Kostenerstattung für Brillen: Was sagen die Optiker?
"Gutes Sehen darf kein Luxus sein", sagen die Grünen und fordern, dass wieder mehr Kassenpatienten notwendige Brillen auf Rezept bekommen. Was die Augenoptiker von dem Vorschlag halten.
Mehr als 40 Millionen Menschen in Deutschland tragen eine Brille. 36 Prozent davon ständig, weitere 36 Prozent ab und zu als Lesehilfe. Die meisten von ihnen haben ihre Brille aus eigener Tasche bezahlt.
Denn: "Man muss heute fast blind sein, um eine Unterstützung für die Brille durch die gesetzliche Krankenkasse zu bekommen. Die Zuschüsse sind mickrig und mit einem unverhältnismäßig großen bürokratischen Aufwand verbunden", kritisiert Maria Klein-Schmeink, gesundheitspolitische Sprecherin von Bündnis90/DieGrünen.
"Das muss sich ändern. Wer auf eine Brille angewiesen ist, sollte Anspruch auf solidarisch getragene Leistungen der GKV haben", betont die Bundestagsabgeordnete. Mit ihrem im Mai im Bundestag eingereichten Antrag fordert ihre Fraktion die Bundesregierung zum Handeln auf.
Die derzeitige Sehhilfenversorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) werde den Ansprüchen der sehbeeinträchtigten Versicherten in Deutschland jedoch nicht gerecht, heißt es da. In ihrem Antrag schlagen die Grünen vor, die Erstattungsfähigkeit für medizinisch nötige Gläser schrittweise voll wieder herzustellen.
Die war 2004 deutlich eingeschränkt worden. Zunächst sollten die Kassen Gläser ab fünf Dioptrien komplett bezahlen und ab zwei Dioptrien zur Hälfte.
Wir haben nachgefragt, was der Zentralverband der Augenoptiker zu dem Vorstoß sagt:
Wie sieht es aktuell aus? Die gesetzliche Krankenkasse (GKV) zahlt seit der Reform des Heil- und Heilmittelversorgungsgesetzes im Jahr 2017 Brillengläser und Kontaktlinsen für Kinder und Jugendliche. Erwachsene erhalten ab bei einem Dioptrienwert von über sechs beziehungsweise über vier in Kombination mit einer Hornhautverkrümmung einen Zuschuss zur Sehhilfe. "Eine Ausweitung des Leistungsanspruch auch auf geringere Fehlsichtigkeiten ist aus fachlicher Sicht absolut plausibel. Denn für die meisten Belange des Lebens ist es, vereinfacht gesagt, ganz egal, ob jemand eine Kurzsichtigkeit von einer oder von sechs Dioptrien hat – beide Menschen wären ohne ihre Sehhilfe aufgeschmissen und könnten nicht oder nur sehr eingeschränkt am Leben teilnehmen", erklärt Lars Wandke, stellvertretender Geschäftsführer des Bundesinnungsverbandes der Augenoptiker und Optometristen (ZVA) gegenüber dem Handwerksblatt.
Wandke weiter: "Dass der Gesetzgeber vor zwei Jahren mit dem Heil- und Hilfsmittelversorgungsgesetz insbesondere die hochgradigen Fehlsichtigkeiten größer sechs Dioptrien bedacht hat, lag einfach daran, dass die Brillengläser hier aus fertigungstechnischen Gründen einen erheblichen Preissprung machen. Profitieren würden aber von der Kostenübernahme natürlich auch alle geringer fehlsichtigen Versicherten."
"Die Finanzreserven der Krankenkassen würden es zulassen"
Ob der Vorschlag von Bündnis 90/Die Grünen eine Mehrheit findet, sei schwer einzuschätzen, meint Wandke. Die Finanzreserven der Krankenkassen würden das jedenfalls zulassen.
Aber: "Wichtig ist uns als Berufsverband hierbei, dass die seit den 1970ern etablierten Berufsrechte der Augenoptiker nicht beschnitten werden und speziell die Folgeversorgung der Versicherten mit Sehhilfen nicht an eine ärztliche Verordnung geknüpft wird."
Berufsrechte der Augenoptiker nicht beschneiden
Dies wäre, so Wandtke, ein erheblicher Rückschritt und ein ordnungspolitischer Fehler, der vor dem Hintergrund des demografischen Wandels und der abnehmenden Zahl niedergelassener Augenärzte in Deutschland zu Lasten der Bürger ginge, die dann künftig erheblich länger auf eine neue Brille oder ihre Kontaktlinsen warten müssten.
Das schlagen die Grünen vor:
- Zunächst soll es einen Anspruch auf vollständige Kostenerstattung für diejenigen geben, die mindestens eine Brille mit +/- 5 Dioptrien benötigen.
- Eine hälftige Kostenübernahme soll es für alle mit mindestens +/- 2 Dioptrien geben.
- Besonders stark belastete Empfängerinnen und Empfänger von Transferleistungen, die die Kosten für Sehhilfen bisher aus ihrem Regelsatz "ansparen" müssen, sollen sofort entlastet werden.
- Außerdem will man klären lasse, unter welchen Bedingungen erstattungsfähige Sehhilfen auch direkt durch Optikerinnen und Optiker verordnet werden können, wie dies heute de facto bereits weitverbreitete Praxis sei.
Text:
Kirsten Freund /
handwerksblatt.de
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