Beim Kündigen von Mitarbeitern müssen auch die sozialen Umstände beachtet werden, doch auch das Wohl des Betriebes muss beachtet werden, urteilte das Landesarbeitsgericht Schleswig.

Beim Kündigen von Mitarbeitern müssen auch die sozialen Umstände beachtet werden, doch auch das Wohl des Betriebes muss beachtet werden, urteilte das Landesarbeitsgericht Schleswig. (Foto: © ginasanders/123RF.com)

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Kündigung trotz 40-jähriger Betriebszugehörigkeit

Für viele ist das bis heute eine überraschende oder zumindest eine erstaunliche Nachricht: In mehr als 80 Prozent aller deutschen Betriebe, findet das Kündigungsschutzgesetz (KSchG) keine Anwendung!

Die allermeisten Betriebe in unserem Land beschäftigen nämlich zehn oder noch weniger Mitarbeiter, was zur Folge hat, dass das bekannteste und "stärkste" Gesetz zum Schutz der Arbeitnehmer gar nicht eingreift.Die Konsequenzen: Eine Kündigung im so genannten "Kleinbetrieb" (also zehn oder weniger Mitarbeiter) ist nur an vergleichsweise wenige Voraussetzungen geknüpft. Neben der Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfristen muss der Arbeitgeber lediglich noch darauf achten, dass die Kündigung nicht "sozialwidrig" ist und gegen "Treu und Glauben" verstößt.

Hinter diesen schwammigen Formulierungen verbirgt sich das Prinzip der richtigen Sozialauswahl unter den im Betrieb tätigen Mitarbeitern – und als Faustregel gilt hier: Wer auf eine längere Betriebszugehörigkeit verweisen kann, genießt gegenüber den anderen Arbeitnehmern auch einen höheren Bestandsschutz und darf daher im Zweifel nicht als erster der in Frage kommenden Mitarbeiter entlassen werden.

Die richtige Sozialauswahl

Dass diese Regel keinesfalls uneingeschränkt gilt, beweist ein spektakulärer Fall, den jetzt das Landesarbeitsgericht (LAG) in Schleswig zu entscheiden hatte. Es ging um die Kündigung eines Arbeiters, der stolze 40 Jahre (!) lang tadellos seinen Dienst in einer Autowerkstatt verrichtet hatte.

Sein Problem: Der Mann hatte in seinem Leben nie eine Ausbildung absolviert, litt zudem unter einer Lese- und Rechtschreibeschwäche, konnte im Übrigen keinen PC bedienen und besaß auch keinen Führerschein. Was ihm vier Jahrzehnte lang keinen Nachteil eingebracht hatte, wurde ihm jetzt zum Verhängnis: Als es dem Betrieb im Zuge der Wirtschaftskrise zunehmend schlechter ging, sprach der Arbeitgeber die Kündigung aus, obwohl neben dem Mann noch zwei deutlich jüngere Beschäftigte im Betrieb arbeiteten, die auch erst vor wenigen Jahren eingestellt worden waren.

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Keine Regel ohne Ausnahme

Dennoch war die Kündigung rechtens, wie jetzt das LAG Schleswig zur Überraschung aller Beteiligten urteilte und dabei bemerkenswerte Regeln aufstellte: Eine lange Betriebszugehörigkeit und ein hohes Lebensalter seien keinesfalls zwingende Hinderungsgründe für eine Kündigung in einem Kleinbetrieb.

Da der Mann in seinem Leben keine Ausbildung absolviert habe, unter eine Lese- und Schreibschwäche leide, zudem keinen PC bedienen könne und bis heute über keinen Führerschein verfüge, könne dem Arbeitgeber nicht zugemutet werden, einen deutlich jüngeren, dafür aber erheblich besser ausgebildeten Mitarbeiter zu kündigen.

Dass der Mann im Betrieb die längste Betriebszugehörigkeit und das höchste Lebensalter habe sowie der sozial schwächste Arbeitnehmer sei, spiele in diesem Falle keine Rolle. Da der Arbeitsplatz wegen des Umsatzrückganges ersatzlos entfalle und er mit den anderen beiden in der Werkstatt beschäftigten Arbeitnehmern nicht vergleichbar sei, sei die Entlassung rechtens. Insbesondere gebe es keine gesetzliche Vorschrift, wonach etwa ab einer bestimmten Dauer der Betriebszugehörigkeit automatisch eine Art "Unkündbarkeit" eintrete.

Weiterbildung ist Sache des Arbeitnehmers

Als der Arbeiter vor Gericht dann noch vortrug, sein Chef hätte ihn im Rahmen der Fürsorgepflicht auf die zunehmende Technisierung vorbereiten und ihn entsprechend fortbilden müssen, verwies das Gericht ihn auf seine Eigenverantwortung. Wörtlich heißt es im Urteil: "Der Arbeitgeber kann nicht für die fehlende (Weiter-)Qualifikation des Arbeitnehmers verantwortlich gemacht werden.

Es gehört zu den ureigensten Aufgaben eines Arbeitnehmers, sich in den langen Jahren einer Betriebszugehörigkeit um seine Weiterbildung selbstständig zu kümmern und gegebenenfalls an den Arbeitgeber zwecks Finanzierung heranzutreten. Dies ist im vorliegenden Fall nicht geschehen, der Arbeiter hat keine Eigeninitiative gezeigt." (LAG Schleswig – 3 Sa 153/09)

Fazit

Auch Mitarbeitern mit langer Betriebszugehörigkeit kann im Zweifel gekündigt werden, wenn alternativ erheblich besser ausgebildete (jüngere) Arbeitnehmer zur Verfügung stehen. In diesem Falle tritt die eigentlich notwendige "Sozialauswahl" hinter den Interessen des Betriebsinhabers zurück. Das mag im konkreten Fall für den betroffenen Arbeitnehmer tragisch sein, kann aber nicht dazu führen, eine Kündigung zu verhindern.

Auch im hohen Alter wächst man also keinesfalls in eine Unkündbarkeit hinein, sondern muss sich auch dann noch dem Vergleich mit den übrigen Mitarbeitern stellen, wenn es um die Auswahl bei Kündigungen geht. Und: Arbeitnehmer sind für ihre Weiterbildung grundsätzlich selbst verantwortlich. Auch im Alter.

Text: / handwerksblatt.de

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