Makerspace Mainz: Handwerk zum Anfassen
Nachwuchsgewinnung: Berufsorientierung der besonderen Art. Im ehemaligen Karstadt-Gebäude können Jugendliche jetzt ihre handwerklichen Fähigkeiten auf 450 Quadratmetern testen. Erlebbares Handwerk mitten in der City.
Anfassen und selbst etwas machen. Davon lebt das Handwerk. Wie glücklich und erfüllend das sein kann, erfahren seit Ende Mai Jugendliche in dem "Makerspace" #machdeinhandwerk. Für Anja Obermann, Hauptgeschäftsführerin der Handwerkskammer Rheinhessen, ein Glücksfall. Denn Corona hatte dazu geführt, dass es für Jugendliche, die an einer Ausbildung im Handwerk interessiert waren, zu wenige Praktikumsplätze gab. "Oftmals konnten die erforderlichen Abstände nicht eingehalten werden", erklärt die Hauptgeschäftsführerin, so dass auf einer großzügigen Fläche wie im Karstadt-Gebäude diese Probleme einfach weggefegt waren.
Betriebspraktika zu finden, ist schwieriger geworden
Foto: © Kristina SchaeferDarauf verwies auch Kammerpräsident Hans-Jörg Friese bei der feierlichen Eröffnung mit Wirtschaftsministerin Daniela Schmitt: "Die Pandemie hat die jungen Menschen, die nun vor ihrem Schulabschluss stehen, stark verunsichert. Ein großes Problem für die Jugendlichen und Betriebe ist es, dass es sehr viel schwieriger geworden ist, ein Praktikum in einem Betrieb zu machen und zu testen, ob der ausgeübte Beruf Spaß macht oder ob man noch vor der Entscheidung für einen Beruf ein unerwartetes Talent entdecken kann." Unterstützt wird das Projekt "Makerspace" vom rheinland-pfälzischen Wirtschaftsministerium.
An sieben Stationen können jetzt die Schüler aller Altersklassen handwerkliche Tätigkeiten in den Berufsfeldern Bau, Nahrungsmittel, Kunsthandwerk, Metall und Elektro, Friseur- und Körperpflege und Holz ausprobieren. Unübersehbar, in der belebten Ludwigstraße gleich gegenüber dem Staatstheater, soll es bis zum Abriss des Gebäudes die Möglichkeit geben, verborgene Talente zu entdecken. "Auf der Beliebtheitskala ganz oben steht das Biegen von Blech und die Blechbearbeitung", erklärt Anja Obermann, da das Angebot so gestaltet wurde, dass jeder etwas mitnehmen kann.
Vom Herz aus Kupferrohr über ein Mosaik bis hin zu Schmuck erstellen die Besucher stolz ihr eigenes Produkt für zu Hause. Besonders beliebt unter den Jugendlichen sind die Handyständer aus Holz. Natürlich gibt es auch Tätigkeiten, die nicht so großen Anklang finden. "Wir versuchen daher, die Stationen immer anzupassen und zu verändern", sagt die Hauptgeschäftsführerin, weil das Makerspace die ganze Bandbreite der Handwerksberufe widerspiegeln soll. Ein weiterer, reizvoller Aspekt: In der Gestaltung können sich die Besucher austoben. Da das Gebäude abgerissen werden soll, verwandeln unter anderem Graffitis an der Wand das Umfeld in ein cooles Gebäude mit Industrie-Charme.
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Analog und digital
Ganz wichtig war den Machern, das praktische Angebot mit einem digitalen Part zu ergänzen. Vor Ort können Interessierte über ein iPad die Seite Machdeinhandwerk.de anwählen. Hier können sie ihre Vorlieben und Talente eingeben. Mit nur wenigen Klicks gelangen die Schüler so zu ihrem maßgeschneiderten Berufsbild. Wer mag, kann gleich via Mail ein Praktikum oder gar einen Ausbildungsplatz anfragen. Nach wenigen Wochen zieht Anja Obermann ein positives Fazit. "Die Mainzer sind vom Makerspace begeistert. Endlich einmal Handwerk, das für alle sichtbar ist. Vielleicht liegt es an Corona, aber wir haben festgestellt, dass die Menschen ein riesengroßes Bedürfnis danach haben, Dinge zu erleben, wie sie in der realen Welt tatsächlich existieren und gelebt werden."
Die Zahlen sprechen für sich. Im Kammerbezirk Rheinhessen kann ein Anstieg der Ausbildungsverträge um 15 Prozent verzeichnet werden. "Das jetzt nur auf das Makerspace zurückzuführen, wäre vermessen." Doch für Anja Obermann ist es die Summe aller Aktionen, die die Kammer gemeinsam mit den rheinhessischen Betrieben in den letzten Monaten durchgeführt hat.
Zitat "Es ist schön, das Glücksgefühl bei den Jugendlichen zu sehen. Eine Fortführung mit gleichem Konzept an einem anderen Ort ist daher durchaus denkbar." Anja Obermann, Hauptgeschäftsführerin Handwerkskammer RheinhessenAuf Wochen ist das "Makerspace" ausgebucht. Schulen stehen Schlange. Es haben sich sogar kleine Fanclubs der nahegelegenen Schulen gebildet. Jugendliche kommen immer wieder vorbei und nutzen die kostenfreie Möglichkeit, ihre praktischen Fähigkeiten auszuprobieren. Für Oktober stehen zwei weitere Highlights auf dem Programm. Zum einen wird es in der darüberliegenden Etage eine Ausstellung des weltberühmten Künstlers Banksy geben. Viele Besucher werden dann sicher auch einen Stopp im "Makerspace" einlegen. Am 30. Oktober folgt ein Konzert mit dem Mainzer Musikhaus Alexander und einem Schulorchester.
Nachahmer des Mainzer Konzeptes gibt es auch schon. So hat die Handwerkskammer Frankfurt/Main die Idee bereits übernommen. Ob es eine Fortführung nach dem Abriss des Karstadt-Gebäudes geben wird, lässt Anja Obermann noch offen. Aber: "Es ist schön, das Glücksgefühl bei den Jugendlichen zu sehen. Eine Fortführung mit gleichem Konzept an einem anderen Ort ist daher durchaus denkbar."
Mehr Info: makerspace-mainz.de
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Text:
Brigitte Klefisch /
handwerksblatt.de
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