"Wir bauen eine breite Methoden­kompetenz auf, damit alle lernen, die KI-Technologie für ihre eigene Tätigkeit zu nutzen."
Torsten Uhlig

"Wir bauen eine breite Methoden­kompetenz auf, damit alle lernen, die KI-Technologie für ihre eigene Tätigkeit zu nutzen."
Torsten Uhlig (Foto: © Frank Rogner)

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Interview: "KI ist nur ein Hilfsmittel"

Betriebsführung

Torsten Uhlig zieht nach 100 Tagen eine positive Bilanz: Signal Iduna setzt auf mehr Effizienz durch KI, eine stärkere Beteiligung der Mitarbeitenden und eine klare Fokussierung auf das Handwerk – bei weiterhin persönlichem Kundenkontakt.

Seit 100 Tagen ist Torsten Uhlig Vorstandsvorsitzender der Signal Iduna Gruppe. Zeit für eine erste Bilanz.

DHB: Herr Uhlig, 100 Tage Vorstandsvorsitzender, wie fällt Ihre bisherige Bilanz aus?
Uhlig:
Ich bin mit dem, was ich mir vorgenommen und dem, was ich in den 100 Tagen erreicht habe, zufrieden. Unter anderem habe ich die Zeit auch genutzt, um ungeachtet meiner langjährigen Zugehörigkeit ins Unternehmen hineinzuhorchen.

DHB: Was haben Sie wahrgenommen?
Uhlig:
Dass eine unglaublich hohe Identifikation mit der Signal Iduna bei den Mitarbeitenden vorhanden ist. Wir werden uns noch besser weiter entwickeln, wenn wir die Kompetenzen und das Wissen der Mitarbeitenden stärker nutzen. Zum Beispiel, um Prozesse schneller und effizienter zu machen.

DHB: Das ist eine Frage der Unternehmenskultur … 
Uhlig:
… bei der es darum geht, die Selbstreflexionsfähigkeit auszubauen, ohne dieses „Das haben wir schon immer so gemacht“. Dabei sollten diejenigen mehr Verantwortung übernehmen, Ineffizienzen aufzudecken, die täglich damit zu tun haben. Wir möchten uns zur „Lernenden Organisation“ entwickeln und das heißt nicht nur permanente Weiterbildung, sondern auch, von den Mitarbeitenden zu lernen.

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DHB: Wie sieht denn ihre längerfristige Planung aus?
Uhlig:
Neben der Erfüllung regulatorischer Vorgaben und der Verbesserung der Profitabilität steht an vorderster Stelle, unsere Effizienz zu steigern, um Produktivitäts- und damit auch Kostengewinne zu erzielen. Wir haben an der einen oder anderen Stelle ein kleines Speckröllchen angesetzt. Die zentrale Frage ist: Wo können wir durch den Einsatz neuer digitaler Prozesse und künstlicher Intelligenz besser werden? Das ist schon wegen der demografischen Entwicklung existenziell. In den nächsten fünf Jahren werden uns rund 1.200 erfahrene Kolleginnen und Kollegen verlassen, überwiegend, weil sie die Altersgrenze erreichen.

DHB: … und wie gehen Sie damit um? Viele Beschäftige haben Angst, dass ihnen die KI den Job wegnimmt. 
Uhlig:
Der Einsatz von generativer KI ist eng mit unserer Personalstrategie verknüpft. Wir müssen den Wegfall von Erfahrung und Wissen, dieses „Kopfmonopol“, durch Effizienzgewinne kompensieren. Bei der Nutzung von KI geht es darum, bestehende Prozesse, vor allem repetitive Aufgaben, effizienter zu gestalten und damit die Arbeitszufriedenheit zu erhöhen. Deshalb haben wir als erster Versicherer in Deutschland für unsere über 10.000 Mitarbeitenden und Vertriebspartner den „Copilot SIGNAL IDUNA“, kurz CoSI, und den Avatar Cosima an jedem Arbeitsplatz ausgerollt. Wir bauen eine breite Methodenkompetenz auf, damit alle lernen, die Technologie für ihre eigene Tätigkeit zu nutzen.

DHB: Der Versicherte redet dann mit der KI?
Uhlig:
Entschieden nein. Für uns ist wichtig, dass im Kundenkontakt Menschen mit Menschen sprechen. Natürlich wird eine KI helfen, eine Mail zu formulieren und sie vielleicht auch automatisch versenden. Aber dort, wo es um vertrauenswürdige Themen geht, interagieren Menschen mit Menschen, die KI ist nur ein Hilfsmittel.

