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HWK des Saarlandes | November 2025
Meistervorbereitungskurs Teil III: Wirtschaft und Recht
Jetzt fit werden für die Meisterprüfung und Unternehmensführung – das können die Teilnehmenden bei einem Vorbereitungskurs machen.
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November 2025
Der Wert eines Handwerksbetriebs spielt bei vielen Anlässen eine entscheidende Rolle. Die Betriebsbewertung der Handwerkskammer hilft: objektiv, gründlich und kostenlos.
Betriebsnachfolge, Scheidung, Erbschaft oder der Einstieg eines Teilhabers: Wenn ein Handwerksbetrieb den Besitzer wechselt, spielt der Unternehmenswert eine entscheidende Rolle. Handfeste Zahlen sind dann eine wichtige Verhandlungsgrundlage.
Hilfe bieten bei dieser Aufgabe die Betriebsberater der Handwerkskammern, so wie Alexander Arnold von der Handwerkskammer Potsdam. Nach seiner Erfahrung ist das Bedürfnis nach einer neutralen, zum Handwerk passenden Bewertung groß. "Wir brauchen Bewertungsmethoden, die nicht auf Großunternehmen zugeschnitten sind", sagt der Betriebsberater.
Deswegen nutzen die Kammern für die Unternehmensbewertung eine von der Arbeitsgemeinschaft Wertermittlung im Handwerk (AWH) entwickelte Methode, das sogenannte AWH-Verfahren. Es bilde die Realität kleiner, inhabergeführter Betriebe ab. "Ein Handwerksbetrieb ist selten standardisiert. Er hängt stark vom Inhaber, vom Standort und von seiner regionalen Marktposition ab", sagt Arnold. Der AWH-Standard berücksichtige diese Besonderheiten. Das Verfahren habe sich in der Praxis bewährt und werde zunehmend von den Finanzämtern anerkannt.
Unternehmensbewertungen erstellen auch Steuerberater und Banken. Hierbei werden oft unterschiedliche Bewertungsansätze verwendet, weiß Arnold:
- Steuerberater greifen meist auf Multiplikatoren zurück: Ein bereinigter Jahresgewinn wird mit einem festen Faktor multipliziert. "Das ist einfach, aber selten handwerksgerecht", sagt der Betriebsberater. Der AWH-Standard gehe tiefer. Er beziehe betriebliche Risiken und Zukunftsaussichten kleiner Unternehmen ein.
- Banken würden Unternehmen weniger nach den Zukunftsaussichten bewerten, sondern vor allem aus der Risiko- und Sicherheitenperspektive: Wie schätzen sie die Branche ein? Was könnten sie auch noch in einer deutlich schlechteren wirtschaftlichen Lage verwerten? Das gelte insbesondere für den Beleihungswert von Immobilien. Entsprechend niedriger falle das Ergebnis aus.
Betriebsberater der Kammern haben dagegen einen anderen Auftrag: "Wir bewerten in erster Linie weder für die Bank noch für das Finanzamt, sondern für den Unternehmer", betont der Betriebsberater. "Das Ergebnis stellt eine sachgerechte Grundlage für zukünftige Nachfolge- oder Verkaufsgespräche dar."
Das AWH-Verfahren basiert auf dem Ertragswertprinzip: Der Betrieb ist so viel wert, wie er künftig voraussichtlich erwirtschaften kann. Dazu gehen die Betriebsberater in drei Schritten vor:
Schritt 1 – die Gewinnprognose: Aus der Gewinn- und Verlustrechnung (GuV) der letzten Jahre ermitteln sie ein zu erwartendes durchschnittliches Betriebsergebnis in der Zukunft. Davon ziehen sie kalkulatorische Kosten wie Unternehmerlohn, kalkulatorische Zinsen, Mieten und Abschreibungen ab. Das Ergebnis ist der künftig erzielbare betriebswirtschaftliche Gewinn. Allerdings kann sich gerade bei Einzelunternehmen ein nominell "guter Gewinn" nach diesen Korrekturen deutlich verringern, so Arnold.
Schritt 2 – der Kapitalisierungszinssatz: Doch die Gewinnprognose erfasst nicht alle Risikofaktoren eines Unternehmens. Zu den typischen Risiken kleiner Handwerksbetriebe zählt der Betriebsberater vor allem die Abhängigkeit vom Inhaber: "Wenn Auftragsakquise und Kundenbeziehungen vom Inhaber abhängen, wird ein Nachfolger den Betrieb nicht reibungslos übernehmen können, das wirkt sich durchaus auf den Gewinn aus", sagt der Betriebsberater. Das müsse durch einen Risikozuschlag in die Bewertung einfließen. Das gilt auch für andere Risiken wie etwa die Abhängigkeit von wenigen Großkunden, der Zustand und die Modernität der Betriebsausstattung sowie Branchen- und Standortperspektiven. All diese Risiken fließen bei der Bewertung in den Kapitalisierungszinssatz ein. Große Abhängigkeiten oder Schwächen erhöhen den Zinssatz und drücken damit den Ertragswert.
