Während der Bauarbeiten blieb der Kran einmal mit schweren Betonfertigteilen an der Oberleitung hängen, die auch das Grundstück des Klägers mit Strom versorgte

Während der Bauarbeiten blieb der Kran einmal mit schweren Betonfertigteilen an der Oberleitung hängen, die auch das Grundstück des Nachbarn mit Strom versorgte. (Foto: © yuttana jeenamool/123RF.com)

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Baukran darf nicht über das Nachbargrundstück schwenken

Betriebsführung

Ein Hausbesitzer wehrte sich erfolgreich gegen einen Baukran, der vom Nachbargrundstück herüberschwenkte. Der Bauherr habe ihn darüber nicht vorher informiert und könne sich daher nicht auf das Hammerschlags- und Leiterrecht berufen, urteilte das OLG Stuttgart.

Manchmal lässt es sich nicht vermeiden, beim Bauen auch das Nachbargrundstück mit einzubeziehen. Das kann unter Umständen erlaubt sein, denn Häuslebauer haben dafür ein sogenanntes Hammerschlags- und Leiterrecht. Allerdings ist es dafür notwendig, den Nachbarn vorher zu informieren. Einfach so loszubauen, geht nicht, sagt das Oberlandesgericht Stuttgart.

Der Fall

In Baden-Württemberg stritten die Eigentümer zweier benachbarter Grundstücke über Bauarbeiten. Der Bauherr ließ zwei Doppelhäuser und vier Garagen errichten, wofür ein 18 Meter hohen Turmdrehkran mit einem etwa 28 Meter langen Ausleger an der Grundstücksgrenze aufgestellt wurde. Der Ausleger überschwenkte mehrfach und für längere Zeit sowohl ohne als auch mit Last den Luftraum über dem Grundstück des Nachbarn. Dies hatte der Bauherr nicht vorher angekündigt.

Während der Bauarbeiten blieb der Kran einmal mit schweren Betonfertigteilen an der Oberleitung hängen, die auch das Grundstück des Nachbarn mit Strom versorgte. Durch diesen Vorfall wurde das Dachgeschoss des Nachbarhauses erschüttert. Daraufhin verlangte der Nachbar, dass das Überschwenken des Baukrans unverzüglich beendet werde. Das Landgericht gab ihm recht, aber nur für den Fall eines Überschwenkens mit Lasten. Das genügte dem Nachbarn nicht, er wollte auch das Überschwenken des Baukrans ohne Lasten verbieten.

Das Urteil

Das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart hat dem Nachbarn recht gegeben. Der Bauherr muss den das Überschwenken des Krans auch ohne Lasten unterlassen. Da der Bauherr die "Benutzung" des Nachbargrundstücks nicht angezeigt habe, könne er sich nicht auf das im Nachbarrechtsgesetz Baden-Württemberg vorgesehene "Hammerschlags- und Leiterrecht" und eine entsprechende Duldungspflicht des Klägers berufen, erklärte das Gericht.

Der Bauherr habe das in § 7d Abs. 2 Nachbarrechtsgesetz Baden-Württemberg (NRG BW) auch für das Einschwenken eines Baukrans in den nachbarlichen Luftraum vorgesehene Verfahren nicht eingehalten, so das Urteil. Daher könne er nicht auf das Hammerschlags- und Leiterrecht nach § 7d NRG BW berufen, das den Nachbarn zur Duldung verpflichtet hätte. Nach den gesetzlichen Vorgaben hätten der Bauherr das Benutzen des Nachbargrundstücks durch Überschwenken des Kranes – mit oder ohne Lasten – zwei Wochen vor der Benutzung anzeigen müssen, was nicht erfolgt war.

Hätte der Nachbar dem Überschwenken dann nicht zugestimmt, so hätten der Bauherr erst Duldungsklage erheben müssen und auch dann nicht sein vermeintliches Recht im Wege der Selbsthilfe durchsetzen können. Dem Bauherrn droht für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld. 

Oberlandesgericht Stuttgart, Urteil vom 31. August 2022, Az. 4 U 74/22

Das Hammerschlags- und Leiterrecht 

"Das Hammerschlagsrecht berechtigt zum Betreten des Nachbargrundstücks zur Ausführung von Reparaturen am eigenen Haus. Das Leiterrecht erlaubt es, beim Nachbarn eine Leiter oder ein Baugerüst aufzustellen sowie vorübergehend Geräte und Materialien zu lagern. Damit bekommt der Hauseigentümer Zutritt zum nachbarlichen Grundstück", erklärt Rechtsanwalt Matthias Herold aus Köln. Ein solches Recht ist in den jeweiligen Nachbarrechtsgesetzen der Bundesländer geregelt.

