Ein absolutes Ärgernis
Beim Umstieg in die Lehre fallen für Ex-Studenten viele Privilegien weg.
David Schade ist mein neuer Auszubildender. Er hat den Schornsteinfegerberuf gewählt, nachdem sich bei ihm nach zwei Semestern Energie- und Umwelttechnik der Eindruck verfestigt hatte, dass ihn im weiteren Studium zwar bannig viel Theorie, aber überschaubar wenig Technik erwartet. Ich erfreue mich an dem jungen Studienzweifler; vor allem an dem interessanten Austausch mit ihm, der bereits ein gewisses akademisches Überblickswissen mitbringt, der zu "lernen" weiß, und jetzt einfach die größere Lust hat, zu "machen"; auch einen täglichen, berufspraktischen Beitrag zum Umweltschutz leisten will. Ich freue mich an seiner Motivation. Denn er beschreibt seinen neuen Qualifizierungsschritt als ein Vorwärts, nicht als Rückschritt.
Er tut dies: trotz allem. Denn David hat die Vorteile der in Deutschland seit Humboldts Zeiten gepflegten Bevorzugung der hochschulischen gegenüber der beruflichen Ausbildung ganz selbstverständlich gerne "mitgenommen". Die öffentlich subventionierte Studentenbude, bei der es jetzt Knall auf Fall: "Sofort raus!" hieß. Für die jetzt Wohnraumersatz im überteuerten Düsseldorf her muss. Aus dem mäßig gefüllten Säckel der Ausbildungsvergütung. Das Semesterticket für 30 Euro, das den jetzt notwendig werdenden Reiseaufwand zwischen dem Heimatort Nettetal und Ausbildungsort Düsseldorf so weich aufgefangen hätte.
Ungleichbehandlung der Qualifizierungs-Welten
Erschrocken muss David stattdessen zur Kenntnis nehmen, dass er fürs Monatsticket Preisstufe C beim Regionalverbund Rhein-Ruhr ab sofort 120 Euro pro Monat zu berappen hat. Und während ihm beim Jobben als Student pauschal lediglich zehn Prozent an Steuern und Sozialabgaben abgezogen worden sind, muss er als angehender "schwarzer Kerl" auch noch eine vergleichsweise deftige Schrumpfkur am gewiss nicht sehr üppigen Lehrlingssold hinnehmen. Denn für Sozialversicherungsbeiträge werden ihm nun satte 20 Prozent vom Brutto abgezogen. Und das sind noch längst nicht alle Unterschiede.
Auch mir bereiten die Erfahrungen meines jungen Mitarbeiters Bauchschmerzen. Als Handwerker und Arbeitgeber, und als Vertreter der Interessen des ausbildungsengagiertesten aller Wirtschaftssektoren. Was sich für David wie ein Rausschmiss aus dem gemachten Nest anfühlt, diese öffentliche Ungleichbehandlung der beiden großen Qualifizierungs-Welten, erlebe auch ich als eine Ohrfeige. Wertschätzung für die Beruflichkeit muss doch anders gehen!
Beide Tätigkeitswelten eng miteinander verzahnt
Und zwar schon bald, eigentlich sofort. Denn die angenommenen Niveauunterschiede an Leistungsfähigkeit und Karrieremöglichkeiten sind doch reine Fiktion. Mein verstorbener Amtsvorgänger Professor Wolfgang Schulhoff war Hochschullehrer, Handwerker und Unternehmer; Gesellinnen wie Anja Karliczek können heutzutage ganz selbstverständlich Bildungsministerin werden. Längst sind die beiden Tätigkeitswelten eng miteinander verzahnt, ja bedingen sich teilweise sogar einander: in der Forschung und Entwicklung etwa. Und ticken somit im besten Sinne "dual", wenn es um den Qualifikationserwerb für Führungsaufgaben geht, einschließlich der dringend benötigten nächsten Unternehmergeneration.
Absolventen mit Abschlüssen aus beiden Welten liegen deshalb ganz vorn in der Präferenz der Personalchefs, die die Neueinstellungen verantworten. Nur gewisse Regierungskreise meinen noch, sie hätten Zeit, die Uhren auf bildungspolitische Normalzeit zu stellen.
"Landesregierung, bitte übernehmen!"
Als Arbeitgeber und Ausbilder in einem ressourcenbewussten Wirtschaftsbereich, der – selbstverständlich, wenn er einen vielversprechenden Lehrling halten will – beim Fahrticket aushilft und auch bei der Wohnungssuche ein paar Anstrengungen beisteuert, kann mir das Umstiegs-Erleben meines jungen Mitarbeiters in die duale Zone als "Klimaschock" nicht egal sein. Und als Repräsentant des Handwerks, der in Zeiten des wachsenden Personalnotstands in allen gewerblich-technischen Berufen eine gleichberechtigte Wahrnehmung und gleichgewichtige Förderung beider Qualifizierungswege ansprechen und beanspruchen muss, ist für mich die Erfahrung meines neuen Auszubildenden mehr als das: ein absolutes Ärgernis. Landesregierung, bitte übernehmen!
Text:
Andreas Ehlert / Handwerkskammer Düsseldorf /
handwerksblatt.de
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