht einmal mit der Hand ausfüllen darf. "Die Bescheinigungen kann man auch nicht nachreichen, das ist ein verwaltungstechnischer Aufwand, der ist unbeschreiblich", ärgert sich Norbert Kampmann, Obermeister der Tischler-Innung Essen und Inhaber einer Essener Tischlerei. Und warnt vor einer weiteren Auswirkung der Regelung: "Viele meiner Kollegen wissen auch nicht, dass sie sich sogar in einen Pkw einen digitalen Fahrtenschreiber einbauen lassen müssen, wenn sie einen Anhänger am Auto haben und damit über 3,5 Tonnen kommen" – vorausgesetzt, sie können sich nicht auf die Ausnahmen berufen.
Dann sind da noch die Kosten: Kampmann hat für seine drei Mitarbeiter die Führerscheine umschreiben lassen und für jeden eine Fahrerkarte kaufen müssen. Sie müssen alle fünf Jahre erneuert werden. Die Unternehmerkarte muss ebenfalls alle fünf Jahre erneuert werden.
Bußgelder bis 1.000 Euro – und mehr ...
Foto: © gemenacom/123RF.com Nicht zu vergessen die Anschaffung des digitalen Fahrtenschreibers, des Kartenlesegeräts, der Software. Außerdem muss der Tachograph alle drei Monate ausgelesen und alle zwei Jahre gewartet werden. Der Halter, bzw. Unternehmer muss außerdem dafür sorgen seine Mitarbeiter unterwiesen und geschult werden.
Doch richtig teuer wird es erst, wenn man absichtlich oder aus Unwissenheit gegen die Regelung verstößt – was gar nicht so selten ist, wie man im ZDH weiß: Bei Kontrollen stelle sich regelmäßig heraus, dass Handwerksbetriebe "unwissentlich die strengen Regelungen über die Nachweise der Lenk- und Ruhezeiten verletzen". "Dann drohen auch Handwerkern Bußgelder von 600 bis 1.000 Euro, im schlimmsten Fall sogar noch mehr", warnt Benke. "Bußgelder, die eigentlich auf übermüdete Fahrer im europäischen Ferngüter- und Personenverkehr gemünzt waren!"
Foto: © Wojciech Kaczkowski/123RF.com Für Handwerker mit Fahrzeugen, die "zur Beförderung von Material, Ausrüstungen oder Maschinen, die der Fahrer zur Ausübung seines Berufes benötigt, verwendet werden, soweit das Lenken des Fahrzeugs nicht die Haupttätigkeit des Fahrers darstellt", gelten je nach Gewichtsklasse unterschiedliche Ausnahmen.
Über 7,5 Tonnen: Fahrzeuge dieser Gewichtsklasse müssen in jedem Fall die Lenk- und Ruhezeiten aufzeichnen. Ältere Fahrzeuge, die vor Mai 2006 zugelassen wurden, dürfen noch mit einem analogen Fahrtenschreiber nachgerüstet werden. Bei neueren Fahrzeugen muss es ein digitaler Tachograph sein.
3,5 bis 7,5 Tonnen: Die Pflicht zur Einhaltung und zum Nachweis der Lenk- und Ruhezeiten entfällt bei diesen Fahrzeugen bei Fahrten im Umkreis von 100 Kilometern um den Standort des Betriebs. Für den Fahrer darf das Lenken des Fahrzeugs nicht die Hauptbeschäftigung sein, und er darf nur Material, Ausrüstung oder Maschinen transportieren, die er für die Ausübung seines Berufs benötigt. Ebenfalls erfasst sind der An- und Abtransport sowie Transporte im Rahmen des Fertigungsprozesses von Waren und Geräten, die im Handwerksbetrieb hergestellt oder repariert werden. Diese Ausnahme gilt auch bei entsprechend ausgestatteten Verkaufswagen. Überschreitet der Fahrer den Radius von 50 km, muss er von Beginn der Fahrt an einen digitalen Fahrtenschreiber nutzen – auch bei einmaligen Fahrten.