"Es muss sich dabei aber um notwendige Arbeiten handeln, reine Verschönerungsarbeiten fallen nicht darunter", betont Herold. "Auch wer nur Geld sparen will, darf den Nachbarn nicht behelligen. Gibt es andere Wege für die Baumaßnahmen, muss der Hausherr diese nutzen, auch wenn sie teurer sind."

Rechtzeitig informieren

Und einfach die Handwerker bestellen und loslegen geht schon gar nicht. Der Nachbar muss rechtzeitig vorher informiert werden, je nach Bundesland zwischen zwei Wochen und einem Monat vorher. Der Hauseigentümer muss mitteilen, welche Arbeiten nötig sind, wann sie beginnen (Tag und Uhrzeit), wie lange sie dauern und welche Beeinträchtigungen sie mit sich bringen. "So kann der Nachbar sich darauf einstellen und auch prüfen, ob er zur Duldung der Arbeiten verpflichtet ist", sagt der Rechtsanwalt.

Verbietet der Nachbar die Benutzung seines Grundstücks, darf man es nicht einfach betreten. "Das wäre ein unerlaubter Eingriff in das besonders geschützte Eigentumsrecht. Stattdessen muss der Hauseigentümer vor Gericht gehen", stellt Experte Herold klar. "Entsteht durch die Verzögerung ein Schaden, so muss der Nachbar diesen ersetzen, wenn seine Untersagung rechtswidrig war."

Entschädigung für den Nachbarn

Natürlich hat der Nachbar nicht nur Pflichten, sondern auch Rechte: Die Landesgesetze regeln, unter welchen Voraussetzungen er vom Bauherrn eine Entschädigung für die Inanspruchnahme seines Grundstücks bekommt. Wird sein Garten zertreten oder sein Eigentum anderweitig geschädigt, so besteht eine Schadensersatzpflicht.

Und wenn der Nachbar auf die Bitte hin nur schweigt? "Dann dürfen der Bauherr – und seine Handwerker – den Garten betreten, sofern das Anliegen fristgemäß und vollständig vorgebracht war. Das hat der Bundesgerichtshof entschieden", weiß Herold. Und ergänzt: "Bei Notfällen wie Bränden oder Überschwemmungen darf er das auch ohne Ankündigung. Er muss aber beweisen, dass eine Notsituation bestand."

Sonderfall Baukran

Normale Baumaßnahmen bringen schon erhebliche Belästigung und können das nachbarschaftliche Verhältnis in Mitleidenschaft ziehen. Dies gilt umso mehr, wenn auch noch ein Baukran aufgestellt wird. Schwenken tonnenschwere Lasten über das Haus, bekommen viele Leute Angst. Also wollen sie oft das Aufstellen des Krans verhindern. Meistens mit Erfolg: Gerichte haben in verschiedenen Fällen zwar nicht den Kran selbst als Beeinträchtigung gesehen, jedoch das Überschwenken des Kranauslegers über das nachbarliche Grundstück. Der Nachbar kann dies verbieten, nach Ansicht des Oberlandesgerichts Düsseldorf aber nur dann, wenn tatsächlich Lasten über das Grundstück getragen werden (Az. I-9 W 105/06).

Rechtsanwalt Herold rät Hauseigentümern: "Das Hammerschlags- und Leiterrecht kann den Nachbarn zum Dulden des Baukrans zwingen. Sogar das Überschwenken eines Kranauslegers kann davon erfasst sein." Wichtige Voraussetzung dafür ist, dass der Kran für Bau- oder Instandhaltungsarbeiten verwendet wird (Oberlandesgericht Düsseldorf, Az. 9 U 36/89). Die anderen Voraussetzungen des Hammerschlags- und Leiterrechts müssen natürlich ebenfalls eingehalten werden. In einem Fall des Landgerichts Coburg (Az. 23 O 477/17) hatte der Bauherr die Arbeiten dem Nachbarn nicht angezeigt und zog den kürzeren.

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Text: / handwerksblatt.de