DHB: Am 22. Mai ist für Sie Schluss als Präsident der Handwerkskammer zu Köln. Nach mehr als drei Jahrzehnten ehrenamtliches Engagement: Können Sie das Handwerk hinter sich lassen?
Wollseifer: Mit meinem Abschlussbericht in der Vollversammlung sind 15 Jahre Präsidentschaft zu Ende, und ich übergebe an den Ältesten der Versammlung, der die Neuwahlen durchführt. Danach kann ich sehr gut loslassen. Ich habe die vergangenen 15 Jahre in guter Erinnerung. Sie haben mir viel gegeben und meine Persönlichkeit ein Stück weit geprägt. Doch ich habe die Gegenwart und die Zukunft fest im Blick: Ich habe in Berlin noch Mandate im Bereich Gesundheitspolitik und bin noch im ZDH-Präsidium. Zudem gibt es mein Immobilienunternehmen, das ich gemeinsam mit meinem Schwiegersohn führe.
DHB: Was nehmen Sie aus Ihrer Amtszeit hier in Köln mit?
Wollseifer: In der Region habe ich mich 30 Jahre ehrenamtlich für das Handwerk engagiert – als Arbeitgeber-Vizepräsident, zehn Jahre als Kreishandwerksmeister in Rhein-Erft und anschließend 15 Jahre als Kammerpräsident. Es waren gute wie anstrengende Zeiten, ich habe tolle Menschen ebenso erlebt wie persönliche Enttäuschungen. Vor allen Dingen habe ich mich sehr gerne für die bodenständigen und fleißigen Handwerkerinnen und Handwerker engagiert.
DHB: Was waren Ihre persönlichen Meilensteine?
Wollseifer: Die vornehmliche Aufgabe der Handwerkskammer ist es, ihre Betriebe auf allen Ebenen zu unterstützen – darum haben wir uns immer bemüht. Wir haben ein Technologiezentrum an unserem Campus gebaut und den Ausbildungscampus und den Meistercampus modernisiert; mit neuer Mensa, mit modernen Unterrichtsräumen und Maschinen, so dass wir auf neuestem Stand der Technik die meisten Ausbildungen durchführen können. Wir haben Mittelstandsvereinbarungen mit den Städten Köln und Bonn getroffen, die wir jetzt erneuern: mit Masterplänen, in denen wir die Stadtentwicklung, die Wohnbauentwicklung, die Verkehrsentwicklung regeln wollen. Alles, was unsere Handwerker hier vor Ort betrifft, steht in diesen Masterplänen.
DHB: Rechtlich bindend sind solche Masterpläne für die Kommunalpolitik aber nicht…
Wollseifer: Leider nicht, und wir haben erlebt, dass unterschriebene Vereinbarungen plötzlich ignoriert wurden. Bei jedem neuen Dezernenten fängt die Überzeugungsarbeit neu an. Nehmen Sie das sensible Thema Parkraumregelung. In manche Straßenzüge fahren Handwerker nur noch in Notfällen oder wenn sie eine Parkplatzgarantie beim Kunden bekommen. In Bonn melden wir uns zur Verkehrspolitik zusammen mit der IHK durch die Aktion "Vorfahrt Vernunft" zu Wort, auch in Köln haben wir das Thema Wirtschaftsparkplätze angestoßen. Mit der IHK, "Arbeitgeber Köln" und dem DGB bringen wir auch bei anderen Themen unsere Positionen zum Ausdruck. Doch es ist richtig: Wir können zwar Beratungen und gemeinsame Lösungen anbieten, aber letztlich sind uns die Hände gebunden, wie man zum Beispiel an der Verpackungssteuer sieht, die in Bonn kommt und in Köln noch diskutiert wird. Dabei ist belegt, dass diese neue Steuer den Verpackungsmüll nicht reduziert, sondern, provokativ gesagt, reine Geldschneiderei ist.
DHB: Warum treten Sie bei der nächsten Wahl nicht mehr an; hat das mit den zwischenzeitlich erhobenen Vorwürfen – Rechtsstreit mit einem früheren Hauptgeschäftsführer, einer angeblich überzogenen Weihnachtsfeier im Kölner Zoo und eine Auftragsvergabe an ein Vorstandsmitglied – zu tun?