Schritt 3 – der Ertragswert: Jetzt kann der Betriebsberater den Unternehmenswert berechnen, den sogenannten Ertragswert: Ertragswert = prognostizierter Gewinn / Kapitalisierungszinssatz × 100.Wie das praktisch aussieht, erläutert Arnold an einem stark vereinfachten Rechenbeispiel:- Gewinnprognose: Ein Betrieb erzielt in den vergangenen Jahren durchschnittlich 150.000 Euro Gewinn. Nach Abzug eines fiktiven Unternehmerlohns, je nach Gewerk, von 70.000 Euro bleiben 80.000 Euro bereinigter Ertrag.- Kapitalisierungszinssatz: Oft führen die genannten Risiken im Handwerk zu einem Kapitalisierungszinssatz zwischen zehn und 25 Prozent. Im Beispiel geht der Betriebsberater von 20 Prozent aus.- Ertragswert: Daraus ergibt sich ein Ertragswert von 400.000 Euro (= 80.000 Euro/20*100).Arnold warnt jedoch davor, solche Beispiele als verbindliche Berechnungsgrundlage zu sehen. "Das ist eine Näherung. Die wirkliche Berechnung erfolgt immer unter Berücksichtigung aller Faktoren des Betriebes."
Auch Betriebsimmobilien können den Wert eines Handwerksbetriebs erheblich beeinflussen. Das gelte vor allem in gefragten Lagen. Zum Beispiel spiele im Berliner Umland der Immobilienwert oft eine größere Rolle als der Ertrag, berichtet der Betriebsberater. In die Bewertungen fließen deshalb betriebliche Immobilien gesondert ein.
Bei der Handwerkskammer Potsdam übernimmt das ein geprüfter Sachverständiger für Immobilienbewertung. Allerdings verfügen nicht alle Kammern über diese Expertise. Dann sei ein externer Gutachter oder der örtliche Gutachterausschuss gefragt. Geht es um steuerliche Fragen bei Erbschaften oder Schenkungen, verlangen Finanzämter Arnold zufolge Gutachten von öffentlich bestellten und zertifizierten Sachverständigen.
Und wo bleibt bei der Berechnung die Unternehmenssubstanz, also Maschinen, Anlagen und Fahrzeuge? Die spielt nur dann eine Rolle, wenn ein Handwerksbetrieb nach Abzug des Unternehmerlohns oder Geschäftsführergehalts keinen Gewinn erzielt. Folglich lässt sich auch kein Ertragswert berechnen. In solchen Fällen ermittelt die Kammer den Substanzwert: Der Betrieb wird dann nach dem Wert seines Anlagevermögens bewertet.
Laut Arnold betrifft das nicht wenige Betriebe: "Insbesondere viele Klein- und Kleinstbetriebe haben keinen positiven Ertragswert", sagt er. Gründe können wirtschaftliche Schwankungen, eine altersbedingte Rückführung des Geschäftsbetriebes oder außergewöhnliche Ereignisse wie die Corona-Jahre sein. In diesen Fällen werde zunächst der Substanzwert ermittelt. Gibt es zusätzlich eine Immobilie, fließt auch deren Wert ein. "So kommen wir am Ende zu einem realistischen Gesamtwert, selbst wenn ein Betrieb keinen Gewinn ausweist", so der Betriebsberater.
Bevor die Handwerkskammer mit der Bewertung beginnt, müssen Betriebsinhaber liefern:
- die Jahresabschlüsse der letzten drei Geschäftsjahre,
- einen aktuellen Anlagespiegel,
- Angaben zu betrieblichen Immobilien
- sowie einen Fragebogen zum Betrieb.
Dieser Fragebogen decke auch qualitative Aspekte ab, berichtet Arnold. Dazu zählen unter anderem die Mitarbeiter- und die Kundenstruktur, aber auch Fragen zu den Aufgaben des Inhabers und zum Wettbewerb. Ergänzend machen sich die Betriebsberater selbst ein Bild vom Betrieb, um die Risikofaktoren einzuschätzen.
