Im Interview: Torsten Uhlig, Vorstandsmitglied der Versicherungsgruppe Signal Iduna.

Im Interview: Torsten Uhlig, Vorstandsmitglied der Versicherungsgruppe Signal Iduna. (Foto: © Thomas Stachelhaus)

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Mehrwerte für den Betrieb

Im Interview: Torsten Uhlig, Vorstandsmitglied der Versicherungsgruppe Signal Iduna, verantwortet das Ressort Vertrieb, Marketing und Unternehmensverbindungen.

Wir ­haben nachgefragt, welche Konsequenzen der Fachkräftemangel und die Digitalisierung des Handwerks für die Kundenstruktur und das Versicherungsangebot hat.

DHB: Herr Uhlig, was hat sich in den letzten zehn Jahren verändert?
Uhlig:
Für mich persönlich mein Aufgabenbereich: Ich wurde vor vier Jahren als damaliger Bereichsleiter Marketing in den Konzernvorstand berufen. Da bei SIGNAL IDUNA der Konzernvorstand die Gesamtverantwortung für das Unternehmen trägt, durfte ich mich auch viel intensiver mit Dingen auseinandersetzen, die vorher nicht zu meinem Kernaufgabengebiet zählten.

DHB: Hat die Digitalisierung dabei keine Erleichterungen gebracht?
Uhlig:
Auf alle Fälle. Ich habe festgestellt, dass im Laufe der Zeit die Komplexität der Themen zugenommen hat, aber wir durch die Nutzung digitaler Werkzeuge diese zunehmende Komplexität meistern können. Nehmen Sie z. B. Terminvereinbarungen in einer Gruppe oder Online-Konferenzen. Dadurch ist aber auch eine viel höhere Geschwindigkeit entstanden ist. #

DHB: Wozu sicherlich auch die Pandemie beigetragen hat.
Uhlig:
Ja, die Handlungsfrequenz hat sich erhöht und nun wird aktuell jeder persönliche Kontakt viel intensiver gelebt, mit einer anderen Gesprächstiefe und Wertschätzung. Es ist ein anderes Verständnis für die Themen vorhanden und der Wille ist stärker, in persönlichen Treffen etwas zu erreichen. Das ist sowohl ergebnisbezogen, aber auch Wertschätzung, die in die Festigung von Beziehungen einzahlt.

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DHB: Sehen Sie die Produkte Ihrer Versicherungsgruppe damit nicht auch komplexer und sind sie deutlich erklärungsbedürftiger geworden?
Uhlig:
Unbestritten, es ist mit neuen Umfängen und neuen Risiken deutlich komplexer geworden, zum Beispiel bei den Cyberrisiken. Andererseits kommen sie viel leichter an Informationen, gerade aus Kundensicht. Texte und Videos erklären Produkte viel einfacher, Vergleichsportale liefern Anbieter, Preise und sogar Angebote. Doch genau hier kommt unser Vertriebsnetz ins Spiel, weil es dort Partner gibt, die die Kundin oder der Kunde anrufen kann – und zu dem sie Vertrauen haben.

DHB: Aber der Kunde ist aufgeklärter.
Uhlig:
Ganz genau. Aber hier kommt eine Besonderheit unserer Branche zum Tragen: Je mehr Kunden über diese Themen lesen, desto stärker wird die Unsicherheit, ob die „richtige“ Entscheidung getroffen wird? Deshalb bedarf es bei all den Informationen aus dem Netz einer Vertrauensperson, die bestärkt oder einen kritischen Hinweis im Prozess des Kaufens eines Versicherungsproduktes gibt. Viel entscheidender ist es aber, im Schadenfall nicht allein zu sein und jemand zu haben, der in diesem Moment der Wahrheit auch Ansprechpartner vor Ort ist. Dieser Trend ist sehr stark spürbar.

DHB: Sie gehen heute anders auf Kunden zu?
Uhlig:
In der Tat, wir haben bei SIGNAL IDUNA frühzeitig einen Strategie- und Transformationsprozess eingeleitet. Dieser Prozess hat auch deutlich gezeigt, dass wir als Versicherer, der vom Handwerk vor mehr als 100 Jahren gegründet wurde, uns noch viel stärker auf diese enge wertvolle Verbindung spezialisieren und fokussieren sollten. Deshalb haben wir unsere Struktur, die Arbeitsorganisation und Abläufe umgebaut. Der Vorteil: Die Impulse, das Know-how aus dem sehr frühzeitigen und intensiven Kundendialog können wir in unserer Produktentwicklung nutzen. „User research“ heißt das neudeutsch, wenn unsere Mitarbeitenden analysieren, was der Kunde braucht – und wir können unsere Angebote noch besser z.B. gewerkspezifisch aufbauen.

DHB: Erkennen das die Kunden an?
Uhlig:
Ja, das ist das Schöne. Uns wird immer wieder gespiegelt, dass wir in den letzten Jahren noch sehr viel stärker unserer Kunden-DNA – nämlich aus dem Handwerk gegründet und für das Handwerk da zu sein – entsprechen. Und dies ganzheitlich, im Managementbereich genauso wie in den einzelnen Regionen.