Wollseifer: Den Entschluss, nach 15 Jahren als Präsident nicht mehr anzutreten, habe ich unabhängig von äußeren Einflüssen zusammen mit meiner Familie getroffen, um mehr Zeit für uns zu haben. Im August werde ich 70 Jahre. Ich bin alt genug, um meine regionalen Aktivitäten zu beenden, aber noch jung genug, um auf Bundesebene und mit meinem Immobilienunternehmen etwas zu bewegen. Zu den Vorwürfen: In der Konsequenz war keiner der gegen mich – oder auch gegen den Vorstand – erhobenen Vorwürfe haltbar oder hat zu negativen rechtlichen Auswirkungen geführt. Im Sommer letzten Jahres sah ich mich auf Initiative einiger weniger Personen einer perfiden Kampagne gegen mich ausgesetzt. Übliche Sachzusammenhänge wurden so verdreht und zum Teil auch bewusst falsch dargestellt, dass sie medial skandalwürdig erschienen.
DHB: Die Vorwürfe sind also "durch"?
Wollseifer: Ja. Wegen der vom Bundesverband für freie Kammern (BffK) gestellten Strafanzeige zum Weihnachtsessen des Vorstandes im Kölner Zoo hat die Staatsanwaltschaft kein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Der Zivilprozess gegen den ehemaligen, bis März 2019 amtierenden Hauptgeschäftsführer war kein Alleingang von mir oder des Vorstands, sondern erfolgte auf Anraten einer renommierten Rechtsanwaltskanzlei und in Absprache mit der Geschäftsführung und der Vollversammlung unserer Handwerkskammer. In dem Fall haben wir uns nicht durchgesetzt, aber damit ist ein ganz normaler, operativer Vorgang abgeschlossen. Ich bin sehr dankbar, dass sich Innungen, die Kreishandwerkerschaften sowie auch die Vollversammlung und Verantwortliche aus Politik und Gesellschaft solidarisch hinter mich gestellt und mir ihr Vertrauen ausgesprochen haben.
DHB: In öffentlichen Ämtern steht jeder unter Beobachtung…
Wollseifer: …und nicht nur das: Ich habe in Berlin viel erlebt, dazu gehörten Beschimpfungen, Beleidigungen und zweimal sogar Bedrohungen.
DHB: Wie unterscheidet sich die Arbeit als Kölner Kammerpräsident von der Zeit als Präsident des Zentralverbands des Deutschen Handwerks in Berlin?
Wollseifer: Die Unterschiede sind schon gravierend. Als ZDH-Präsident war ich zugleich auch Vizepräsident der Handwerker und Mittelständler auf europäischer Ebene in Brüssel, und damit trägt man Verantwortung für 28 Millionen Mittelständler und Handwerker. Zugleich war ich BDA-Vizepräsident. Daraus ergeben sich sehr vielfältige Aufgaben mit einer enormen zeitlichen Belastung, unabhängig davon, dass die Kölner Kammer durch ihre Größe auch sehr viel Stahlkraft hat. Es blieb kaum Zeit für Persönliches. Aber die Jahre in Berlin werden mir in sehr guter Erinnerung bleiben.
DHB: Wie ist es um die thematischen Unterschiede bestellt?
Wollseifer: Man darf nicht vergessen, dass die Themen auf europäischer und Bundesebene letztlich auf die regionale oder sogar lokale Ebene durchgereicht werden. Daher konnte ich mich als Kammerpräsident genauso zu diesen Themen äußern wie auf Bundes- oder europäischer Ebene. Probleme, die wir als Kammer in Köln haben, sind ebenso in den anderen 52 Kammern ähnlich gegenwärtig, etwa das genannte Thema Parkraum.
DHB: Wie sehen Sie die Entwicklung von Köln?
Wollseifer: Köln ist eine dynamische und auch aufstrebende Millionen-Stadt mit einer extrem dynamischen Wirtschaftsszene. Aktuellstes Beispiel: Mit dem Spacehub entwickeln und steuern wir hier in Köln künftig europäische Satelliten, schaffen einen Gegenpol zu Elon Musks Starlink und sorgen für Unabhängigkeit. Es siedeln sich wieder viele Betriebe an, die in diesem Kontext tätig sind. Zugleich ist es wichtig, dass den Unternehmen, die bereits am Standort tätig sind, hinreichend Aufmerksamkeit geschenkt wird.
