Azubi-Ablöse: Die Meinungen sind geteilt
Eine Ablösesumme für Azubis? Handwerkspräsident Hans Peter Wollseifer will mit seiner Idee einen Denkanstoß geben. Er erntet damit gemischte Reaktionen.
Drei Jahre ausgebildet und dann von der Industrie oder von Mitbewerbern weggeschnappt? Das ist ein großes Ärgernis, das viele Handwerksbetriebe kennen. Aber sollen die Unternehmen, deren Auszubildende kurz nach Ende ihrer Lehre zu einem anderen Unternehmen wechseln, eine Entschädigungszahlung erhalten? Eine entsprechende Anregung von Hans Peter Wollseifer sorgt für Diskussionen.
Der Präsident der Handwerkskammer zu Köln und des Zentralverbands des Deutschen Handwerks betont, dass Betriebe für eine dreijährige Ausbildung eines Lehrlings einiges investieren müssten – je nach Branche unterschiedlich viel Geld, aber am Ende stünde für die ausbildenden Unternehmen immer ein Minus.
"In der Praxis nicht umsetzbar"
Zustimmung für den Vorschlag bekommt Wollseifer aus dem Niedersächsischen Handwerk. "Es schmerzt insbesondere kleinere Handwerksbetriebe, wenn der oder die Auszubildende den Betrieb verlässt, sobald die Ausbildung geschafft ist", sagte der Präsident der Handwerkskammer Hannover, Karl-Wilhelm Steinmann, der Hannoverschen Allgemeinen.
"Wichtig ist vor allem, insbesondere die duale Ausbildung zu stärken", ergänzte der stellvertretende Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Oldenburg, Matthias Steffen. "Jungen Menschen, die einen Beruf erlernen, muss die gleiche Wertschätzung entgegengebracht werden, wie denjenigen, die sich für eine akademische Ausbildung entscheiden."
"Ich kann den Gedanken nachvollziehen, auch weil ich weiß, dass gezielt abgeworben wird", erklärte NRW-Arbeitsminister Karl-Josef Laumann in einem Interview mit dem Westfälischen Anzeiger. "Aber ich glaube, dass er in der Praxis nicht umsetzbar sein wird. Der Azubi müsste verpflichtet werden, nach der Ausbildung im Betrieb zu bleiben. Auf der anderen Seite sagt das Handwerk, dass es mit dem Ausbildungsvertrag keine Übernahmegarantie geben will. Für eine Ablösesumme fehlt mir die Idee für eine gerechte und praktische Umsetzung." Der Minister begrüße aber, dass eine Diskussion über den Wert der Ausbildung angestoßen wird. Dahinter stecke das Problem des Fachkräftemangels.
"Interessante Idee, aber rechtliche Bedenken"
Welche Meinung haben Sie zu diesem Thema? Schreiben Sie uns an otten@handwerksblatt.de.Der Hauptgeschäftsführer des Bayerischen Handwerkstages, Frank Hüpers, sieht laut Bayerischem Rundfunk (BR) rechtliche Probleme bei einer Ablöse für Azubis. "Die Forderung nach einer Ablösesumme für Ausgebildete ist sicherlich eine interessante Idee, aber ich hätte da schon rechtliche Bedenken, weil sie mit der Freiheit der Berufswahl so nicht vereinbar ist", sagte er dem BR. Es wäre erfreulich, wenn alle Auszubildenden nach der Lehre im Handwerk bleiben würden. Dann hätte dieser Wirtschaftsbereich keinen Fachkräftemangel zu beklagen.
"Wir müssen attraktiv für unsere Arbeitnehmer bleiben"
"Ich finde, die Äußerung Wollseifers geht völlig am Thema vorbei. Nicht nur, weil es Gesetze bei uns gibt, die eine freie Berufswahl ermöglichen", so Bauunternehmer Werner Luther im Gespräch mit der Augsburger Allgemeinen. "Anstatt auf den Schutz durch den Staat zu vertrauen, sollten wir Unternehmen aus dem Handwerk selbst dafür sorgen, dass die Leute gerne bei uns arbeiten. Wir müssen attraktiv für unsere Arbeitnehmer bleiben."
Unter den Unternehmen, die ausbilden, seien viele, die beim Kampf um Fachkräfte mit Weltkonzernen nicht mithalten können; und sei es nur, weil sie nicht so hohe Löhne zahlen können, sagte Arbeitsmarktexperte Enzo Weber vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung in einem Online-Bericht der Welt. "Wenn die nach den Investitionen in die Ausbildung ihre Leute verlieren, ist das schwierig."
Die Idee für Ablösesummen bei Betriebswechseln sehe er aber skeptisch: "Auf dem Arbeitsmarkt soll jeder Arbeitnehmer möglichst frei die für ihn bestmögliche Position finden, die gut zu seinen Fähigkeiten und Interessen passt." Wenn dieser Mechanismus flexibel, zielgenau und effektiv funktioniere, sei beiden Seiten gedient. "Das ist die Kernfunktion des Arbeitsmarktes. Ablösesummen würden diese Funktion aber erheblich beschränken", so Weber.
Was sagt der Handwerkspräsident selbst dazu?
In einem Interview mit der Rhein-Neckar-Zeitung spricht Wollseifer von einer Idee, die "keineswegs mit konkreten Konzepten" unterlegt sei. Der Vorschlag sei als erster Gedankenanstoß gedacht, um den Blick auf die gesamtgesellschaftliche Leistung des Handwerks in Sachen Ausbildung zu lenken. "Das hohe Ausbildungsengagement des Handwerks und seiner Betriebe wird nach meinem Eindruck von vielen für selbstverständlich genommen."
Text:
Lars Otten /
handwerksblatt.de
Kommentar schreiben