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(Foto: © Sornranison Prakittrakoon/123RF.com)

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Steuerfreie Zuschläge für Überstunden - ist das praxistauglich?

Die neue Bundesregierung hat angekündigt, Zuschläge für Mehrarbeit steuerfrei zu stellen. Klingt gut, wirft aber in der betrieblichen Praxis viele Fragen auf, so der Steuerberaterverband.

Gut gemeint, aber möglicherweise nicht zu Ende gedacht: Die Bundesregierung will Überstundenzuschläge steuerfrei stellen. "Wer freiwillig mehr arbeiten will, soll mehr Netto vom Brutto haben", heißt es auf Seite 46 des Koalitionsvertrags. Was sich nach einer interessanten Idee anhört, auch um dem Fachkräftemangel zu begegnen, könnte an der Praxis scheitern, warnt der Deutsche Steuerberaterverband (DStV)

Die Regelung soll laut DStV greifen, wenn Beschäftigte über die Vollzeitarbeit hinaus tätig sind.

Als Vollzeit gelten

  • mindestens 34 Wochenstunden bei Tarifbindung und
  • 40 Stunden bei nicht tariflich geregelten Arbeitsverhältnissen.

In der Praxis werden Überstunden aber oft nicht vergütet, sondern durch Freizeit ausgeglichen. Tarifverträge schreiben oft vor, dass Mehrarbeit auf Arbeitszeitkonten eingestellt wird. Diese bieten den Beschäftigten Flexibilität - etwa wenn sie Familie und Beruf unter einen Hut bekommen müssen. 

"Werden Zuschläge für Mehrarbeit steuerlich begünstigt, könnten Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber unter Druck geraten, Überstunden sofort auszubezahlen. Das gefährdet den Bestand bewährter Arbeitszeitkonten. Das wäre darüber hinaus ein tiefer Eingriff in betriebliche Abläufe. Fehlen diese Überstunden, könnte es bei kurzfristigen Auftragsschwankungen auch deutlich schneller zur Inanspruchnahme von Kurzarbeit kommen", warnt der Steuerberaterverband.

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Ein weiteres Risiko sei, dass Tarifvertragsparteien die Wochenarbeitszeit gezielt absenken – etwa auf 34 Stunden. Wer dann weiter 38 oder 40 Stunden arbeitet, könnte zusätzlich zum Entgelt abgabenfreie Zuschläge für die weiteren vier bis sechs Stunden erhalten – ohne echte Mehrarbeit zu leisten. "Auf diese Weise ließen sich Nettolöhne erhöhen, ohne das Arbeitsvolumen auszubauen", so der DStV.

Wettbewerbsnachteile für kleinere und mittlere Unternehmen

Außerdem könnte es zu Wettbewerbsnachteilen von kleinen und mittleren Unternehmen oder Freiberuflern kommen. Sie hätten oft 40 Stunden pro Woche als reguläre Arbeitszeit und teilweise keine Tarifverträge. "Die Grenze für begünstigte Mehrarbeit liegt damit bei ihnen höher als in tarifgebundenen Bereichen. Damit würden Beschäftigte dort seltener in den Genuss steuerfreier Zuschläge kommen. Dadurch entsteht ein deutlicher Wettbewerbsnachteil beim Halten und Gewinnen von Fachkräften."

Noch dazu komme, dass kleinere Unternehmen kaum finanziell kaum in der Lage seien, neben dem Überstundenentgelt zusätzlich steuerfreie Zuschläge zu zahlen. Wenn große Unternehmen damit anfangen, verschärfe das den Wettbewerbsnachteil der kleinen Betriebe.

Obendrauf komme dann noch Abgrenzungsfragen und die Bürokratie, so der DStV:

  • Wann beginnt eine Überstunde, für die zusätzlich zum Entgelt ein steuerfreier Zuschlag gezahlt werden kann?
  • Ab der ersten Minute oder erst nach einer bestimmten Zeitgrenze?
  • Müssen diese Überstunden angeordnet sein?
  • Was gilt bei flexiblen Arbeitszeitmodellen oder bei mehreren Teilzeitjobs, die zusammen über 40 Stunden hinausgehen?
  • Greift die Steuerfreiheit der Zuschläge auf das Entgelt für geleistete Überstunden auch bei Gesellschafter-Geschäftsführern einer GmbH?
  • Arbeitgeber müssten die Arbeitszeiten exakt dokumentieren. 

Fazit: "In der Praxis kaum handhabbar"

DStV-Präsident StB Torsten Lüth warnt: "Mehrarbeit steuerlich zu fördern, ist ein verständlicher Gedanke. Doch die Umsetzung erscheint in der Praxis kaum handhabbar. Die Steuerfreiheit von Zuschlägen für Mehrarbeit gefährdet flexible Arbeitszeitmodelle, erhöht den bürokratischen Aufwand und benachteiligt viele Arbeitgeber – insbesondere die Freien Berufe. Statt zusätzlicher bürokratischer Belastungen braucht es einfache und gerechte Lösungen, die tatsächlich zu mehr Arbeitsleistung führen."

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Text: / handwerksblatt.de

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