DHB:Wirtschaft braucht aber eine Infrastruktur…
Wollseifer: …zu der wir unsere Positionen klar formuliert haben. Nehmen Sie die Diskussion um die Ost-West-Achse, eine dringend benötigte Verbindung, die jetzt unterirdisch als Tunnel kommen soll. Das braucht Zeit und kostet, aber es ist eine enorme Chance, sich ergebenden Freiraum zu begrünen und den Menschen zur Verfügung zu stellen. Durch den Tunnel gibt es also eine Belebung der Innenstadt statt einer zusätzlichen Verbauung, zudem wird der Verkehr erheblich entlastet. Oder schauen wir auf die Entwicklung im rechtsrheinischen Köln: Was dort an Gewerbeansiedlungen in den zurückliegenden ein, zwei Dekaden stattfand, ist – genau wie die zukünftigen Planungen für den Ausbau des Deutzer Hafens als neues Wohnquartier – einfach toll.
DHB:Bei welchen Themen muss das Handwerk jetzt generell um Gehör kämpfen?
Wollseifer: Dazu gehört die Gleichwertigkeit der beruflichen mit der akademischen Bildung. Wir hätten es fast geschafft, diese in einem Deutsche-Qualifikationsrahmen-Gesetz festzuschreiben, mit der neuen Regierung müssen wir da erneut ansetzen. Auch wenn die Festschreibung in der Verfassung wie in der Schweiz eigentlich richtig wäre. Denn ohne eine Bildungswende werden wir alle großen Aufgaben der Zukunft nicht bewältigen, egal, ob es die Klimawende, Energiewende, Mobilitätswende oder die Versorgung der älter werdenden Gesellschaft ist. So könnte sich auch langfristig der Fachkräftemangel in den Griff bekommen lassen, wenn berufliche Bildung als gleichwertig anerkannt wird. Ein weiteres wichtiges Thema für das Handwerk ist natürlich auch eine dringend benötigte Entlastung.
DHB:Sie zielen auf Steuern, Sozialabgaben, Energiekosten ab.
Wollseifer: Wollseifer: Ganz genau. Da brauchen unsere Betriebe Luft und vor allen Dingen das Gefühl, dass sich Arbeit sich wieder lohnt. Wenn ich als Gesellin, als Facharbeiter oder Pflegekraft nur geringfügig mehr Geld verdiene als jemand, der Bürgergeld und andere zusätzliche Einkommensmöglichkeiten bezieht, dann wird der Wert der Arbeit falsch eingeschätzt. Wir müssen in unserer Gesellschaft den Wert der Arbeit wieder so einschätzen, dass sie nicht als belastend oder krank machend empfunden wird, sondern dass sie gesellschaftliche Teilhabe und eine wirtschaftliche Beweglichkeit ermöglicht.
DHB: Glauben Sie, dass die Koalition da zumindest ein Zeichen setzen kann?
Wollseifer: Wer den Koalitionsvertrag gelesen hat, gerade die wichtigen Passagen im Bereich Wirtschaft, Soziales und Gesundheitspolitik, findet zwar auch Lücken, aber der Vertrag macht Hoffnung, dass man diese Themen wirklich angeht. Ich glaube auch, dass die Politik die Herausforderungen erkannt hat und weiß, dass es heutzutage keine Erkenntnisdefizite mehr gibt, sondern dass es jetzt ums Machen gehen muss. Das sollten wir nach den ersten 100 Tagen auch schon spüren, um wieder mehr Vertrauen in die politisch Handelnden zu bekommen. Wenn sich die Wirtschaft gut entwickelt, wenn die Staatskasse gute Erträge hat, wenn die Firmen gut verdienen, dann können wir uns auch gute Sozialleistungen erlauben.
DHB: Was würden Sie Ihrem Nachfolger auf den Weg geben?
Wollseifer: Initiativ werde ich meinem Nachfolger keine Ratschläge geben, aber meine persönlichen Kontaktdaten, sodass er mich jederzeit im Bedarfsfall kontaktieren kann. Jede Nachfolgerin, jeder Nachfolger muss die Freiheit haben, eigene Ideen, eigene Initiativen zu entwickeln, um das Handwerk in der Region Köln-Bonn in eine gute Zukunft zu bringen – Ratschläge würden diesen Freiraum nur beschneiden.
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Text:
Stefan Buhren /
handwerksblatt.de
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