DHB: Sie haben während der Corona-Zeit gerade bei den Betriebsunterbrechungen Versicherungsleistungen erbracht, was Ihnen im Handwerk Bonuspunkte eingebracht hat.
Uhlig:
Wir sind keine Aktiengesellschaft, sondern ein Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit. Wir gehören den Mitgliedern und sind ihnen damit verpflichtet. Da haben wir entsprechend unserem Credo – für unsere Kunden da zu sein – auch zu Lasten des betrieblichen Ergebnisses entschieden, Leistungen in der Betriebsschließungsversicherung zu erbringen. Andere Marktteilnehmer haben da anders entschieden.

DHB: Ihre Angebote zählen nicht zu preiswertesten, was Sie mit Ihrer Vertriebsorganisation begründen. Gibt es in der Kundschaft Preisdiskussionen?
Uhlig:
Wir sind der Meinung, dass wir ein sehr gutes Preis-Leistungsverhältnis haben. Bei der Signal Iduna kauft der Kunde nicht ein Produkt mit einem Tarif, sondern Beratungsversprechen, Leistungsversprechen und Serviceversprechen – über die Laufzeit des Vertrages hinweg. Das heißt auch: Es sind Menschen, die in den wichtigen Momenten der Leistung oder der Beratung da sind – und das kann nicht kostenfrei sein.

DHB: Erreichen Sie mit dieser Botschaft die Handwerker, auch die, die sich nicht in den Handwerksorganisationen engagieren?
Uhlig:
Das ist Quadratur des Kreises. Es gibt heute nicht mehr nur die klassischen Innungsversammlungen, um die Meister zu erreichen. Daher müssen wir an den unterschiedlichsten Stellen präsent sein, um unsere Rolle als Partner des Handwerks zu vermitteln. Etwa beim Thema Fachkräftemangel. Die Attraktivität als Arbeitgeber im Handwerk definiert sich nicht nur über die Höhe des Lohns, sondern auch über andere Mehrleistungen, zum Beispiel eine betriebliche Krankenversicherung mit Leistungen, die Beschäftigte sofort positiv spüren. Mit uns können die Betriebe zukunftsorientierte Mehrleistungen anbieten und sich Wettbewerbsvorteile im Kampf um kluge Köpfe und fleißige Hände verschaffen.

DHB: Haben sich die Ansprüche der Kunden an die Versicherung geändert?
Uhlig:
Eindeutig ja. Kunden haben heute eine andere Erwartungshaltung an Reaktionsgeschwindigkeiten und an den Service. Die Kunden erleben es ja bei Amazon & Co. Wer etwas kauft, will schnell wissen, wo die Ware ist und wann sie ankommt. Diese Erwartungshaltung bauen Kunden auch in Richtung ihrer Versicherungs- und Finanzpartner auf. Darauf haben wir reagiert: Hat ein Kunde z.B. einen Fahrzeug-, Gebäude- oder Hausratschaden, bekommt er online seine Schadennummer, kann ggf. Bilder hochladen und kann über den Schadenfahrplan den Status seiner Schadenbearbeitung verfolgen. Das haben wir zunächst in den Komposit-Sparten gestartet, arbeiten intensiv daran auch für andere Sparten.

DHB: Merken Sie den coronabedingten Strukturwandel mit Marktbereinigungen, Aufgaben und Übernahmen im Handwerk?
Uhlig:
Ja, denn ganz simpel brauchen abgemeldete Betriebe keinen Versicherungsschutz und damit fehlt natürlich Versicherungs-Potenzial. Der Trend zu größeren Betrieben durch Übernahmen und Konzentration stellt insoweit eine Herausforderung dar, weil sich die Erwartungshaltung an Versicherungsschutz durch die Größe der Unternehmen weiterentwickelt. In der Folge sind mehr Risiken zu zeichnen und müssen Limits erhöht werden, um weiter attraktiver Partner für die Unternehmen zu sein, die aus der Konzentration von Handwerksbetrieben entstehen. Aktuell und als Folge des Fachkräftemangels stehen die Themen rund um die betriebliche Altersversorgung und betriebliche Krankenversicherung im Mittelpunkt. Aber auch die Gewerblichen Versicherungen wie für Geschäftsinhalte, Betriebsunterbrechungen, Geschäftsgebäude und Betriebshaftpflichtversicherung sind große Wachstumsthemen für unsere Gruppe in den letzten Jahren.

DHB: Wie sieht es beim Thema Elementarschäden aus?
Uhlig:
Wir haben schon vor zehn Jahren den Elementarschutz obligatorisch in den Produkten gehabt, also der Schutz musste aktiv abgewählt werden. Im Beratungsgespräch wird natürlich auf die Kosten für diesen Schutz hingewiesen. Das sind meines Erachtens überschaubare Beiträge, die aber nicht jeder Kunde tragen wollte. Nach der Ahrtal-Katastrophe gab es kurzfristig eine höhere Nachfrage nach Elementarschutz, der aber wieder abgeflacht ist – aus den Augen, aus dem Sinn. Ich kann diesen Versicherungsschutz für jeden Immobilienbesitzer nur empfehlen. Gerade Betriebsinhaber sollten den Versicherungsschutz für Betriebsunterbrechung nach Elementarereignissen berücksichtigen. Durch die Klimaveränderung ist die Wahrscheinlichkeit, dass Schäden eintreten können, noch einmal sehr viel höher geworden.

