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HWK des Saarlandes | Oktober 2024
Gemeinsam Unternehmensnachfolge sichern
Viele Unternehmen im Saarland stehen in den nächsten Jahren vor einer Nachfolgeregelung. Jetzt an einer Umfrage der htw saar teilnehmen.
Holz wird momentan wie Gold und Öl gehandelt: Zu Tagespreisen. Handwerker können keine Angebote mehr kalkulieren, Bauvorhaben müssen wegen Materialengpässen gestoppt werden. Auch bei anderen Baumaterialien steigen die Preise enorm. (Foto: © Alexander Stulov/123RF.com)
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April 2021
Die Rohstoffpreise explodieren, die Lager mit Baumaterialien sind leer. Zimmerer und Dachdecker müssen schon Bauvorhaben stoppen. Betriebe schicken ihre Mitarbeiter trotz voller Auftragsbücher in Kurzarbeit. Wie dramatisch die Lage ist, schildern Betroffene und Verbände.
Zimmerermeister Felix Götzen aus Duisburg hat fünf seiner Mitarbeiter in Kurzarbeit geschickt. Und das trotz voller Auftragsbücher. Seine Händler können ihm kein Holz mehr liefern und für Artikel, die es noch gibt, explodieren die Preise. Ähnlich sieht es bei Dämmmaterial aus. Bundesweit stehen Bauunternehmer, vor allem aber Zimmerer und Dachdecker, mit dem Rücken zur Wand. Im Frühjahr zeichnete sich die Materialknappheit ab, jetzt spitzt sich die Situation zu.
"Die Lage ist wirklich dramatisch", sagt Felix Götzen. "So etwas habe ich in 20 Jahren Selbstständigkeit noch nicht erlebt." Für Zimmerer und Dachdecker ist es momentan nahezu unmöglich, Angebote zu kalkulieren und Termine einzuhalten. Der Zimmerermeister hat jetzt einem Kunden sogar vorgeschlagen, sein Haus statt wie geplant in Holzrahmenbauweise Stein auf Stein zu bauen.
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Von einer völlig unkalkulierbaren Situation spricht Kurt Krautscheid, Dachdeckermeister mit Familienbetrieb in Neustadt (Wied) und Präsident der Handwerkskammer Koblenz. "Preise für Lattholz haben bei Händlern nur noch eine Gültigkeit von einem Tag."
Eine Dachlatte zum Beispiel koste normalerweise um die 50 Cent pro Meter und aktuell 1,30 Euro. Wenn man sie überhaupt bekommt. Zu der Preisexplosion kommt die Materialknappheit.
"Einer meiner Hersteller nimmt nur noch Aufträge für September entgegen, ein anderer gar keine mehr." Das gleiche gelte für Holzfaserdämmstoffe oder PU-Schaum, den man für energetische Sanierungen in großen Mengen braucht.
Für terminierte Bauvorhaben sei das eine Katastrophe, sagt der Unternehmer. Wenn er einem Kunden ein Angebote schreibt, muss er erstmals in der Firmengeschichte darauf vermerken, dass Preise nur kurze Zeit Gültigkeit haben. Das sei nicht nur doppelte Arbeit, das muss man dem Kunden auch erst einmal kommunizieren.
Holz hamstern konnten nur die großen Betriebe. "Der durchschnittliche Handwerker nutzt aber seinen Fachhändler als Lager, schildert Krautscheid die Lage. "Das ist eine elementare Krise", sagt der Aufsichtsratsvorsitzender der Einkaufsgenossenschaft des Dachdeckerhandwerks DEG, Europas stärkster Fachhandel für die Dachdeckerbranche mit einem Jahresumsatz von 540 Millionen Euro und an 58 Standorten.
