Kohäsionspolitik: Handwerk fordert wirtschaftsnahen Einsatz der Fördermittel
Verschiedene Wirtschafts- und Sozialverbände, auch der ZDH, appellieren an die Bundesregierung, sich für eine Modernisierung der EU-Kohäsionspolitik einzusetzen.
"Europäische Kohäsionspolitik muss weiter regional denken, passgenau fördern und konkret wirken und dies dort, wo Betriebe ausbilden, modernisieren und in die Zukunft investieren." Das sagt Karl-Sebastian Schulte, Geschäftsführer des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks (ZDH). Verschiedene Förderprogramme stärkten die handwerklichen Strukturen, doch würden immer enger eingesetzt. Schulte fordert deswegen eine wirtschaftsnahe Verwendung der Fördermittel für "klimagerechte Umstellungen in Betrieben, für Infrastruktur, die Wachstum ermöglicht".
Die neue Bundesregierung sei gefordert, sich in Brüssel für eine mittelstandsfreundliche Kohäsionspolitik einzusetzen und damit ihre Zusagen aus dem Koalitionsvertrag einzulösen. Schulte: "Es gilt, die Förderfähigkeit aller Regionen zu sichern, Verfahren zu entschlacken und Programme mittelstandsgerecht zu gestalten: Das ist der Weg, um Europa für Handwerksbetriebe spürbar und wirksam zu machen." In einem Schreiben wenden sich mehrere Wirtschafts- und Sozialverbände, darunter der ZDH, an die Regierung und fordern sie auf, sich auf europäischer Ebene für die Modernisierung der Kohäsionspolitik einzusetzen.
Mittelverwaltung zu komplex
KohäsionsberichtHier finden Sie den aktuellen Kohäsionsbericht der EU-Kommission.Die europäische Kohäsionspolitik leistet einen elementaren Beitrag zur wirtschaftlichen Konvergenz, Schaffung gleichwertiger Lebensverhältnisse, zur Ausbildung und Qualifizierung von Fachkräften, zur Bekämpfung von Armut und Benachteiligung und zur Finanzierung der digitalen und ökologischen Transformation, heißt es in dem Schreiben. Trotz ihres positiven Einflusses auf die Entwicklung vieler Regionen gebe es Herausforderungen. "Die hohe administrative Komplexität der Antragstellung und Mittelverwaltung behindert die Effizienz und Wirkung der Unterstützung. Es darf nicht dazu kommen, dass Regionen trotz jahrzehntelanger Unterstützung in ihrer Entwicklung stagnieren."
Für eine erfolgreiche und langfristige Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit und Resilienz Europas sei eine gestärkte und modernisierte Kohäsionspolitik mit ihrem Grundpfeiler der geteilten Mittelverwaltung und der dezentralen Umsetzung die Voraussetzung. "Denn eine gelungene Kohäsionspolitik ist ein wichtiger Motor für nachhaltige Entwicklung, die Bewältigung der Transformation und selbsttragendes Wirtschaftswachstum."
Das fordern die Verbände
- Auch in Zukunft sollte die Kohäsionspolitik entlang ihrer tatsächlichen Bedarfe budgetiert werden, damit alle Regionen in der EU und in Deutschland durch gezielte Weiterentwicklung ihrer Stärken oder Bewältigung ihrer Schwächen von einer besseren wirtschaftlichen, sozialen und nachhaltigen Entwicklung entlang der Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen profitieren können. Ziel muss sein, dass Regionen proaktiv unterstützt werden, bevor Wertschöpfung und gute Arbeitsplätze verloren gehen.
- Eine Governance-Reform der Kohäsionspolitik sollte im Einklang mit den Grundpfeilern der Kohäsionspolitik erfolgen. Entscheidungen über die konkrete Ausgestaltung der Förderprogramme müssen in Zukunft weiterhin auf regionaler und kommunaler Ebene im Dialog mit den Betroffenen getroffen werden. Das ist die große Stärke der europäischen Strukturfonds. Das bewährte Prinzip der Subsidiarität im Multi-Level-Governance-Ansatz und das Partnerschaftsprinzip müssen gestärkt und weiterentwickelt werden. Denn in Regionen, in denen die Bottom-up-Beteiligung gut funktioniert, werden europäische Fördermittel effizienter, sozialer und nachhaltiger eingesetzt.
- Die EU-Förderprogramme müssen vereinfacht werden. Die Wirksamkeit der Projekte vor Ort wird oft durch den bürokratischen Aufwand geschmälert, etwa in der Antragstellung, in der Kommunikation mit den Programmverwaltungsstellen oder durch ausufernde Berichterstattungspflichten. Zu viele Ressourcen fließen in die Administration der Projekte. Besonders angesichts des Arbeitskräftemangels verringert dies den Mehrwert und die Attraktivität der Förderprogramme. Um die EU-Förderung in der neuen Förderperiode effektiver und effizienter zu gestalten, sollte der Fokus von Reformbemühungen darauf liegen, die derzeit hohe administrative Komplexität der Antragstellung und Mittelverwaltung zu reduzieren, die Passfähigkeit für kleinere Akteure aus Mittelstand und Zivilgesellschaft zu verbessern, die Verwaltungskapazitäten vor Ort zu stärken und eine programmspezifische Wirkungsorientierung über entsprechende Evaluierungsaufträge zu ermöglichen. Es darf nicht darum gehen, soziale und ökologische Standards abzubauen, sondern kommunale Verwaltungen vor Ort in die Lage zu versetzen, Mittel schnell und effizient abzurufen und Projekte eigenständig umzusetzen. Handlungsfähige Kommunen und Möglichkeiten einer passgenauen Regionalentwicklung sind essenziell, um eine effiziente Kohäsionspolitik vor Ort zu ermöglichen.
- Zudem muss die Mobilisierung von privaten Investitionen verbessert werden. Unternehmen sind im Vergleich zum öffentlichen Sektor deutlich seltener an Projekten beteiligt. Ein Grund, aber sicher nicht der einzige, sind die aufwendigen Antragsanforderungen, die mit der Unternehmensrealität oft nicht übereinstimmen. Insofern sollten Maßnahmen ergriffen werden, um Unternehmen aller Größenordnungen und zivilgesellschaftlichen Organisationen den Zugang zu den Projekten zu erleichtern.
- Die EU-Strukturfonds sollten sich in der nächsten Förderperiode wieder stärker auf ihre Kernziele konzentrieren. Eine klare Fokussierung würde die Programmsteuerung erleichtern und die Sichtbarkeit der EU-Förderprogramme erhöhen. Dabei sollte die Kohäsionspolitik stärker auf die Zielverwirklichung und weniger auf die getätigten Ausgaben abzielen, wofür datenbasierte, nachvollziehbare Investitionen wichtig sind.
- Auch für viele Unternehmen, Organisationen der Zivilgesellschaft und Wirtschaft und öffentliche Antragssteller wäre eine deutliche Straffung, Vereinfachung und Fokussierung sinnvoll. Alle EU-Strukturfonds benötigen zudem ein gewisses Maß an Flexibilität und Anpassungsfähigkeit: Angesichts sich wandelnder Herausforderungen ist es wichtig, dass die EU-Förderprogramme schnell auf neue europäische Bedürfnisse reagieren können.
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Text:
Lars Otten /
handwerksblatt.de
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