Eine Unternehmensbewertung sei immer eine Momentaufnahme, betont Arnold. Je früher sie erstellt wird und je mehr Zeit bis zum Verkauf oder zur Übergabe vergeht, desto geringer sei ihre dann noch verbleibende Aussagekraft, so der Betriebsberater. Dennoch: Wer eine Nachfolge plant, sollte frühzeitig einsteigen. "Die Bewertung steht meist am Ende eines längeren Prozesses", erklärt der Betriebsberater. "Bis dahin müssen alle Unterlagen vorliegen, und viele Kammern haben einen längeren zeitlichen Vorlauf für die Bewertung."
Alexander Arnold Foto: © HWK PotsdamArnold empfiehlt, etwa fünf Jahre vor der geplanten Übergabe mit der Nachfolgeplanung zu beginnen, die Bewertung aber erst in der Schlussphase anzugehen. "Wichtig ist, dass sie auf aktuellen Zahlen basiert", sagt er. Ein frühzeitiger Einstieg in die Nachfolgeplanung biete zudem einen weiteren Vorteil: Er verschafft ausreichend Zeit für strategische Entscheidungen. Der Betriebsberater nennt zwei Beispiele:
- Wer verkaufen will, hat vielleicht Interesse an hohen Erträgen in den letzten Jahren für einen hohen Unternehmenswert. In diesem Fall könnte es sich lohnen, noch einmal zu investieren und bei der Akquise oder in einem neuen Geschäftsfeld Gas zu geben.
- Wer den Betrieb hingegen an die eigenen Kinder übergibt, denkt vielleicht auch an deren steuerliche Belastung durch einen hohen Unternehmenswert. Wenn gleichzeitig gute Chancen für eine Geschäftsausweitung bestehen, könnte es sinnvoll sein, die Nachfolge vorzuziehen, so dass der Nachfolger investieren und diese Chancen nutzen kann.
"Das sind legitime Überlegungen", sagt Arnold, "aber man sollte sie nicht auf den letzten Drücker anstellen."
Eine umfassende Betriebsbewertung kostet Zeit. Wer es eilig hat, findet im Internet scheinbar schnelle Alternativen: jede Menge Online-Rechner, die ein Ergebnis in wenigen Minuten versprechen. Doch wie verlässlich sind solche Tools? "Meines Erachtens taugen die Ergebnisse nichts", warnt Unternehmensberater Harald Schyia aus Velbert. "Die Ergebnisse sind oft irreführend, wenn man nicht genau weiß, welche Daten gefragt sind und diese unkontrolliert eingibt", sagt Schyia, der auch Mitglied in der Fachgruppe Unternehmensnachfolge im Verband der KMU-Berater ist. Die Gefahr: Online-Berechnungen könnten Betriebsinhaber in falscher Sicherheit wiegen. Umso größer sei dann später die Enttäuschung nach einer detaillierten Bewertung.
Wer eine solide Bewertung benötigt, komme um eine individuelle Bewertung mittels eines anerkannten, standardisierten Ertragswertverfahrens nicht herum. Das seien in der Regel der "IDW S1"-Standard des Instituts der Wirtschaftsprüfer und im Handwerk der AWH-Standard der Handwerkskammern. "Beide Verfahren setzen eine gründliche Vergangenheitsanalyse, eine belastbare Planungsrechnung und eine Risikoabwägung voraus", betont Schyia. Erst daraus ergebe sich ein tragfähiger Unternehmenswert. Der AWH-Standard habe für Handwerksbetriebe den Vorteil, dass er weniger umfangreich als der IDW S1 ist und die Besonderheiten kleiner Betriebe besser berücksichtigt.
Vor Enttäuschungen kann allerdings auch eine professionelle Unternehmensbewertung nicht immer schützen. Zunächst würden viele Betriebsinhaber den Wert überschätzen, "weil das eigene Lebenswerk auf dem Prüfstand steht". Und dann folge die nächste Enttäuschung, wenn der Verkaufspreis nicht dem Unternehmenswert entspricht. "Der Unternehmenswert ist ein Orientierungspunkt, aber über den Verkaufspreis entscheiden Angebot und Nachfrage", sagt Schyia.
Entscheidend sind aus Sicht der Käufer ein solider, planbarer Ertrag und die Fähigkeit, den Kaufpreis aus dem Cashflow zu bedienen. Zumal Nachfolger in der Regel auf eine Finanzierung durch Banken und Förderinstitute angewiesen sind: Kreditgeber würden die Kapitaldienstfähigkeit ohnehin prüfen. Ist der Kaufpreis nicht finanzierbar und ein angemessener Unternehmerlohn nicht erzielbar, platze die Finanzierung selbst bei objektiv "wertvollen" Betrieben.