Raban Meurer, Dachdeckermeister mit eigenem Betrieb in Köln, bezeichnet die Lage als katastrophal. "Wir können nicht arbeiten, weil Bauholz fehlt, obwohl gerade bei diesem guten Wetter dringend notwendige Dachsanierungen vorgenommen werden könnten", so der Vorsitzende des Dachdeckerverbandes Nordrhein.
Auch bei der Preisentwicklung stimme etwas nicht. "Eine Preissteigerung beim normalen Holz um die 60 bis 80 Prozent und bei der Dachlatte um 180 Prozent. Die Dachlatte, die jeder Endverbraucher braucht, um mit einer Eindeckung Dachziegel oder Dachstein sein Haus dicht zubekommen. Das schreit geradezu nach einem Gang zum Bundeskartellamt."
Von einer "historisch noch nie dagewesenen Situation" spricht Matthias Eisfeld, Geschäftsführer des Innungsverbandes des Zimmerer- und Holzbaugewerbes Westfalen. Er hört von immer mehr Betrieben, die genau wie Zimmerer Felix Götzen Kurzarbeit anmelden müssen, weil nichts mehr geht.
Über kurz oder lang müssten gesunde Zimmereibetriebe trotz voller Auftragsbücher sogar Insolvenz anmelden. "Holzpreise waren über Generationen hinweg berechenbar. Jetzt wird Holz wie Öl und Gold mit Tagespreisen gehandelt", sagt Eisfeld.USA und China kaufen den Wald leer
Die Ursachen für die Situation auf dem Holzmarkt sind vielfältig. Corona hat damit sogar eher wenig zu tun. Es sind die USA und China, die gerade den deutschen Holzmarkt leerkaufen. Große Waldbrände in Kalifornien und ein Schädlingsbefall in Kanada haben neben anderen Faktoren den heimischen Markt in Nordamerika quasi zum Erliegen gebracht.
Dazu komme das immense Konjunkturprogramm, das die US-Amerikaner so viel Häuser bauen lässt wie nie zuvor, berichtet Eisfeld. Neben den USA kauft China den deutschen Markt leer. Dort gibt es eine Holzbauoffensive, Russland hat aber einen Exportstopp für Holz verhängt.
Die Chinesen holen sich zum Teil das Frischholz direkt aus dem Westerwald, der Eifel oder dem Sauerland. Mitten in den Wäldern stehen Container mit chinesischen Schriftzeichen, die dann per LKW nach Rotterdam gelangen und schließlich mit Frachtschiffen über den Ozean gehen.
Preisexplosionen im BaugewerbeAuch das Sanitär- und Elektrohandwerk verzeichnet Preisexplosionen bei Materialien. Lesen Sie mehr
Das sei nicht nur wirtschaftlich, sondern auch klimapolitisch eine Katastrophe. Nicht nur der Transport der Hölzer auf Containerschiffen, die mit Schweröl fahren, widerspreche dem eigentlich CO2-neutralen Bauen mit Holz. Es werde zurzeit auch eine Menge eingeschlagen wie sonst in fünf Jahren nicht. Das habe nichts mehr mit nachhaltiger Forstwirtschaft zu tun. "Ich kann nicht nachvollziehen, dass die Politik bei diesem Kahlschlag in den Wäldern tatenlos zusieht", sagt Eisfeld. Und das sei kein deutsches, sondern ein EU-weites Problem. Ein Ausfuhrstopp scheint dennoch eher unrealistisch.
Die Zimmerer und Dachdecker erwarten nun, dass die Politik zwischen den Marktpartnern vermittelnd eingreift. "52 Prozent Waldbesitz gehören dem Bund, dem Land und den Kommunen. Es ist vollkommen unverständlich, dass diese Ressource nicht dem heimischen Endverbraucher und heimischen Verarbeiter zu adäquaten Preisen zur Verfügung stehen", meint Raban Meurer.
