Corona: Keine Schule, keine Praktika, keine Bewerbungen
Oliver Knedel möchte ab dem Sommer zwei Auszubildende einstellen. Doch die Corona-Krise macht ihm einen Strich durch die Rechnung. Der Elektromeister ist skeptisch, ob ihm die Maßnahmen der Allianz für Aus- und Weiterbildung weiterhelfen.
Es sind noch gut zwei Monate. Doch gedanklich hat Oliver Knedel das neue Ausbildungsjahr schon abgehakt bevor es begonnen hat. Der Elektromeister aus Meerbusch ist resigniert. Seinem Betrieb hat die Corona-Pandemie nur wenig zugesetzt. "Auch in Krisenzeiten gibt es Arbeit für das Handwerk." Seinem Ausbildungsengagement schadet das Virus dagegen erheblich. Die Schulen waren viele Wochen geschlossen.
Darunter hat auch die Berufsorientierung gelitten. Praktika sind ausgefallen. Messen wurden verschoben. "Nach der 'Check In Berufswelt‘ kamen immer einige Interessenten auf uns zu." Für den Rhein-Kreis Neuss seien Veranstaltungen wie diese eine große Sache. Ihr Fehlen macht sich im Briefkasten und im E-Mail-Postfach von Oliver Knedel bemerkbar. "Es kommen keine Bewerbungen. Es fragt nicht einmal jemand an!"
Betriebe wollen ausbilden, aber Bewerber fehlenUm 20 Prozent ist die Zahl der neu eingegangenen Lehrverträge bei der Handwerkskammer Trier im April gegenüber dem Vorjahresmonat zurückgegangen. Sie ist deshalb der Frage nachgegangen, wie sich diese "dramatische Entwicklung" erklären lässt und hat einige Ausbildungsbetriebe telefonisch kontaktiert. Das Ergebnis: Die überwiegende Zahl hält ihr Ausbildungsengagement aufrecht, hat aber bislang keine oder nur ungeeignete Bewerbungen erhalten. Viele Schulabgänger scheinen von der Ausbildungsplatzsuche abzusehen, haben sich auf weiterführenden Schulen angemeldet bzw. die Ausbildungssuche auf das kommende Jahr verschoben. Bedingt durch Corona könnte der Eindruck entstanden sein, dass der Ausbildungsbeginn in diesem Jahr verschoben oder gar ausgesetzt wurde. "Die Rückmeldungen der Schwesterkammern in Rheinland-Pfalz und dem Saarland bestätigen diesen Eindruck", heißt es im Newsletter der Handwerkskammer Trier.
Corona könnte Fachkräftemangel verschärfen
Das Handwerk kümmert sich auch in schwierigen Zeiten um den Berufsnachwuchs. Eine Umfrage des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH) zeigt: Rund 42 Prozent der Betriebe planen, genauso viele oder sogar mehr Auszubildende im Ausbildungsjahr 2020/2021 einzustellen. So weit die guten Nachrichten. Sorge bereitet dem ZDH dagegen, dass jeder vierte Betrieb beabsichtigt, sein Ausbildungsengagement zu reduzieren. Dies dürfte die Fachkräfteproblematik "massiv verschärfen". Um die betriebliche Ausbildung zu stimulieren, hatte ZDH-Präsident Hans Peter Wollseifer unter anderem eine "finanzielle Anerkennung" für alle ausbildenden Betriebe in Form eines "einmaligen Zuschusses" vorgeschlagen.
Übernahmeprämie statt Ausbildungszuschuss
In der Allianz für Aus- und Weiterbildung konnten sich die Partner nun zumindest darauf verständigen, den Auszubildenden aus insolventen Betrieben zu helfen. Wer sie übernimmt, soll befristet bis Ende 2020 eine Übernahmeprämie erhalten. Verschärft sich die Situation auf dem Ausbildungsmarkt weiter, ist nach Angaben des ZDH ein befristetes Programm geplant. Es soll Betrieben die Möglichkeit bieten, Teile der Ausbildung an überbetriebliche Bildungsstätten zu übertragen. Das Ziel sei eine möglichst schnelle Fortsetzung der Ausbildung im Ausbildungsbetrieb. Zudem setzen sich die Allianzpartner dafür ein, dass die Berufsorientierungsmaßnahmen in den Schulen möglichst zeitnah in Abstimmung mit den Partnern vor Ort und ergänzend in digitalen Formaten nachgeholt werden.
Insolvenz-Azubi denkbare Alternative
Oliver Knedel (r.) würde ab dem Sommer gerne wieder zwei Elektroniker ausbilden, doch der Elektromeister aus Büderich bekommt keine Bewerbungen. Foto: © Ingo LammertOliver Knedel ist skeptisch, ob sich seine beiden freien Lehrstellen damit noch besetzen lassen. Die Schulen seien derzeit eher damit beschäftigt, wie sie den Unterricht aufrecht erhalten können. "Für Berufsorientierung dürfte in den wenigen Wochen bis zu den Sommerferien kaum noch Zeit bleiben." Alternativ könnte er sich aber gut vorstellen, einen Auszubildenden aus einem insolventen Unternehmen zu übernehmen. Dies würde der Elektromeister jedoch nicht von der finanziellen Förderung abhängig machen. Er würde sich dagegen mehr Unterstützung bei der Suche nach Fachpersonal wünschen. "Im Elektrohandwerk wächst der Bedarf nach qualifiziertem Personal, aber die Zahl und die Qualität der Bewerbungen hat in den vergangenen Jahren immer weiter abgenommen." Für eine Branche, die von technischen Neuentwicklungen nach vorne getrieben wird, ist fehlendes Fachpersonal verheerend. "Unser Beruf bietet viele Perspektiven – für junge Menschen mit Haupt- und Realschulabschluss, aber auch mit Abitur."
Text:
Bernd Lorenz /
handwerksblatt.de
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