"Wer verkaufen will, muss dem Nachfolger eine Zukunftsperspektive bieten", sagt der Berater. Das Unternehmen müsse für den Übernehmer wirtschaftlich attraktiv sein. "Unternehmer, die sich rechtzeitig mit Nachfolge und Bewertung befassen, haben gute Karten", so Schyia. Es gehe darum, den Betrieb "aufzuhübschen", den Ertrag zu stärken, Risiken zu verringern und Strukturen zu professionalisieren. Denn je höher der nachhaltige Ertrag für den künftigen Inhaber, desto höher der Unternehmenswert oder der potenzielle Verkaufspreis.
Über den Kaufpreis bei der Unternehmensnachfolge entscheiden nicht nur Ertragswert, Nachfrage und Verhandlungsgeschick. Auch persönliche Beziehungen zwischen Inhaber und Nachfolger beeinflussen die Zahlungsbereitschaft von Nachfolgern. Das zeigt eine aktuelle Studie des Ludwig-Fröhler-Instituts für Handwerkswissenschaften. Das Ergebnis:
- Die Zahlungsbereitschaft der eigenen Kinder liegt durchschnittlich um 22 Prozent unter der eines externen Käufers. Ähnlich sieht es bei engen Freunden aus: Sie würden 19 Prozent weniger zahlen als ein Externer.
- Wer den Betrieb an Mitarbeiter oder Exmitarbeiter verkauft, kann hingegen mit einem besseren Ergebnis rechnen: Ein Übernehmer, der bereits in dem Unternehmen gearbeitet hat, zahlt im Durchschnitt neun Prozent mehr als ein externer Käufer. Dieser Effekt verstärkt sich der Studie zufolge, wenn sich der Käufer stark mit dem Betrieb identifiziert. Hingegen spielt die Dauer der Betriebszugehörigkeit keine Rolle.
Für die Studie haben die Wissenschaftler mehr als 400 Handwerker kurz vor ihrem Meisterabschluss befragt. Die Teilnehmer erhielten dafür alle wichtigen Informationen über ein Beispielunternehmen, einschließlich einer Betriebsbewertung der Handwerkskammer. Dann sollten sie sich in realitätsnahen Szenarien in die Perspektive von Käufern versetzen und angeben, wie viel sie für den Betrieb zahlen würden.
Quelle: Degmayr, Mike: Der Einfluss von Beziehungsdynamiken auf die Zahlungsbereitschaft in nachfolgebedingten Firmenverkäufen, München, 2025.
Und was können Handwerksunternehmer tun, um ihre Position zu verbessern? Der Berater nennt vier Hebel, die in kleinen und mittleren Handwerksbetrieben am meisten bewirken:
1. Ertrag erhöhen: "Umsatz steigern, Kosten senken", empfiehlt Schyia. Typische Baustellen sind nach seiner Erfahrung: Einkauf verbessern, Kalkulation schärfen, Nachkalkulation etablieren, Auslastung und Produktivität heben. Wer die Privatentnahmen im Blick behält und Darlehen planvoll reduziert, stärkt Ergebnis und Liquidität – beides wirkt direkt auf den Wert ein. Zu den unnötigen und gewinnschmälernden Kosten zählen vor allem buchhalterisch begründete Verträge mit Familienangehörigen ohne echte Gegenleistung und deren privat genutzte Firmenwagen.
2. Abhängigkeiten abbauen: Wer Kundenumsätze breit streut, Lieferantenalternativen aufbaut und das Geschäft vom Inhaber entkoppelt, verbessert den Wert. Eine tragfähige zweite Führungsebene wirkt wertsteigernd, sagt Schyia. So kann der Nachfolger den Betrieb stabil übernehmen – ohne Wissensbruch.
3. Personalstruktur managen: Hohe Fluktuation oder eine überalterte Belegschaft sind Risikofaktoren. Altersstruktur, Qualifikationen und Verantwortlichkeiten sollten zukunftsfest sein.
4. Digitalisierung und Nachhaltigkeit berücksichtigen: Der Stand der Digitalisierung und gelebte Nachhaltigkeit spielen ebenfalls eine wichtige Rolle und werden auch von finanzierenden Banken abgefragt. Investitionen in Digitalisierung und Nachhaltigkeitsmaßnahmen verbessern den Unternehmenswert.
Am wichtigsten sei für Betriebsinhaber daher, frühzeitig in die Nachfolgeplanung zu starten. "Wer sich zu viel Zeit lässt, verliert jeden Gestaltungsspielraum, um Kostenstrukturen, Kundenmix oder Organisation zu verbessern", sagt Schyia. "Dann bleiben Unternehmenswert und Kaufpreis hinter den Erwartungen zurück."
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