Die Verbände verhandeln unterdessen unter Hochdruck mit dem Handel und den Herstellern. Ulrich Marx, Hauptgeschäftsführer des Zentralverbandes des Dachdeckerhandwerks, erklärt: "Die meisten Hersteller haben uns mitgeteilt, dass sie zwar im Laufe des Jahres mit einer Stabilisierung der Lage rechnen, aber nicht von einer kurzfristigen Senkung des Preisniveaus ausgehen."
Dachdeckermeister und HWK-Präsident Kurt Krautscheid appelliert in dieser außergewöhnlichen Situation insbesondere an kleinere Betriebe, die Kalkulation nicht zu vernachlässigen. Ihren Kunden müssten sie die Botschaft vermitteln, dass sie keinen Einfluss auf die momentanen Verzögerungen haben. Krautscheid bleibt bei allen Widrigkeiten trotzdem optimistisch: "Der Markt wird sich auch wieder beruhigen."
Kirsten Freund
Nicht nur die Preise für Holz und Dämmstoffe explodieren seit dem Frühjahr. Auch andere wichtige Baumaterialien werden immer teurer. Davon betroffen sind unter anderem Baustahl, Farben, Rohre, Dachpappe und Schrauben. Dazu kommt eine sich zuspitzende Materialknappheit bei den Händlern. Bau- und Ausbaubetriebe können Aufträge nicht mehr wie geplant abarbeiten.
"Das ist ein absolutes Brandthema. Der Materialengpass am Bau könnte sich zu einem echten Hemmschuh für eine rasche konjunkturelle Erholung der gewerblichen Wirtschaft nach Ende der Pandemie auswachsen", warnt der Präsident der Handwerkskammer Düsseldorf, Andreas Ehlert. Hauptursachen für den Rohstoff-Mangel auf heimischen Märkten ist die angesprungenen Nachfrage aus China und den USA, wo die Konjunktur sich bereits in den letzten Monaten durchgreifend erholt habe. "Hersteller kommen nun mit dem Wiederhochfahren der Produktion nicht nach", so Ehlert.
"Das habe ich in den 35 Jahren, die ich jetzt als Handwerksunternehmer aktiv bin, noch nicht erlebt", schildert der Dortmunder HWK-Präsident Berthold Schröder die Lage. "Die Auftragsbücher der Bau- und Ausbauhandwerke sind voll, aber die Unternehmen können teilweise nur eingeschränkt arbeiten", so der 60-jährige Zimmerermeister, der als Inhaber der Georg Schröder Schreinerei und Holzbau GmbH in Hamm von der Holzkrise auch als Unternehmer direkt betroffen ist.
Robert Wüst, Präsident des Handwerkskammertages Land Brandenburg und Präsident der HWK Potsdam, mahnte in diesem Zusammenhang: "Das Handwerk erweist sich in der Pandemie als Konjunkturstütze. Die Auftragsbücher sind voll. Dennoch erreichen uns in den vergangenen Tagen große Sorgen unserer Betriebe: Lieferschwierigkeiten bei Vorprodukten und extrem dynamische Preisentwicklungen verhindern die Abarbeitung. Auch unsere Konjunkturumfrage vor wenigen Tagen zeigte bereits, dass sich die Stimmung in der Bauwirtschaft eintrübt. Die Betriebe sehen sich mit Marktverwerfungen konfrontiert, wie wir sie seit 30 Jahren nicht erlebt haben."
Die explosive Preisentwicklung und die Materialknappheit könnten ein echter Hemmschuh für eine konjunkturelle Erholung nach Corona auch in Brandenburg werden ,so Wüst. Baustopps und Kurzarbeit seien bereits im Gespräch. Auch für Kunden und Auftraggeber bleibe dies nicht folgenlos. Sie müssen sich darauf einstellen, dass über alle Gewerke hinweg gehäuft Preisgleitklauseln in den Verträgen notwendig werden
Die Handwerkskammern, Kreishandwerkerschaften und Fachverbände werben jetzt bundesweit über die lokalen und überregionalen Medien um Verständnis bei der Kundschaft für die außergewöhnliche Situation.
