Manchmal ist eine Krankschreibung nicht viel wert
Wer direkt nach seiner Kündigung ein ärztliches Attest vorlegt und bis zum Ende der Kündigungsfrist nicht mehr zur Arbeit kommt, muss damit rechnen, dass seine Krankschreibung keinen Beweiswert hat. Eine Gehaltsfortzahlung gibt es dann nicht.
Kündigt ein Arbeitnehmer sein Arbeitsverhältnis und wird er am Tag der Kündigung arbeitsunfähig krankgeschrieben, kann dies den Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erschüttern. Vor allem, wenn die bescheinigte Arbeitsunfähigkeit passgenau die Dauer der Kündigungsfrist umfasst.
Der Fall
Eine kaufmännische Angestellte kündigte ihr Arbeitsverhältnis im Februar 2019 und legte ihrem Chef eine auf denselben Tag datierte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU) vor. Der Arbeitgeber weigerte sich, ihr Gehalt bis zum Ende weiter zu zahlen. Er meinte, dass die AU nicht beweiskräftig sei, weil diese genau die Restlaufzeit des Arbeitsverhältnisses abdecke. Die Vorinstanzen hatten der Zahlungsklage der Frau stattgegeben (Landesarbeitsgericht Niedersachsen, Az. 10 Sa 619/19).
Das Urteil
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) gab dem Arbeitgeber recht. Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung seit das gesetzlich vorgesehene Beweismittel. Dessen Beweiswert könne der Arbeitgeber erschüttern, wenn er tatsächliche Umstände darlege und beweise, die Anlass zu ernsthaften Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeit geben. Gelingt das dem Arbeitgeber, muss die Gegenseite beweisen, dass sie arbeitsunfähig war – zum Beispiel durch Befragung des behandelnden Arztes, der von seiner Schweigepflicht befreit werden kann.
Der Arbeitgeber habe hier den Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erschüttert, entschied das BAG. Das exakte zeitliche Zusammenfallen der Kündigungsfrist mit der AU begründeten einen ernsthaften Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit. Da die Frau im Prozess ihre Arbeitsunfähigkeit trotz Aufforderung des Gerichts nicht bewiesen habe, ging sie leer aus.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 8. September 2021, Az. 5 AZR 149/21
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Text:
Anne Kieserling /
handwerksblatt.de
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