Weitere Informationsquellen hat der ZDH für Handwerksbetriebe zusammengestellt
2,8 bis 3,5 Tonnen: In dieser Gewichtsklasse sind Fahrzeuge von der Nachweispflicht freigestellt, die nur Güter transportieren, die der Fahrer zur Ausübung seines Berufs verwendet, die im Betrieb handwerklich oder in Kleinserie hergestellt oder repariert wurden, soweit das Fahrzeuglenken nicht die Hauptbeschäftigung des Fahrers darstellt. Falls die Fahrt nicht unter diese Ausnahmeregelung fällt, finden Sie die weiteren Vorschriften hier. Die Begrenzung der Ausnahme auf einen Radius von 50 Kilometern wurde – in dieser nationalen Regelung – für Fahrzeuge bis 3,5 t schon 2008 aufgehoben: Unter 3,5 t gilt keine Kilometerbegrenzung bei Fahrten mehr.
Der digitale Tachograph zeichnet nach dem Stecken der Fahrerkarte durch den Fahrer die Wegstrecke, Geschwindigkeit, Lenkzeiten, Arbeitsunterbrechungen sowie die Tagesruhezeiten auf. Sonstige Arbeitszeiten und der Ort des Fahrbeginns müssen vom Fahrer manuell eingegeben werden.
Karten für den Betrieb eines digitalen Tachographen!
- Jeder Fahrer muss zur Nutzung der betrieblichen Fahrzeuge mit digitalem Tachographen eine persönliche Fahrerkarte besitzen. Zwingend notwendig ist dazu auch der Besitz eines EU-Kartenführerscheins. Die Fahrerkarte ist fünf Jahre lang gültig und kostet etwa 40,00 Euro.
- Zusätzlich brauchen die Unternehmen eine Unternehmenskarte, die die Anzeige, das Herunterladen und den Ausdruck der Daten, die in dem Kontrollgerät gespeichert sind, erlaubt.
- Außerdem sind weitere Vorschriften über Werkstatt- und Kontrollkarten zu beachten.
Das Kontrollgerät muss mindestens einmal innerhalb von zwei Jahren von einer dazu befugten Werkstatt geprüft werden. In jedem Bundesland sind andere Behörden für die Karten zuständig.
Der ZDH empfiehlt!
Foto: © Tatiana Popova/123RF.com Da die Materie auch für die Kontrollbeamten komplex ist und die einzelnen Bundesländer teils unterschiedlich vorgehen, entstehen regelmäßig Probleme bei Kontrollen. Die Beamten sollten bei Kontrollen auf die Ausnahmeregelungen des § 1 (2) bzw. § 18 FPersV hingewiesen werden. Zur Erleichterung der Argumentation sollte ein Ausdruck der Vorschriften, auf die sich der Fahrer beruft, mitgeführt werden (ggf. ergänzt durch Ausdrucke aus dem Interpretationsleitfaden der Ministerien).
Sollte durch Wagenaufschrift und transportierte Güter die handwerkliche Tätigkeit von Betrieb und Fahrer nicht offensichtlich sein, empfiehlt der ZDH, dem Fahrer entsprechende Dokumente über den Betrieb oder den Auftrag zur Hand zu geben, beziehungsweise das Tätigkeitsfeld des Fahrers durch eine Erklärung zu verdeutlichen. (Achtung: Für Handwerker kommt nur die Berufung auf die Ausnahme im 50-km-Radius in Frage.)
Widerspruch gegen Bußgelder einlegen!
Klarstellung: Eine Eigenerklärung ist jedoch nicht vorgeschrieben. Sie kann sowieso nur eine ohnehin rechtmäßig vorhandene Berechtigung zur Inanspruchnahme der Ausnahme verdeutlichen. Es gibt auch kein amtliches Formular zur Bestätigung der Ausnahme. Die Kontrollbeamten müssen die jeweilige Situation nach Augenschein beurteilen.
Sollten dennoch Bußgeldbescheide ergehen, obwohl der Fahrer/Unternehmer sicher davon ausgeht, dass die Fahrt unter die Ausnahmeregelung fällt, sollte Widerspruch eingelegt werden. Den Widerspruchsbehörden (in der Regel die Gewerbeaufsichtsämter) sind die einschlägigen Regelungen und die Probleme der Handwerker zumeist vertrauter.
Quelle: ZDH
Text:
Ulrike Lotze /
handwerksblatt.de
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