Weitere Gründe für die Preisexplosionen führt die Kreishandwerkerschaft Mosel-Eifel-Hunsrück-Region an. Etwa den Ausfall großer Produktionsanlagen bei den Rohstoffen Styrol und Propylenoxid, die für die Produktion von EPS-Dämmstoffen benötigt werden. Die Farbindustrie spüre den Produktionsausfall bei Bindemittel eines großen Herstellers. Beim Holz führten verschiedene Ursachen in den USA und China zu der starken Nachfrage aus Europa (siehe oben).
Dazu komme dann noch die Pandemie. Lieferketten funktionieren nicht wie gewohnt. Die "just in time"-Beschaffung geht derzeit vielfach nicht mehr auf", berichtet Dirk Kleis, Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft.
"Die Märkte sind aus den Fugen geraten", sagt auch Berthold Schröder. Alle Beteiligten hoffen nun auf eine Entspannung bei der Materialsituation im Laufe des Jahres. Hersteller und Lieferanten haben allerdings weitere Preissteigerungen angekündigt.
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Jörg Schmitz, Obermeister der Maler- und Lackierer-Innung Düsseldorf: "Farben und Dämmstoffe sind einfach kaum mehr zu erhalten oder werden nicht geliefert. Ich muss Aufträge strecken oder schieben. Besonders ärgere ich mich aber über den Preisanstieg auch bei nicht raren, heimischen Grundstoffen wie Kalkputzen."
Dachdeckermeister Mark Notthoff, Oberhausen: "Andere Betriebe unserer Branche haben wegen der Holznot schon Kurzarbeit anmelden müssen. Wir sehen zu, dass wir alle Lagerkapazität jetzt gefüllt bekommen, damit wir im Sommer überhaupt arbeiten können. Das bindet natürlich enorm Kapital. Gleichzeitig wird auch Dämmmaterial immer teurer. Der Kubikmeterpreis für Styropor hat sich auf über 120 Euro fast verdoppelt. Und Preisnachschläge sind fest zu erwarten, denn wir zahlen Vorkasse, der avisierte Auslieferzeitpunkt ist aber erst Ende Juni. Das alles zehrt an den Reserven, die wir dringend benötigen, falls uns doch noch ein Corona-Ausbruch einholen sollte. Gleichzeitig sind immer mehr Baustellenprojekte allein schon deshalb gefährdet, weil einer der Beteiligten in der Kette, zum Beispiel der Zimmermann, ohne Material dasteht und seine Vorleistung nicht erbringen kann."
Johannes Arnzen, Obermeister Innung für Metallhandwerke Mülheim a.d.R. - Oberhausen: "Bei Stahl gibt es aktuell Preiszusagen für höchstens drei Tage. Eine Tonne kostet um elf Uhr 1.500 Euro, um 15 Uhr schon 1.600 Euro; der Bezugspreis ist seit Jahresbeginn um einhundert Prozent gestiegen. Aber auch Messing ist seit Jahresbeginn um 20 Prozent teurer geworden. Ein gemeinsames Projekt mit einem Dachdeckerbetrieb musste ein halbes Jahr geschoben werden, weil im Augenblick die dafür benötigten Trapezbleche fehlen."
Tischlermeister und KHM Thomas Dopheide, Düsseldorf: "Der Preisdruck ist massiv, Preissteigerungen kommen in rascher Folge. Wir raten den Betrieben, bei neuen Auftragsprojekten Preisgleitklauseln in die Verträge einzusetzen."
Dachdecker- und Zimmerer-Innung Mülheim, Obermeister Jens-Peter Richard, Richard Dachbau: "Für die bereits vorhandenen Aufträge konnten wir uns noch versorgen. Unser Dachdecker-Einkauf hatte vorgewarnt. Bei Fenstern sind die Lieferzeiten auf zehn Wochen verdoppelt."
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