DHB: Haben Sie durch die Fintechs, den internetbasierten Online-Banken und Versicherungsportalen, eine neue Konkurrenz?
Uhlig:
Die Fintechs haben die klassischen Versicherer insofern wachgerüttelt, dass wir „Alten“ nun wesentlich kundenzentrierter, einfacher und schneller an Themen herangehen. Und sie haben uns auch Inspirationen und Ideen gegeben, uns kritisch zu hinterfragen und Transformationsprozesse anzustoßen. Die Fintechs merken aber, dass gute Prozesse nur ein Teil der Miete sind. Wichtig ist es, Kundenbeziehungen zu haben und diese Kunden auch zu begeistern und anzusprechen. Denn zu den Produkten unserer Branche steht keiner morgens auf uns sagt sich: „Heute kaufe ich mir eine Berufsunfähigkeitsversicherung.“ Wir müssen in fast allen Bereichen den Bedarf erst einmal wecken, auf Risiken hinweisen und erklären, wie diese beherrschbar sind. Bei der notwendigen Vertriebskraft und der Kundenanzahl stoßen die Fintechs aktuell an ihre Grenzen.

DHB: Für Sie hat sich aber auch das Marketing und ihre ganzen Kommunikationsstruktur verändert. Sie müssen in den Zielgruppen präsent sein – und das in allen Medienformaten.
Uhlig:
Da gebe ich Ihnen vollkommen recht. Die vergangenen drei, vier Jahren haben klar gezeigt, dass wir im Kundenkontakt hybrid, also offline und online, kommunizieren und agieren müssen. So wie wir das gemeinsam mit den Handwerksmedien wie den Ihrigen bundesweit ins Handwerk hinein kommunizieren. Manches geht weiter rein offline. Ist aber Interaktion und damit Messbarkeit notwendig, funktioniert das vor allem in Kombination mit Online-Medien. Wir wissen aber auch um die Vorteile gedruckter Medien. Denn im Handwerk gibt es ein starkes Verlangen, etwas in der Hand zu halten. Die Kunst wird sein, mit einem Printmedium ein Interesse zu erzeugen, dass der Leser mit seinem Smartphone zum Beispiel über einen QR-Code in die Interaktion kommt. Je mehr sich On- und Offline miteinander verbinden, desto erfolgreicher wird es.

DHB: Sie kommen vermutlich am Thema „Embedded Insurance“, die Einbindung von Versicherungsleistungen in Produkte, auch nicht herum?
Uhlig:
Absolut! Wir wollen in diesen Markttrend gemeinsam mit den Partnern im Handwerk bedienen. Ich sehe bei einer Reihe von Versicherungsprodukten in den kommenden Jahren das Risiko, dass sie nicht mehr über klassische Vertriebswege angeboten werden. Ein Beispiel ist die Kfz-Versicherung. Wir haben heute schon Hersteller, bei denen die Kfz-Versicherung Bestandteil des Autos ist. Das wird aus Kundensicht vieles vereinfachen, weil dann eben in Zukunft z.B. nicht mehr aufwändig nach Schadenfreiheitsrabatten gefragt wird. Es ist alles in der Leasingrate enthalten, Haftpflicht und Kasko ebenso wie eine Werkstattbindung sind im Betrag eingerechnet.

DHB: Was hat der Kunde davon?
Uhlig:
Allein durch die Themen Werkstattbindung und Verrechnungspreise können Beitragsvorteile entstehen. Nun ganz praktisch ein aktuelles Beispiel für „Embedded Insurance“ aus unserer SIGNAL IDUNA Sicht: es ist naheliegend, dass wir zunächst mit den Gewerken sprechen, die selbst auch im Bereich nachhaltige Transformation der Wirtschaft aktiv sind. Ein Beispiel: Mit den Gewerken Elektro, Heizung, Sanitär und Klima überlegen wir, ob der notwendige Versicherungsschutz für eine Photovoltaikanlage bereits Bestandteil bei Kauf und Montage sein könnte. Diesen Ansatz sehen wir überall dort, wo wir unsere Versicherungskompetenz mit der Kompetenz des Handwerks zusammenbringen können. Die Basis dafür ist unsere jahrzehntelange vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem Handwerk, gemeinsam Neues zu entwickeln, denn die Transformation der Wirtschaft wird nur mit dem Handwerk gelingen. Am Ende muss für alle ein Mehrwert entstehen, der seine Wirkung auch in den Betrieben entfaltet. Wenn das gelingt, bin ich optimistisch, dass auch diese neue Art der Zusammenarbeit erfolgreich ist!

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Text: / handwerksblatt.de

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