DHB: Der Berater ist die Schnittstelle zum Kunden … 
Uhlig:
 … und bleibt es auch, aber mit moderner technologischer Unterstützung. Die Komplexität und die Geschwindigkeit der Themen werden weiter zunehmen, aber durch die Digitalisierung und KI-Nutzung versetzen wir unsere Mitarbeitenden und auch den Vertrieb in die Lage, diese zunehmende Komplexität und das sich erhöhende Tempo zu beherrschen. Die Berater sind unsere Marken in den Regionen, unsere Gesichter nach außen. Und Sie werden zukünftig in der Interaktion mit dem Kunden oder auch in der Schadenbearbeitung durch die KI unterstützt.

DHB: Wo sehen Sie weitere Potenziale für die Signal Iduna?
Uhlig:
Die sehen wir in einer noch stärkeren Fokussierung auf unsere angestammte und historische Zielgruppe – das Handwerk. Wir wollen der Versicherer sein, der die Risiken der Handwerker abdeckt, für den Betrieb, die Inhaber und auch die Familien. Und wir wollen auch für die Belegschaften da sein und dem Inhaber mit Produkten wie die betriebliche Altersvorsorge oder die betriebliche Krankenversicherung Argumente für die Fachkräftebindung an die Hand geben, weil damit seine Attraktivität als Arbeitgeber weiter steigt.

DHB: Sie zielen dabei auf die private Seite der Versicherungsnehmer ab.
Uhlig:
Ja, dafür haben wir auch Angebote. Nehmen wir mal die betriebliche Krankenversicherung, die sich auf die Familienangehörigen erweitern lässt. Die Tarife haben wir bereits. Oder nehmen wir eine Bäckereifachverkäuferin. Wenn sie in Zukunft zum Beispiel in ihrer Hausrat- oder Haftpflichtversicherung Produktelemente hat, die komplementär zum Job sind, wird sie sich über betriebliche Rahmenverträge versichern, selbst wenn es sich um ein privates Risiko handelt.

DHB: Woran messen Sie Ihren Erfolg?
Uhlig:
Eine unserer fünf zentralen Ambitionen in unserer Strategie „MOMENTUM 2030“ ist es, zehn Prozent Marktanteil in unseren Fokus-Zielgruppen zu erreichen. Im Handwerk streben wir die Marktführerschaft an. Der Erfolg zeigt sich aber auch im Kleinen: Wenn in Zukunft auch der Ehemann der oben genannten Bäckereifachverkäuferin wie selbstverständlich weiß, welche Vorteile ihm unsere Produkte bieten, dann haben wir vieles richtig gemacht.

DHB: Glauben Sie, dass die Versicherungspflicht für Selbstständige kommt?
Uhlig:
Der Grundimpuls kam von den Sozialkassen, weil viele Selbstständige zwar gut verdienen, aber kaum etwas fürs Alter zurücklegen. Wenn dann der Betriebsverkauf nicht so klappt wie geplant, sind sie Kandidaten für die Altersarmut. Es gibt also gute Gründe für eine Veränderung. Eine eigenständige, eigenverantwortliche, alternative Vorsorgeform sollte möglich sein, selbst in Form einer Pflichtversicherung, solange sie nicht zwanghaft in ein umlagefinanziertes Sozialsystem mündet.

DHB: Was wäre die Alternative?
Uhlig:
Ein Blick auf unsere derzeitigen umlagefinanzierten Systeme zeigen, dass diese stark belastet sind. Wenn man demografisch getrieben zu wenig Beitragszahler hat, muss man das System verändern. Und man sollte dann nicht nur die Einnahme-, sondern auch die Ausgabenseite diskutieren. Wer auf Ausgabenseite opulente Angebote hat, sollte sie den Einnahmen einpassen. Das kann man gut in der Krankenversicherung sehen. Dort sollte man Einnahmen- und Ausgabenseite kritisch durchleuchten und sozial justieren, nur bitte ohne Populismus.

DHB: Was stellen Sie sich vor?
Uhlig:
Auf der Ausgabenseite muss die Frage erlaubt sein, wie man mit Erkrankungen umgeht, deren Ursachen darauf beruhen, sich bewusst gesundheitsbelastend zu verhalten. Etwa bei Folgeerscheinungen durch Nikotin-, Alkohol- oder Zuckerkonsum – ist es richtig, dafür Leistungen aus dem Kollektiv zu beziehen? Bei den Einnahmen muss die Frage erlaubt sein, warum bei einem Professorengehalt dessen Frau und Kinder in der gesetzlichen Krankenversicherung beitragsfrei mitversichert sind. Ich plädiere nicht dafür, die Familienversicherung komplett zu streichen, sondern die soziale Bedürftigkeit zu bewerten. Das sind zwar, um im Volksmund zu sprechen, heilige Kühe, aber der Reformdruck ist einfach zu groß, um solche Fragen zu ignorieren.

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Text: / handwerksblatt.de

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