Die Finanzpolster vieler Handwerksunternehmen sind aufgezehrt, schnell kann es zu Liquiditätsschwierigkeiten und Zahlungsunfähigkeit kommen. Zahlen oder nicht zahlen?

Die Finanzpolster vieler Handwerksunternehmen sind aufgezehrt, schnell kann es zu Liquiditätsschwierigkeiten und Zahlungsunfähigkeit kommen. Zahlen oder nicht zahlen? (Foto: © mariok/123RF.com)

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Geschäftsführer müssen drohende Insolvenz erkennen

Die Finanzpolster vieler Handwerksunternehmen sind aufgezehrt, schnell kann es zu Liquiditätsschwierigkeiten und Zahlungsunfähigkeit kommen. Zahlen oder nicht zahlen? Diese Frage wird bei einer drohenden Insolvenz leicht zur Haftungsfalle für den Chef. 

Die Hoffnung stirbt zuletzt: Geschäftsführer wollen den Zeitpunkt der Zahlungsunfähigkeit häufig nicht wahrhaben. Aber wenn ein Unternehmen nicht mehr in der Lage ist, mindestens 90 Prozent der fälligen Verbindlichkeiten binnen drei Wochen zu begleichen, muss Insolvenzantrag gestellt werden. Verletzt der Geschäftsführer einer GmbH, GmbH & Co. KG oder AG seine Sorgfaltspflicht, haftet er persönlich – mit oder statt der Gesellschaft.

Bei Liquiditätsengpass ist erhöhte Vorsicht gefragt

Bei Insolvenzgefahr ist jede Forderung genau zu prüfen, um eine persönliche Haftung auszuschließen. Rechtliche Konsequenzen können sich aus dem GmbH-Gesetz, Aktiengesetz, Bürgerlichen Gesetzbuch, Handelsgesetzbuch oder Strafgesetzbuch sowie aus der Insolvenzordnung ergeben. Droht die Insolvenz wegen Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung, sind grundsätzlich alle Zahlungen zu stoppen.

Doch gibt es einige Ausnahmen vom Zahlungsverbot: Geschäftsführer dürfen Zahlungen leisten, die erforderlich sind, um den Geschäftsbetrieb aufrechtzuerhalten. Dazu zählen in der Regel Überweisungen für Miete, Strom oder Wasser, aber auch Gehälter und Reparaturen. Aufgrund vielfältiger Beurteilungskriterien ist immer eine sorgfältige Einzelfallprüfung vor Zahlung notwendig.  Zudem haben Verpflichtungen gegenüber dem Finanzamt oder teils auch der Sozialversicherung Vorrang.

Der Chef haftet für verbotene und unterbliebene Zahlungen

Geschäftsführer haften bei Insolvenzgefahr nicht nur für verbotene, sondern auch für unterbliebene Zahlungen. Wie komplex und praxisrelevant die Haftungsproblematik ist, zeigen aktuelle Urteile des Bundesgerichtshofs (BGH): In einem Urteil bestätigte der BGH, dass Zahlungen von einem debitorischen Bankkonto an einzelne Gesellschaftsgläubiger nicht gegen das Zahlungsverbot verstoßen. Allerdings steht der Vorwurf des Betruges zu Lasten der Bank im Raum, wenn dem Geschäftsführer bei Zahlung die Insolvenzreife bekannt war.

Ein zweites Urteil bekräftigt, dass nicht nur Löhne, sondern auch Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung privilegiert sind. Diese Beträge dürfen ohne Haftungsrisiko abgeführt werden, denn der Geschäftsführer verwaltet sie ebenso wie die Lohnsteuer treuhänderisch für den Arbeitnehmer.

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Lohnzahlungen haben Vorrang

Entsprechend sollten solche Zahlungen stets Vorrang vor anderen Gläubigerforderungen haben. Vorsicht: Das gilt nicht für die Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung, deren vorrangige Abführung sorgfaltswidrig ist. In der Praxis gibt es viele Grenzfälle. Im Streitfall muss der Geschäftsführer beweisen, dass er seine Sorgfaltspflicht erfüllt hat. Geschäftsführer sollten eine Beweisvorsorge treffen und die Gründe für Zahlungsanweisungen schriftlich dokumentieren.  

Alle Haftungsfallen auf einen Blick:

1. Kritischer Zeitpunkt: Tritt Insolvenzreife ein, herrscht grundsätzlich ein Zahlungsverbot. Bleibt dieser Zeitpunkt unbemerkt, bewahrt dies nicht vor rechtlichen Konsequenzen. Der Geschäftsführer haftet mit seinem Privatvermögen, wenn er seine Sorgfaltspflicht verletzt. Es sind nur Zahlungen zulässig, die notwendig sind, den Geschäftsbetrieb aufrechtzuerhalten. Dies wird von der Rechtsprechung sehr eng ausgelegt.

 2. Kritische Reihenfolge: Zahlungen an das Finanzamt und die Sozialversicherung haben Vorrang vor anderen Gläubigerforderungen. Dazu zählen die Lohn-, Umsatz-, Körperschaft- oder Gewerbesteuer. Gleiches gilt für die Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung. Die Beträge sind fällig, sobald die Arbeitsleistung erbracht wurde.

 3. Kritische Aufteilung: Der Geschäftsführer haftet, wenn er bei Insolvenzgefahr nicht alle zulässigen Gläubigerforderungen, einschließlich die des Finanzamts, etwa im gleichen Verhältnis befriedigt. Reichen die Mittel nicht aus, darf der Geschäftsführer die Löhne nur gekürzt als Vorschuss oder Teilbetrag auszahlen, um auch die entsprechende Lohnsteuer abführen zu können.

Fazit: Bei Liquiditätsproblemen lauert in jeder Zahlung ein persönliches Haftungsrisiko. Geschäftsführer sollten offene Forderungen besonders sorgfältig prüfen. Es empfiehlt sich frühzeitig qualifizierten Rat einzuholen, um die komplexe Rechtssituation zu überblicken und kritische Punkte zu erkennen.

Dirk Obermüller, Rechtsanwalt und Insolvenzverwalter (DHPG)

Text: / handwerksblatt.de

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